Vera Lengsfeld: Neues von Anetta Kahane – Die Fach­tagung als Tribunal?

Schaut man auf den aktu­ellen Ver­an­stal­tungs­ka­lender der Lan­des­zen­trale für Poli­tische Bildung Berlin, dann sieht es so aus, als ob am 14. Februar nichts los ist. Aber dieser Schein trügt, meint Gast­au­torin Vera Lengsfeld.
Am 14. Februar findet in Berlin eine von der Lan­des­zen­trale für poli­tische Bildung geför­derte Tagung statt. Und zwar in den Räumen der Amadeu-Antonio-Stiftung. Titel der „Fach­tagung“: „Der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung“.
https://youtu.be/PYhgkxtC1pc

Worum es bei der „Fach­tagung“ gehen soll, wird gleich zu Anfang des offi­zi­ellen Ein­la­dungs­schreibens klar gemacht, welches man zum Bei­spiel auf den Seiten von Stephan Hilsberg finden kann und das drei Unter­schriften trägt: Anetta Kahane, Lei­terin der AAS, Enrico Herzer und Klaus Bästlein:

Der Fall Hubertus Knabe ist in aller Munde. Bei den Debatten um seine Ent­lassung ist in den Hin­ter­grund getreten, dass er auch eine Schar­nier­funktion zu den rechten Rändern der DDR-Auf­ar­beitung hatte. Er scheute nicht davor zurück, Natio­nal­so­zia­lismus und SED-Sozia­lismus als zwei „sozia­lis­tische“ Seiten einer tota­li­tären Medaille zu betrachten und beide Regimes zu ana­lo­gi­sieren – eine am rechten Rand typische Grenzüberschreitung.“

Die Auf­ar­beitung der zweiten deut­schen Dik­tatur war SED- und Stas­ikadern immer ein Dorn im Auge. Sie konnten nicht ver­hindern, dass die Gedenk­stätte in der ehe­ma­ligen Zen­tralen Unter­su­chungs­haft­an­stalt der Staats­si­cherheit ent­stand, andere Gedenk­stätten in Potsdam, Mag­deburg, Dresden, Torgau, Cottbus, Erfurt folgten. An den Orten der kom­mu­nis­ti­schen Repression muss man keine Ver­gleiche zu anderen tota­li­tären Dik­ta­turen bemühen, sie springen einem förmlich ins Auge. Hier saßen, ins­be­sondere in den 40er- und 50er-Jahren viele Men­schen, die vorher schon in Nazi-Gefäng­nissen inhaf­tiert waren. Hier kann man die Methoden des sowje­ti­schen Geheim­dienstes stu­dieren, die von der Staats­si­cherheit der DDR über­nommen und kreativ wei­ter­ent­wi­ckelt wurden.
Es hat schon in den ver­gan­genen Jahren immer wieder heftige Dis­kus­sionen gegeben, weil Ver­suche unter­nommen wurden, die Bru­ta­lität kom­mu­nis­ti­scher Regime gegen Anders­den­kende zu ver­harm­losen. Ein Bei­spiel ist die heftig umstrittene Dau­er­aus­stellung im ehe­ma­ligen NKWD-Gefängnis in Potsdam.
Jetzt ent­wi­ckelt sich aber etwas viel Gefähr­li­cheres. Kräfte, wie die Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich den Kampf gegen ‚rechts‘ auf die Fahne geschrieben haben, scheinen einen Keil in die Dik­ta­tur­auf­ar­beitung treiben zu wollen. Vor allem sieht es so aus, als sollten alle Kräfte, die Demo­kratie und Mei­nungs­freiheit auch für Kritik an z.B. der Flücht­lings­po­litik der Bun­des­re­gierung oder anderen linken Pro­jekten rekla­mieren, mundtot gemacht werden.
Dabei zeichnet sich eine Stra­tegie des Dop­pel­schlages ab. Indem man ver­sucht, die DDR-Auf­ar­beitung als „rechts“ zu stempeln und die Auf­ar­bei­tungen der beiden Dik­ta­turen in Deutschland gegen­ein­ander auf­hetzt, schwächt man die Dik­ta­tur­auf­ar­beitung ins­gesamt und ver­sucht, sich die Deu­tungs­hoheit zu sichern.
Die „Fach­tagung“ der AAS soll ganz offenbar ein Mei­len­stein in dieser Sache werden. Damit alles glatt läuft, werden „Beweise“ für die angeb­liche Rechts­las­tigkeit der DDR-Aufarbeitungs-„Szene“ schon im Ein­la­dungs­schreiben prä­sen­tiert und ein­ge­ordnet. An erster Stelle stehen die ver­un­glückten Äuße­rungen des ehe­ma­ligen poli­ti­schen Häft­lings Siegmar Faust in einem Interview mit dem Jour­na­listen Markus Decker. Sin­ni­ger­weise ist dieser offensiv-aggressive Jour­nalist, der in den letzten Jahren durch aus­ge­sprochen bös­artige Inter­pre­ta­tionen des Nach­wen­de­wirkens der DDR-Bür­ger­rechtler auf­ge­fallen ist, als Aktiv­posten Referent vor Ort. So wird doppelt sicher­ge­stellt, dass der Spin genau in die gewünschte Richtung läuft.
Das Ein­la­dungs­schreiben, welches sich eher wie eine perfide Ankla­ge­schrift liest, führt einen vor­sichts­halber nicht ein­deutig beschrie­benen Fall auf: 

Ein ehe­ma­liges UOKG-Vor­stands­mit­glied, das Bücher in extrem rechten Ver­lagen publi­ziert hatte, wurde zu einer Geld­strafe ver­ur­teilt, weil er die Lei­terin der Pots­damer Gedenk­stätte Leis­ti­kow­straße angriff und verletzte.“

Mich erinnert dieses Vor­gehen nur zu gut an die über­wunden geglaubten DDR-Zeiten. Wie Zer­setzung funk­tio­niert, kann man heute in den geöff­neten Sta­si­akten nach­lesen. Unter anderem durch das Streuen von halb- oder unwahren Gerüchten, die so gestrickt waren, dass die Ziel­person und ihr gesamtes Umfeld maximal dis­kre­di­tiert wird. Ich weiß nicht, ob es den oben genannten Fall tat­sächlich so gab, die Art und Weise wie hier aber mit Andeu­tungen, Unter­stel­lungen und kon­stru­ierten Zusam­men­hängen ope­riert wird, erinnert mich fatal an Altbekanntes.
Zudem ist die Ein­ladung durch­zogen von Dop­pel­stan­dards. Dazu nur eine kleine Rand­notiz: Ob Anetta Kahane, die Ver­öf­fent­li­chungen in „Rechts­au­ßen­blättern wie der ‚Jungen Freiheit’ als negative Indizien anführt, bewusst ist, wie unseriös das wirkt, wenn sie selber sich vom Refe­renten Martin Jander 2004 für das Links­au­ßen­blatt Jungle World inter­viewen ließ? Thema: ‚Die öst­liche Seite des Täter­landes.’ Ein Gespräch mit Anetta Kahane über Ras­sismus und Anti­se­mi­tismus in der DDR.“
Wie bedenken- und rück­sichtslos im Ein­la­dungs­f­raming vor­ge­gangen wird, zeigt vor allem die Anführung eines Zitats des renom­mierten ehe­ma­ligen Spe­zi­al­la­ger­häft­lings Gerhard Finn, der im Januar 2014 in einem Nachruf im „Tages­spiegel“ zu Recht als ver­dienstvoll, ruhig und sachlich gewürdigt wurde.
Hier das frei­schwe­bende Zitat aus dem Ein­la­dungs­schreiben: „Bereits 1991 sagte der spätere Vor­sit­zende der ‚Union der Opfer­ver­bände Kom­mu­nis­ti­scher Gewalt­herr­schaft (UOKG)’, Gerhard Finn: ‚Aus der Ras­sen­frage wurde in der DDR die Klas­sen­frage, aus der Frage nach dem ari­schen Groß­vater die Frage nach dem pro­le­ta­ri­schen Vater.’ NS-Täter wurden als ‚Opfer des Sta­li­nismus’ geehrt.“
Gerhard Finn starb 2013 im Alter von 83 Jahren – den Inhalt und den Kontext seiner Äußerung kann der ehe­malige Pres­se­sprecher des Inner­deut­schen Minis­te­riums, der im Dezember 1945 mit 15 Jahren von kom­mu­nis­ti­schen Sowjets wegen angeb­licher „Werwolf“-Aktivitäten ver­haftet und mittels her­aus­ge­prü­gelter Geständ­nisse für 3 Jahre ins Spe­zi­al­lager Nr. 2, Buchenwald, ein­ge­sperrt wurde, welches er halbtot, aber als Ein­ziger der Gruppe lebend verlies – nicht mehr ein­ordnen. Mitte der Neun­ziger hat Russland Gerhard Finn reha­bi­li­tiert. 50 Jahre nach seiner Ver­haftung hatte er die offi­zielle Bestä­tigung aus den Archiven, dass er kein „Werwolf“ gewesen war, sondern nur ein Junge zur fal­schen Zeit am fal­schen Ort. Jetzt, im 6. Jahr seines Todes prä­sen­tieren Anetta Kahane und Co. ihn als Kron­zeugen einer neuen Anklageschrift.
Lesen Sie das Pro­gramm der Tagung selber und Sie werden fest­stellen, was hier ganz offenbar geplant ist: Nach einem noch halbwegs abge­wo­genen Ein­gangspanel geht es in Panel II und Panel III offen zur Sache: Unter der Über­schrift: „Erfah­rungs­be­richte aus der Arbeit und dem Umgang mit Opfer­ver­bänden und Auf­ar­bei­tungs­in­itia­tiven“ wird es konkret: „Erfah­rungs­be­richt aus dem För­der­verein“, „Erfah­rungen von Stu­die­renden in der Gedenk­stätte“ haben die Gedenk­stätte Hohen­schön­hausen direkt im Visier. Außerdem refe­riert Markus Decker über „Rechte Ten­denzen in der Ber­liner Aufarbeitungslandschaft“.
Prak­ti­scher­weise kann der Redakteur des Redak­ti­ons­netz­werks Deutschland (RND) die Rolle des Anklägers und Bericht­erstatters gleich in Per­so­nal­union spielen – das spart Zeit und erhöht die Effi­zienz. Zum Abschluss von Panel II wird die UOKG direkt ins Visier genommen: Über „Die Union der Opfer­ver­bände kom­mu­nis­ti­scher Gewalt­herr­schaft e.V. und ihre Geschichts­po­litik“ spricht der schon erwähnte Martin Jander.
Im Panel III (“Rechte Ein­flüsse in der Praxis”) werden dann noch mal die Gedenk­stätte Hohen­schön­hausen und zusätzlich das Hannah-Arendt-Institut der TU Dresden und das Men­schen­rechts­zentrum Cottbus ins Visier genommen.
Für mich liest sich dies wie ein Tri­bunal, nicht wie eine Fachtagung.
Und welch bittere Ironie: Anetta Kahane ist jetzt eine der Ein­la­denden dieser tri­bu­nal­ar­tigen „Tagung“ über genau die Men­schen, die vom Minis­terium für Staats­si­cherheit ver­folgt wurden, dem sie als inof­fi­zielle Mit­ar­bei­terin jah­relang gedient hat. So etwas funk­tio­niert nur in Deutschland.
In beiden „Panels“ wird nicht ansatz­weise sichtbar, dass es für die schwer ange­grif­fenen Insti­tu­tionen irgend­je­manden gibt, der eine Gegen­po­sition ver­treten darf. Dies scheint eine Art-Neo-Demo­kratie à la Kahane, Herzer und Bästlein zu sein. Wir hören lieber nur eine Seite, aber dafür 7 Mal! Dies wird auch nicht durch das Abschluss­panel mit Prof. Morsch und Dieter Dom­browski, dem momen­tanen Vor­sit­zenden der UOKG, ver­bessert. Im Gegenteil, durch die ein­seitige Vor­prägung werden diese beiden ver­mutlich auf dem Podium kaum wider­sprechen können.
Seriöse Wis­sen­schaft und Demo­kratie geht jeden­falls ganz anders.
Was muss passieren?
Natürlich darf diese „Fach­tagung“ und ihre Refe­renten auf keinen Fall unbe­ob­achtet statt­finden. Sonst werden die Berichte von Markus Decker als neue Beweise ange­führt. Nutzen Sie die Mög­lichkeit zur Anmeldung! Wir können gespannt sein, wie die Ein­lader mit einem grö­ßeren Publi­kums­in­teresse umgehen. Es muss so viel wie möglich Zeugen dafür geben, was da konkret behauptet werden wird.
Aber viel­leicht sollte das Ganze so lieber nicht statt­finden: In Panel II und III werden mehrere zen­trale Insti­tu­tionen der DDR-Dik­ta­tur­auf­ar­beitung ange­griffen, offenbar ohne dass jemand die Arbeit der jewei­ligen Insti­tu­tionen ver­tei­digen oder even­tuell auf­tre­tende Falsch­be­haup­tungen oder ‑inter­pre­ta­tionen kontern kann. Das halte ich für hoch­pro­ble­ma­tisch. Ob sich das Lan­desamt für poli­tische Bildung bewusst ist, was hier mit seinen För­der­geldern geplant ist?
Ich bin jeden­falls sehr gespannt, wie Inte­rims­chefin Marianne Birthler (Hohen­schön­hausen) und die Chefs des Hannah-Arendt-Instituts und des Men­schen­rechts­zen­trums Cottbus reagieren, wenn sie von dieser „Fach­tagung“ erfahren.
Zur Person: Vera Lengsfeld ist Bür­ger­recht­lerin und frei­schaf­fende Autorin in Berlin. Ihr Blog: http://vera-lengsfeld.de


Quelle: Epoch Times