Das rus­sische Fern­sehen über poli­tische Gei­sel­nahmen durch die USA

In der rus­si­schen Sendung “Nach­richten der Woche” wurde ein heikles Thema auf­ge­nommen, es beschul­digte die USA Men­schen als poli­tische Geiseln zu nehmen, um die Ziele der ame­ri­ka­ni­schen Politik durch­zu­setzen. Ich habe den Beitrag übersetzt.

(Von Thomas Röper)

Beginn der Übersetzung:

Die ame­ri­ka­nische Super-Ein­fachheit ist immer noch ein Thema. Die Ver­ein­fa­chung der Politik und die Ver­ein­fa­chung der Motive. Die Ver­ein­fa­chung im Stil und die Ver­ein­fa­chung der Methoden. Es scheint, dass die Ver­ei­nigten Staaten all dies der Welt auf­zwingen, und die Menschheit selbst gleitet zurück in dunkle Zeiten.

Wir zum Bei­spiel kennen das Prinzip noch aus der Erfahrung der Stalin-Zeit der UdSSR: “Gibt es die Person, gibt es ein Problem, gibt es die Person nicht mehr, gibt es auch kein Problem mehr.” Im 21. Jahr­hundert kehrten die Ver­ei­nigten Staaten von Amerika zu diesem Prinzip zurück. Ein klas­si­sches Bei­spiel ist der ehe­malige Direktor des Inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­fonds, der Franzose Domi­nique Strauss-Kahn. Er war in seinem Hei­matland so beliebt, dass er bei den Prä­si­dent­schafts­wahlen 2012 in Frank­reich als Kan­didat Nummer eins galt.

Ein beein­dru­ckender Mann, ein her­vor­ra­gender Redner, er hatte großes inter­na­tio­nales Ansehen, er war ein Kri­tiker der US-Wirt­schafts­po­litik, die auch Frank­reich schadet. Es ist klar, dass die Ame­ri­kaner einen solchen Prä­si­denten nicht für die Fran­zosen wollten. Eines Tages war Strauss-Kahn geschäftlich in New York ange­kommen, und dort wurde er bereits im Hotel von einem kräf­tigen schwarzen Mädchen in einer weißen Schürze erwartet. Strauss-Kahn konnte sich kaum umdrehen, als sie ihn auch schon wegen sexu­eller Beläs­tigung anklagten.

Strauss-Kahn fand sich in Hand­schellen zusammen mit stin­kenden New Yorker Obdach­losen im Knast wieder. Ein Skandal. Die Presse berichtete. Alle brüllten: “Schuldig!” Er war ein­ge­sperrt wie eine Geisel. Und so wurde er poli­tisch getötet.

Später erst, nach einem lang­wie­rigen, künstlich in die Länge gezo­genen Rechts­streit mit dem ame­ri­ka­ni­schen Zim­mer­mädchen, gewann Strauss-Kahn den Prozess. Aber zu spät, der Prä­si­den­ten­stuhl ist an ihm vor­bei­ge­gangen. Im Jahr 2012 wollten die Ame­ri­kaner den farb­losen Francois Hol­lande. So lösten die Ame­ri­kaner, indem sie die Person aus­ge­schaltet hatten, das Problem.

Nun ent­fernen die Japaner nach dem Bei­spiel der Ame­ri­kaner eine Person. Das ist Carlos Ghosn. Er ist 64 Jahre alt. Eine Legende der glo­balen Auto­mo­bil­in­dustrie. Der Bra­si­lianer posi­tio­niert sich als Welt­bürger. Gründer und Leiter der inter­na­tio­nalen Allianz Renault-Nissan-Mitsu­bishi. Ende 2017 wurde die Allianz weltweit Nummer Eins im Pkw-Absatz und über­holte Volks­wagen und Toyota, General Motors sowieso. Jetzt ist Carlos Ghosn in einem japa­ni­schen Gefängnis. In einer kalten und engen Zelle. Bis vor kurzem musste er auf einem Laken schlafen, wie ein Hund. Kürzlich wurde Carlos Ghosn erlaubt, eine Koje in die Zelle zu bekommen. Aber die Ver­hält­nisse sind nach Angaben der Frau von Ghosn, Carol, immer noch nicht gut.

“Mein Mann wird in einer unbe­heizten Zelle von sieben Qua­drat­metern gehalten, und er wird haupt­sächlich mit Reis und Perl­graupen ernährt. In den letzten zwei Wochen hat er sieben Kilo­gramm abge­nommen. In der Nacht schalten sie das Licht nicht aus. Sie geben ihm nicht die not­wen­digen Medi­ka­mente” sagte Ghosns Frau.

Am 8. Januar erschien Ghosn zum ersten Mal nach seiner Ver­haftung in der Öffent­lichkeit. Er sah aus wie ein elender, hagerer alter Mann. Die Japaner ver­däch­tigen Carlos Ghosn, Ein­kommen zu ver­schleiern und Gelder von Nissan unter­schlagen zu haben. Ghosn und seine Anwälte bestreiten alles. Es gab noch kein Gerichts­ver­fahren, aber man ver­sucht bereits, Ghosn zu brechen.

“Die Staats­an­wälte ver­hören ihn täglich für mehrere Stunden. Sie schüchtern ihn ein und beschimpfen ihn, halten ihm Lek­tionen und tun dies in Abwe­senheit von Anwälten, um ein Geständnis zu erhalten” schrieb die Presse.

Das heißt, die japa­nische Anklage hat wenig Beweise und braucht um jeden Preis die “Königin der Beweise”, ein Geständnis. Das aber ist etwas, was sie von Ghosn bisher nicht bekommen haben.

Japan braucht Carlos Ghosn nicht, da Nissan, das er vor dem Bankrott gerettet hat, heute groß­artig funk­tio­niert. Und Ghosns Zukunfts­pläne für die Inte­gration mit Renault und die Schaffung eines rie­sigen trans­na­tio­nalen Auto­mo­bil­kon­zerns, der nicht mehr stark vom Staat und den lokalen Tra­di­tionen abhängig ist, sind nicht in Tokios Interesse. Aber: Gibt es keinen Ghosn mehr, gibt es auch kein Problem mehr. Wir wie­der­holen es noch einmal, das war das sta­li­nis­tische Prinzip: “Gibt es die Person nicht mehr, gibt es auch das Problem nicht mehr.” Nun wurde das Prinzip von Amerika ins Waf­fen­ar­senal über­nommen. Und auch ame­ri­ka­nische Vasallen begannen damit, und der Preis des mensch­lichen Lebens auf dem Pla­neten sinkt.

Das ist die neue ame­ri­ka­nische Mode: Gei­sel­nahmen. Zu Beginn des 21. Jahr­hun­derts haben nur Ban­diten und Ter­ro­risten Geiseln genommen. Sie haben eine kon­krete Aufgabe: sie ent­führen eine oder mehrere Per­sonen und fordern von anderen die Erfüllung ihrer Wünsche. Es wurde ver­ab­scheut, man reagierte mit Ekel darauf, wer Geiseln nahm, galt als unmenschlich und gna­denlos, mit solchen Leuten wollte niemand etwas zu tun haben. Und nun das. Immerhin sind Gei­sel­nahmen eine Mode aus dem Mit­tel­alter, auf keinen Fall darf man das in unserer humanen Moderne tun.

Jetzt nimmt Amerika aus­län­dische Geiseln. Mit der Hilfe ame­ri­ka­ni­scher Gerichte. Der rus­sische Pilot Jaro­schenko wurde ohne Recht auf Ver­tei­digung unter frag­wür­digen Anklagen ver­ur­teilt und sitzt im Gefängnis.

Die Rechts­an­wältin Natalia Vesel­nit­skaya hat Pro­bleme mit der ame­ri­ka­ni­schen Justiz, die sich an ihr rächen wird, weil sie den berühmten Betrüger Browder ent­larvt hat. (Browder hat laut rus­si­scher Staats­an­walt­schaft hun­derte Mil­lionen Dollar unter­schlagen, Anm. d Verf.)

Die Akti­vistin Maria Butina hat eine ame­ri­ka­nische Uni­ver­sität absol­viert und kam als rus­sische “Ver­füh­rerin”, die für eine fremde Macht arbeitet, durch eine auf­ge­blasene Anklage ins Gefängnis.

Über jeden dieser Fälle haben wir in “Nach­richten der Woche” mehrmals berichtet und das rus­sische Außen­mi­nis­terium hat pro­tes­tiert. Dennoch halten die Ame­ri­kaner sie als Geiseln, in der Hoffnung, so die rus­sische Politik beein­flussen zu können.

Hier ist noch eine ganz frische Geschichte. Vor kurzem wurde die Jour­na­listin und Fern­seh­mo­de­ra­torin des ira­ni­schen eng­lisch­spra­chigen Senders „Press-TV“ Marzie Hashemi am Flug­hafen fest­ge­nommen. Sie flog nach Amerika, um ihren kranken Bruder zu besuchen. Früher war sie eine Afro­ame­ri­ka­nerin namens Melanie, die zum Islam kon­ver­tiert ist und heute im Iran arbeitet. Bereits das reicht aus, um direkt nach der Landung fest­ge­nommen zu werden, ihr den Hijab im Gefängnis abzu­nehmen und ihr nur Schwei­ne­fleisch als Speise anzu­bieten. Eine weitere Geisel, die sich nichts hat zu Schulden kommen lassen. Der Iran ist für die Ver­ei­nigten Staaten einfach ein rotes Tuch.

Und die Ame­ri­kaner ver­breiten die Seuche der Gei­sel­nahmen auf der ganzen Welt. Im Dezember ver­haftete Kanada auf Ersuchen der Ver­ei­nigten Staaten die Finanz­chefin und Tochter des Gründers des chi­ne­si­schen Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­kon­zerns Huawei wegen angeb­licher Ver­stöße gegen die Sank­tionen gegen den Iran. Meng Wangzhou ist immer noch in Kanada. Aus dem Knast wurde sie ent­lassen und steht unter Haus­arrest. Sie ist in Geiselhaft.

Die Chi­nesen waren gezwungen, mit gleicher Münze zu ant­worten. Fünf Kanadier werden in chi­ne­si­schen Gefäng­nissen fest­ge­halten. Und in einem Fall erhöhte ein Gericht sofort die Strafe für die Einfuhr von Drogen von 15 Jahren Haft auf die Todes­strafe. Der Name des betrof­fe­nenen Kanadier ist Robert Lloyd She­lenberg. Er hat 10 Tage Zeit, um Berufung ein­zu­legen. Aber es sieht schlecht für den Kanadier aus. Der kana­dische Pre­mier­mi­nister Justin Trudeau hat nichts als ohn­mäch­tiges Ent­setzen. Diplo­ma­tische Noten funk­tio­nieren nicht. Selbst US-Außen­mi­nister Mike Pompeo setzte sich für den Kanadier ein und bezeichnete Chinas Aktionen als “inak­zep­tabel”. Peking hat nicht einmal geantwortet.

Gei­sel­nahmen sind so alt wie die Menschheit. Um nicht gleich in die Antike zurück­zu­gehen, erinnern wir uns an den Zweiten Welt­krieg. Deutsche Faschisten nahmen unschuldige Men­schen als Geiseln und erschossen sie bei Unge­hor­samkeit und Sabo­ta­ge­akten in einer besetzten Stadt. Dies ist Para­graph 358 der ame­ri­ka­ni­schen Regeln des Land­krieges („RULES OF LAND WARFARE“): “Geiseln, die fest­ge­nommen werden, um illegale Aktionen der Streit­kräfte des Feindes oder seiner Bevöl­kerung zu ver­hindern, können bestraft und eli­mi­niert werden, wenn der Feind diese Aktionen nicht einstellt.”

Es scheint, dass Amerika die Praxis Gei­sel­nahme wie­der­belebt hat und sie sogar zur Norm macht. Wer aus Erfahrung lernen will, lernt schnell. Eine typische Geisel in der Ukraine ist der Jour­nalist Kirill Vys­hinsky. Er ver­schimmelt im Gefängnis von Kherson, nur um ihn gegen in Russland wegen Ter­ro­rismus ver­ur­teilte Ukrainer auszutauschen.

Vor kurzem fand in Kiew bei seinem Rechts­anwalt Andrei Damansky eine über­ra­schende Durch­su­chung statt. Aus­ge­rechnet an einem Tag, an dem der Anwalt gerade in Kherson war. Nichts wurde beschlag­nahmt, aber es war eine Aktion zur Ein­schüch­terung. Das heißt, Kyrill wird nicht nur das Recht auf freie Mei­nungs­äu­ßerung, sondern auch das Recht auf Ver­tei­digung ver­weigert. Es ist diese Ein­fachheit, die man von den Ame­ri­kanern gelernt hat.

Ende der Übersetzung

Wenn Sie sich für die rus­sische Sicht auf die inter­na­tionale Politik inter­es­sieren, sollten Sie sich mein Buch einmal ansehen, in dem ich Putin selbst mit langen Zitaten zu den aktu­ellen Fragen zu Wort kommen lasse. Dies Buch war aus meiner Sicht not­wendig, weil in den west­lichen Medien zwar viel über Putin berichtet wird, aber er selbst nie zu Wort kommt. Und wenn doch, werden seine Aus­sagen so aus dem Zusam­menhang gerissen, dass sie einen völlig anderen Sinn bekommen.