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IWF führt soziale Unter­schiede auf Exporte zurück – nicht auf Geldpolitik

Schon lange kri­ti­siere ich die deut­schen Export­über­schüsse, weil sie zu einem Export unserer Erspar­nisse ins Ausland führen, wo wir sie schlecht anlegen. Besser wäre es, hier­zu­lande mehr zu investieren.
Nun kommt die SZ mit einem neuen Bericht des IWF, der einen Zusam­menhang zwi­schen Ungleichheit und Export­über­schüssen her­stellt und dann erneut fordert, etwas gegen die Über­schüsse zu tun. Dabei über­sehen die Experten des IWF, dass wir gerade drauf und dran sind unsere indus­trielle Basis deutlich zu schwächen (Auto, Kli­ma­krise Bekämpfung im Alleingang). Sobald das wirkt, dürfte die Ungleichheit wieder abnehmen und auch dazu führen, dass wir alle noch ärmer sind. Auf tie­ferem Niveau werden wir dann alle „gleicher“ sein. Schöne Aus­sichten? Ich bezweifle das.
Doch nun zur Studie:

  • „Der Inter­na­tionale Wäh­rungs­fonds (IWF) sieht (…) eine negative Ent­wicklung in Deutschland selbst: Mit den Über­schüssen ver­größern sich die sozialen Unter­schiede, (…) Mil­lionen Deutsche haben wenig vom Boom.“ – Stelter: Das wirft aber die Fragen auf: Liegt das an den Export­über­schüssen? Haben wir nicht mehr Men­schen in Arbeit dank der Export­erfolge? Ist es nicht auch eine Wirkung des Nied­rig­lohn­sektors, dass wir statt Arbeits­lo­sigkeit Beschäf­tigung haben? Ist es nicht auch eine Folge zu hoher Abga­benlast, dass uns wenig vom Boom bleibt?
  • „Zur Jahr­tau­send­wende düm­pelte die Leis­tungs­bilanz bei plus minus null. Seitdem ging es steil nach oben: Der Über­schuss klet­terte auf acht Prozent der gesamten Wirt­schafts­leistung. (…) ‘Die anschwel­lenden deut­schen Über­schüsse in den ver­gan­genen zwei Jahr­zehnten wurden von einer starken Zunahme der Ungleichheit der Top-Ein­kommen begleitet’, schreibt der IWF.“ – Stelter: Der Anstieg der Über­schüsse hat mehrere Gründe: Lohn­zu­rück­haltung wegen Hartz IV zur Reduktion der Arbeits­lo­sigkeit (gut!), schwacher Euro (schlecht), tiefe Zinsen, die unseren schon hoch ver­schul­deten Kunden weitere Schulden ermög­lichen (sehr schlecht), ein Boom der Welt­wirt­schaft (gut), der aller­dings auch auf einer zuneh­menden Ver­schuldung basiert (sehr schlecht).
  • „In der Tat wirken die Par­al­lelen ver­blüffend: Während die Über­schüsse um neun Pro­zent­punkte anschwollen, schnellte der Anteil jener Ein­kommen hoch, der auf das obere Zehntel der Top­ver­diener ent­fällt: von unter 25 auf über 30Prozent.“ – Stelter: Eine Kor­re­lation ist noch keine Kau­sa­lität, lernt man schon im Grundstudium!


Quelle: SZ

  • „Seit sich die Wirt­schaft durch­greifend inter­na­tio­na­li­sierte, stiegen Gewinne und Spit­zen­ge­hälter stark. Wäh­rend­dessen regis­trieren viele Gering- und Nor­mal­ver­diener sta­gnie­rende oder gar schrump­fende reale Ein­kommen.“ – Stelter: Umge­kehrt kamen in den Schwel­len­ländern Hun­derte Mil­lionen Men­schen aus der Armut heraus. Das wird gern ver­gessen bei der Kritik. Was wäre denn zu tun gewesen? Nun, schon seit Jahr­zehnten hätte die Politik auf Bildung, Inves­ti­tionen und Inno­vation setzen müssen. Statt­dessen wurde umver­teilt und auf Pump gelebt. Folge: Die Mit­tel­schicht wurde nicht nur nicht befähigt, die Umstellung zu meistern, sondern zusätzlich mit erheb­lichen Abgaben belastet. Richtig wäre, sie zu ent­lasten. Die Migra­ti­ons­po­litik hat das Problem noch verschärft.
  • „Was sind die Mecha­nismen? ‘Stei­gende Gewinne, ver­stärkt in Firmen ange­spart, die den Reichsten gehören, unter­stützten den Anstieg der Ungleichheit’, schreibt der lange als markt­li­beral gel­tende IWF. Der Fir­men­besitz sei in der Bun­des­re­publik sehr stark in den wohl­ha­bendsten Haus­halten kon­zen­triert. ‘Den zehn Prozent Reichsten gehört 60 Prozent des Net­to­ver­mögens in Deutschland – das ist der höchste Wert in der Euro-Zone’. So ver­grö­ßerten die spru­delnden Fir­men­ge­winne und ihr Ein­be­halten die Ein­kommen und Ver­mögen der Reichen über­pro­por­tional. Damit lasse sich die Hälfte des Anstiegs der Ein­kom­mens­un­gleichheit seit der Jahr­tau­send­wende erklären.“ – Stelter: Die andere Hälfte dürfte auf den Wert­zu­wachs von Immo­bilien ent­fallen. Doch was ist daraus zu schließen? Wir müssen anders sparen: mehr Immo­bilien, mehr Aktien, mehr Fir­men­be­tei­li­gungen. Wir müssen auch, wie vor­gestern gesehen, unser Geld im Ausland besser anlegen.
  • „‘Die deut­schen Firmen sind sehr pro­fi­tabel. Auch die Kon­zen­tration des Fir­men­be­sitzes bei den Reichen ist ein typisch deut­sches Phä­nomen’, bestätigt Moritz Schul­arick von der Uni Bonn, der sich seit Langem mit der Glo­ba­li­sierung beschäftigt. Er sorgte kürzlich mit einer Studie für Auf­sehen, wonach der deutsche Immo­bi­li­enboom der ver­gan­genen Jahre das private Ver­mögen um drei Bil­lionen Euro erhöhte – wovon mehr als die Hälfte in den Taschen der reichsten zehn Prozent landete.“ – Stelter: Und diesen Boom haben wir vor allem deshalb, weil die EZB zur „Rettung“ des Euro die Zinsen nach unten prügelt. Das sagt wie­derum keiner.
  • „Der IWF dis­ku­tiert seit Län­gerem intern, wie sich die Früchte des Booms in Deutschland stärker ver­teilen ließen, (…) Eine Über­legung: ein höheres Wachstum der Löhne. Und nied­rigere Steuern für Gering- und Nor­mal­ver­diener, damit die mehr von ihrem Lohn übrig behalten. Um die feh­lenden Ein­nahmen für den Staat aus­zu­gleichen, ließen sich die Steuern auf Immo­bilien und Erb­schaften erhöhen.“ – Stelter: Auch ich schlage in meinem Buch einen Umbau in diese Richtung vor. Aller­dings wäre es doch kon­se­quenter, alle Steuern zu senken und bei der Erb­schafts­steuer die Aus­nahmen weg­zu­lassen und dafür die Sätze zu senken. Außerdem sollte der Staat endlich Schulden machen und dafür die ver­deckten Ver­bind­lich­keiten reduzieren.
  • „Moritz Schul­arick (…): ‘Und ten­den­ziell ist die Besteuerung von Immo­bi­li­en­ver­mögen, das nicht weg­laufen kann, eine gute Idee’.“ – Stelter: Die Folge ist ja klar, der Wert der Immo­bilien wird sinken, wie in den 1920er-Jahren. Geholfen wird nie­mandem, aber man ist schön populär …
  • „Um Ungleich­ge­wichte zwi­schen den Euro-Mit­glieds­ländern zu ver­meiden, sollten deutsche Unter­nehmen und Bürger mehr im Inland inves­tieren. Dazu solle der Staat mehr Inves­ti­ti­ons­an­reize für Unter­nehmen schaffen – und auch selbst mehr inves­tieren. Ob in Ver­kehrswege, Woh­nungen oder ein schnelles Internet.“ – Stelter: Höhere Steuern auf Unter­nehmen und Immo­bilien und die Über­le­gungen zur Ent­eignung machen das auch wirklich sehr attraktiv …

Dr. Daniel Stelter – www.think-beyondtheobvious.com