Bevor wir zu der Übersetzung kommen, weise ich noch darauf hin, dass ich am Abend einen weiteren Artikel zu dem Putin-Besuch in Frankreich veröffentlichen werde, in dem ich auch über die eigentlichen Themen der Gespräche berichten werde.
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz fragte eine Journalistin Putin und Macron, was sie dazu sagen, dass „bei friedlichen Protesten in Moskau in letzter Zeit viele Menschen verhaftet worden“ seien. Hier nun die Übersetzung der Antworten der beiden Präsidenten.
Beginn der Übersetzung:
Putin: All dies hängt mit dem Wahlzyklus zusammen. Viele Wahlen zu Regionalregierungen finden im September dieses Jahres statt, auch in Moskau. Im Jahre 2014, als die letzten Wahlen stattfanden, durften etwa 111 Personen nicht Kandidieren. Die Wahlkommissionen hat sie wegen verschiedener Verstöße nicht zur Wahl zugelassen. In diesem Jahr wurden 57 Personen wegen offensichtlicher Verstöße gegen die Bestimmungen von den Wahlen ausgeschlossen. Sie haben gefälschte Unterschriften eingereicht, sagen die Experten der Wahlkommission. (Anm. d Übers.: Als die heutige Leiterin der Wahlkommission, Frau Pamfilova, 2016 ernannt wurde, wurde das im Westen begrüßt, denn Frau Pamfílova ist eine sehr aktive Menschenrechtsaktivistin, die auch den Kreml immer wieder scharf kritisiert hat. Und im letzten Jahr hat sie sogar Regionalwahlen, bei denen Vertreter der Regierungspartei gewonnen haben, wegen Unregelmäßigkeiten für ungültig erklären und wiederholen lassen. Sie ist also keine „Marionette des Kreml“, die Kandidaten auf „Anweisung von oben“ ausschließen“ würde.)
Es gibt einen legalen Weg, Streitigkeiten beizulegen, nämlich über Gerichtsverfahren, und es gibt in Russland Präzedenzfälle, als von der Wahlkommission abgelehnte Kandidaten, die bei Gericht dagegen vorgegangen sind, Recht bekommen haben. Solche Präzedenzfälle gibt es bereits. In mindestens einem Fall wurde die Entscheidung der Wahlkommission vom Gericht gekippt und er durfte kandidieren.
Was die Ereignisse in Moskau selbst betrifft, so denke ich, dass ich nichts Neues sage, wenn ich konstatiere, dass die Bürger das Recht auf friedliche Proteste in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht haben, und die Behörden müssen sicher stellen, dass diese Rechte gewahrt werden. Aber niemand – weder die Behörden noch irgendwelche Gruppen von Bürgern – hat das Recht, gegen geltendes Recht zu verstoßen und die Situation zu eskalieren oder Zusammenstöße mit den Behörden zu provozieren. Das wäre ein Verstoß gegen das Gesetz und alle, die für diese Verstöße verantwortlich sind, sollten nach geltendem russischen Gesetz zur Verantwortung gezogen werden.
Wie wir wissen, finden nicht nur in Russland solche Ereignisse statt. Ich bin hier zu Gast und es ist mir unangenehm, darüber zu sprechen, aber ich muss es ansprechen, weil Sie danach gefragt haben.
Wir alle kennen die Ereignisse um die sogenannten Gelbwesten, bei denen nach unseren Informationen 11 Menschen getötet und 2.500 verletzt wurden, darunter 2.000 Polizisten. Wir möchten nicht, dass solche Dinge in der russischen Hauptstadt passieren und wir werden alles tun, um sicherzustellen, dass sich unsere innenpolitische Situation streng im Rahmen des geltenden Rechts entwickelt.
Macron: Der Präsident erinnert zu Recht an diese Situation, aber ich denke, dass es notwendig ist, einen Unterschied zwischen den Geschehnissen in unseren Ländern zu machen. In unseren Ländern finden unterschiedliche Demonstrationen, Proteste und Demonstrationen statt. Aber was ist das Wichtigste? Wenn Sie bestimmte Verträge unterzeichnen und ratifizieren, müssen Sie daran halten.
Und wir wissen, dass Russland eine Reihe internationaler Verträge ratifiziert hat, Konventionen, nach denen das Land seinen Bürgern grundlegende Freiheiten einräumen muss: Redefreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit usw. Und viele Menschen waren besorgt über die Ereignisse, die in Moskau stattfanden: Verhaftungen und so weiter, all die Blockaden, die von den Justizbehörden vorgenommen wurden.
Der Präsident sagte, es habe auch Proteste und Demonstrationen in Frankreich gegeben. Tatsächlich wurden Bürger verletzt, Polizisten wurden verletzt, und das beunruhigt mich sehr. Aber Frankreich hat immer nicht nur seine Verfassung respektiert, sondern auch alle Rechte, die im Rahmen des Europarates bestehen. Daher werden natürlich all diese Personen, die sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt haben, gehört werden usw. Natürlich muss sichergestellt werden, dass jeder Bürger die Möglichkeit hat, seine Meinung zu äußern. Aber Sie wissen, dass all diese Leute, die während des Europawahlkampfes antreten wollten, die Kandidieren wollten, dies nicht ungehindert und ohne Hindernisse tun konnten. Natürlich ist all dies möglich, aber es ist unmöglich zu akzeptieren, dass diese Menschen die öffentliche Ordnung verletzen, weil sie in diesem Fall die Rechte anderer Bürger verletzen. Wir können einfach nicht tolerieren, dass einige Bürger ihre Grundrechte der Rechtsstaatlichkeit mit Füßen getreten sehen. Das ist es, was wir nicht hinnehmen können. Also werden wir gemeinsam darüber sprechen. Es ist notwendig, dass die Bürger an friedlichen Demonstrationen teilnehmen können, wenn sie die öffentliche Ordnung einhalten.
Putin: Ich möchte etwas hinzufügen. Das ist genau das, was wir tun. Zweimal, sowohl im Juli als auch im August dieses Jahres, fanden Massenveranstaltungen statt, Kundgebungen jener Bürger, die ihren Protest auf diese Weise zum Ausdruck bringen wollten. Die Demonstrationen wurden angemeldet und von den Behörden genehmigt. Sie verliefen friedlich und ohne Ausschreitungen.
Ich würde mir wünschen, dass es bei uns auch in Zukunft so geschieht und auch andere Länder bilden da keine Ausnahme. Um Exzesse zu vermeiden und ohne gegen das geltende Recht zu verstoßen.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. In dem Kapitel über Pressefreiheit und Medien kann der deutsche Leser dabei Überraschendes finden, zum Beispiel einen Dialog Putins mit dem Chefredakteur eines kremlkritischen, russischen Radiosenders, bei dem der Chefredakteur Putin heftig angreift und Putin ihm mit interessanten Argumenten antwortet. Das war vor sieben Jahren und der Mann ist immer noch Chefredakteur und der Sender ist immer noch landesweit in Russland zu empfangen.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
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