SPD Schleswig-Holstein - flickr.com - CC BY 2.0

Kosten Kevins Wahn­ideen die SPD schon jetzt eine Million Wählerstimmen?

Genau das hatten viele Sozis wohl befürchtet: Nicht, dass sie das inhaltlich alle unbe­dingt für völlig ver­kehrt halten, aber so etwas sagt man doch nicht ohne Not öffentlich! Kevin Kühnert hat es getan, weil er den Dis­kusraum noch mehr in die links­ra­dikale Ecke ver­schieben wollte. Und die Frage war: Würde die Bevöl­kerung, da sie zu einem beacht­lichen Teil bereits in dieser Ecke ange­kommen ist, dies gleichsam hono­rieren oder würde sie das gebührend abstrafen? Die Ent­scheidung scheint mir noch nicht defi­nitiv gefallen, aber ein erstes Indiz spricht nun wohl klar für Letzteres.
SPD ver­liert laut Forsa innerhalb einer Woche fast eine Million Anhänger an die Union
Mühsam hatte sich die SPD in den letzten sechs Monaten von ihrem abso­luten Tief­punkt (Anfang November 2018 bei INSA 13,5, bei Forsa 13 Prozent) wieder ein bisschen nach oben gear­beitet auf 17 Prozent bei Forsa. Doch nun könnte es sein, dass innerhalb weniger Tage die Hälfte der Zuge­winne auf einen Schlag wieder weg sein könnte. Laut Forsa fällt die SPD nämlich im Ver­gleich zur Vor­woche von 17 auf 15 Prozent zurück. Das ent­spräche einem Minus von 2 Punkten oder 900.000 bis 1.000.000 Wählerstimmen.
Dabei geht die Wäh­ler­wan­derung laut Forsa voll und ganz zur CDU/CSU, die von 27 auf 29 Prozent steigen. Die SPD läge damit wesentlich näher bei der viert­plat­zierten AfD, 13 Prozent, als bei den Grünen auf Platz zwei mit 20 Prozent. Linke, FDP und sonstige Par­teien bleiben unver­ändert bei 9, 8 bzw. 6 Prozent. Hier das Ganze im Über­blick (in Klammern die Ver­än­de­rungen zur Vor­woche, sofern vorhanden):

  1. CDU: 29 % (+ 2)
  2. GRÜNE: 20 %
  3. SPD: 15 % (– 2)
  4. AfD: 13 %
  5. LINKE: 9 %
  6. FDP: 8 %
  7. Sonstige: 6 %

2019-05-06
Dabei könnten die Ein­bußen für die SPD durchaus noch höher aus­fallen. Denn das Interview mit Kühnert erschien am Mittwoch, den 1. Mai. Die Forsa-Umfrage, bei der 2.002 Per­sonen tele­fo­nisch befragt wurden, lief aber bereits von Montag, dem 29. April bis Freitag, dem 3. Mai, war also schon zur Hälfte vorüber, als das Kühnert-Interview publi­ziert wurde. Bleibt abzu­warten, was die fol­genden Umfra­ge­er­geb­nisse aus­weisen werden, die dann erst ab dem 1. Mai durch­ge­führt worden sind.

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Sigmar Gabriel: Kevin Kühnert ist nicht mal ein Bonsai-Trump, aber er schadet der wich­tigsten Vor­aus­setzung der Demo­kratie: der Aufklärung
Sehr heftige Kritik setzte es übrigens vom ehe­ma­ligen SPD-Vor­sit­zenden Sigmar Gabriel für den Juso-Vor­sit­zenden. Wer als Sozi­al­de­mokrat die Ent­eignung und Sozia­li­sierung großer Indus­trien fordere (gemeint sei natürlich Ver­staat­li­chung, das klinge aber nicht so schön), dem sei die Auf­merk­samkeit der Medien gewiss“, schrieb Gabriel in einem Gast­beitrag für das Han­dels­blatt. 100 Jahre empi­risch gesi­cherte Erfahrung mit staatlich gelenkten Volks­wirt­schaften hätten aber gelehrt, dass sie wegen man­gelnder Effi­zienz und Qua­lität bankrott gehen und zudem auch für die soziale Ver­elendung ihrer Beschäf­tigten sorgen. Aber das igno­riere Kühnert.
„Bewusste Tabu­brüche, das Igno­rieren von Fakten und Empirie, das Mobi­li­sieren popu­lis­ti­scher Sehn­süchte und die Inkauf­nahme der Beschä­digung der eigenen Partei: das ist übrigens die Methode Donald Trump“, schreibt Gabriel weiter. „Nun ist Kevin Kühnert nicht mal ein Bonsai-Trump … Aber die Methoden, derer sich beide bedienen, sind doch frap­pierend ähnlich. Und die medialen Reak­tionen darauf auch.“ Wenn beides Schule mache, dann ver­liere die wich­tigste Vor­aus­setzung moderner Demo­kratien weiter an Boden: die Aufklärung.
AKK: Der alte Slogan „Freiheit statt Sozia­lismus“ scheint wieder Bedeutung zu bekommen
Die CDU-Vor­sit­zende Annegret Kramp-Kar­ren­bauer sieht die umstrit­tenen Thesen von Kühnert als Indiz für ein poli­ti­sches Abdriften der SPD. Daran ändere auch deren Zurück­weisung durch die SPD-Spitze nichts, sagte Kramp-Kar­ren­bauer auf einem Par­teitag der Thü­ringer CDU in Erfurt. Das Vor­gehen der SPD erinnere sie an manche Hun­de­halter, die auch sagten, ihr Hund wolle ja nur spielen, wenn er zuge­bissen habe. Sie sei über­rascht, dass der alte CDU-Slogan „Freiheit statt Sozia­lismus“ wieder Bedeutung bekomme.
 

Jürgen Fritz — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog des Autors www.juergenfritz.com