von Dr. Rainer Zitelmann | Laut den letzten Umfragen könnte es in Hessen rechnerisch für ein Zusammengehen von Grünen, SPD und Linken reichen. Meine Prognose: Wenn es reicht, werden sie es tun. Der nächste Ministerpräsident von Hessen könnte Tarek Al-Wazir heißen.
Gestern veröffentlichten Infratest dimap und die Forschungsgruppe Wahlen Umfrageergebnisse, nach denen SPD, Grüne und Linke zusammen 49 bzw. 50 Prozent der Stimmen bei der Hessenwahl auf sich vereinen könnten. Das würde voraussichtlich für eine Mehrheit der Sitze im Hessischen Landtag ausreichen.

Die Frage, was in Hessen geschehen wird, hängt also von verschiedenen Faktoren ab:
1. Wird die FDP für ein Bündnis mit SPD und Grünen bereit stehen? Zwar hat die FDP das nur indirekt und nicht direkt ausgeschlossen, aber die FDP in Hessen ist traditionell eher rechts als links und ich rechne nicht damit, dass sie mit SPD und Grünen zusammengehen würde. Jamaika mit CDU und Grünen würde die FDP jedoch machen.
2. Die SPD ist in Hessen traditionell sehr weit links. Bereits 2008 wäre es fast zu einer Rot-Grünen Regierung mit Duldung der Linken gekommen. Bei der Landtagswahl am 27. Januar 2008 verlor die CDU ihre absolute Mehrheit und die SPD wurde mit 0,1 Prozentpunkten Abstand zweitstärkste Partei nach der CDU. Die damalige SPD-Vorsitzende von Hessen Andrea Ypsilanti strebte nach der Wahl eine von der SPD geführte Regierungsbildung unter Beteiligung der Linken an. Eine solche Rot-Rot-Grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linken stand zwar eindeutig im Gegensatz zu Aussagen Ypsilantis vor der Wahl, mit denen sie wiederholt jedwede Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen hatte. Nach der Wahl meinte sie jedoch, sie habe es sich anders überlegt. Dieser Wortbruch sorgte bundesweit für Empörung. Am 3. November 2008 kündigten vier Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion an, bei der für den 4. November geplanten Wahl zur Ministerpräsidentin nicht für Ypsilanti zu stimmen. Sie musste daraufhin zurücktreten. Doch das ist Vergangenheit: Diesmal haben weder SPD noch Grüne ein Zusammengehen mit der Linken ausgeschlossen. Die SPD ist im Bund im Vergleich zur Situation vor zehn Jahren weit nach links gerückt. Der Druck des linken Kühnert-Flügel, der eindeutig für Rot-Rot-Grün steht, wird immer stärker. Vor allem: Aus Sicht dieser Genossen wäre eine Rot-Rot-Grüne oder auch eine Grün-Rot-Rote Regierung das befreiende und mobilisierende linke Signal gegen die verhasste Groko in Berlin. Selbst wenn es rechnerisch für eine Koalition aus SPD und CDU in Hessen reichen würde (was derzeit eher unwahrscheinlich erscheint), so ist es sehr unwahrscheinlich, dass die SPD diesen Weg gehen würde, denn die „Große Koalition“ ist in der Partei inzwischen regelrecht verhasst. Für die SPD wäre es im Falle einer hauchdünnen Mehrheit mit der CDU wahrscheinlicher, dass es bei der Wahl eines CDU-Ministerpräsidenten Abweichler aus den eigenen Reihen gibt als bei einer hauchdünnen Mehrheit von SPD, Grünen und Linken.

4. Und die Linken? Sie wären überglücklich, wenn sie mitregieren dürften und würden der SPD und den Grünen mit Sicherheit keine unzumutbaren Bedingungen stellen.
Ergebnis: Es besteht die reale Gefahr einer Grün-Rot-Roten oder Rot-Rot-Grünen Regierung in Hessen. Für die SPD würde dies euphorisierend wirken – Kevin Kühnert & Co wären begeistert, denn das ist genau die (bundesweit fehlende) Machtperspektive, von der sie träumen. Es wäre für sie ein klares Signal, dass die SPD sich endgültig von der „Agenda“-Politik abgewendet hat und könnte sogar das Aus für die GroKo in Berlin befördern.
Leider schreckt Rot-Rot-Grün (anders als noch vor zehn Jahren) die meisten Wähler nicht mehr. Und dies, obwohl ein Blick auf die Hauptstadt, wo SPD, Linke und Grüne zusammen regieren, jedem zeigen könnte, was für katastrophale Folgen dies hat – ob im Bereich der Wohnungspolitik, der Bildungspolitik oder der inneren Sicherheit. Leider sind die katastrophalen Zustände in diesen Bereichen außerhalb der Hauptstadt jedoch kaum bekannt. Man sollte den Wählern in Hessen in der letzten Woche vor den Wahlen genau davon berichten.
Quelle: TheEuropean
























