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Region Idlib: Erster Kor­re­spon­den­ten­be­richt aus der von Syrien befreiten Stadt Chan Scheichun

Da deutsche Reporter es vor­ziehen, aus dem warmen Studio über Syrien zu berichten, ist ein Bericht des rus­si­schen Fern­sehens inter­essant. Der rus­sische Kor­re­spondent war in dem Kriegs­gebiet im Norden Syriens und hat mit anderen euro­päi­schen Jour­na­listen eine gerade von syri­schen Truppen befreite Stadt besucht.
Ich habe vor knapp einer Woche einen Hin­ter­grund­be­richt über die aktuelle Situation in Syrien ver­öf­fent­licht. Nun ist es inter­essant, dies auch mit Bildern zu ergänzen. Man kann das für rus­sische Pro­pa­ganda halten, aber nichts desto trotz ist die Sicht der anderen Seite sehr inter­essant, denn wenn man sich ein Bild machen will, muss man immer beide Seiten anhören.
Mit der Über­setzung des Berichtes des rus­si­schen Fern­sehens vor Augen, dürfte die kurze rus­sische Reportage auch ohne Rus­sisch­kennt­nisse ver­ständlich sein. Daher habe ich den Bericht des rus­si­schen Fern­sehens übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Eines der Haupt­themen der Gespräche zwi­schen Wla­dimir Putin und Recep Erdogan wird die Lage in der syri­schen Provinz Idlib sein. Die syri­schen Behörden haben mit dem Wie­der­aufbau der Infra­struktur der Stadt Chan Scheichun begonnen. Diese Stadt im Süden der Provinz wurde fünf Jahre lang von mili­tanten Isla­misten kon­trol­liert. Sie wurde erst letzte Woche befreit. Unser Kor­re­spondent war einer der ersten aus­län­di­schen Jour­na­listen, die die befreite Stadt besucht haben.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren weht eine syrische Flagge über Chan Scheichun. Lange Zeit galt diese Stadt als ter­ro­ris­ti­scher Außen­posten in der süd­lichen Provinz Idlib. Die Posi­tionen hier wurden von der Ter­ror­gruppe „Jebhat al-Nusra“, die sich später „Hayat Tahrir al-Sham“ nannte, unge­wöhnlich stark befestigt. Nun hat das offi­zielle Damaskus die Kon­trolle über diese stra­te­gisch wichtige Siedlung zurückgewonnen.
Was jetzt in Chan Scheichun geschieht, konnten aus­län­dische Jour­na­listen zum ersten Mal mit eigenen Augen sehen. Mili­tär­kor­re­spon­denten aus Italien, Bul­garien und Grie­chenland kamen hierher, um zu ver­stehen, was wirklich in Syrien geschieht und ob das tat­säch­liche Bild dem ent­spricht, was west­liche Medien berichten.
Der ita­lie­nische Jour­nalist Gian Mical­essin gibt zu, dass er scho­ckiert ist über das, was die Ter­ro­risten mit syri­schen Städten getan haben. Und die Geschichten der ein­fachen Men­schen haben ihn im Herzen berührt.
„Chan Scheichun war lange eine Zita­delle ver­schie­dener Ter­ror­or­ga­ni­sa­tionen. 2.500 Kämpfer aus dem Ausland waren hier ver­sammelt. Zum Bei­spiel hat Al-Kaida lokale Gruppen hier mit eigenen Kämpfern ver­stärkt. Das Gebiet von den Ter­ro­risten zu befreien, sie aus dem Gebiet zu ver­jagen, ist eine sehr wichtige Aufgabe“ sagt Gian Micalessin.
Nachdem die Mili­tanten erklärt hatten, sich nicht an die Waf­fenruhe zu halten und wei­terhin Städte in den Pro­vinzen Hama und Latakia beschossen haben, sowie mehrere erfolglose Angriffe auf den rus­si­schen Luft­waf­fen­stütz­punkt Hmeimim ver­suchten, ging die syrische Armee in die Offensive. Chan Scheichun, das seit 2014 das Zentrum extre­mis­ti­scher Banden war, wurde zum Ziel Nummer eins.
Die Autobahn M5 ver­bindet Aleppo und Damaskus. Zu ihr konnten Regie­rungs­ein­heiten am 19. August nördlich von Chan Scheichun durch­brechen. So schnitt die syrische Armee die Ver­sor­gungs­linien für die Mili­tanten ab und ver­sperrte auch den Weg zum Rückzug. Danach war das Schicksal der Stadt und der Mili­tanten, die nun ein­ge­kesselt waren, besiegelt.
Die Ope­ration zur Befreiung Chan Schei­chuns wurde der Brigade von General Suheiel anver­traut, seiner Eli­te­einheit „Tiger“. Als die Ein­heiten am 22. August in die Stadt ein­drangen, trafen sie nicht auf Wider­stand. Die Mili­tanten waren vorher geflohen und über­gaben die Stadt kampflos. So gelang es nicht nur, Chan Scheichun von den Ter­ro­risten zurück­zu­er­obern, sondern auch weitere Zer­stö­rungen in der Stadt zu ver­meiden, weil es zu keinen Kämpfen in der Stadt gekommen ist. Daher konnte in der Stadt das fried­liche Leben beginnen und mit der Repa­ratur der Infra­struktur begonnen werden. Das rus­sische Militär unter­stützt die Arbeiten.
Offi­ziere des „Zen­trums für Ver­söhnung der Kriegs­par­teien“ brachten den Bewohnern von Chan Scheichun Lebens­mit­tel­pakete und Hilfe zur Lin­derung der Grundbedürfnisse.
„Das „Zentrum für Ver­söhnung der Kriegs­par­teien“ lie­ferte in Anbe­tracht der Situation heute huma­nitäre Hilfe an die Bewohner. Hier können Sie die Moschee sehen, die als erstes in Ordnung gebracht wurde. Zivi­listen sind in die Nach­bar­häuser zurück­ge­kehrt. Sie haben hier bereits Strom. Die Arbeit an der Strom­ver­sorgung läuft hier seit drei Tagen, seit die Stadt von den Mili­tanten befreit wurde“ sagte Gene­ral­major Ravil Muginov, ein Sprecher des Zentrums.
Mehrere Teams von Sani­tätern kommen jeden Tag hierher, behandeln Pati­enten und stellen not­wendige Medi­ka­mente zur Ver­fügung. Die lokalen Behörden ver­suchen auch, so gut sie können, sicher­zu­stellen, dass die Stadt und ihre Bewohner den Krieg so schnell wie möglich ver­gessen und in ein nor­males Leben zurück­kehren. Straßen werden bereits repa­riert, neuer Asphalt gelegt, Müll ent­sorgt und Schutt beseitigt. Beson­deres Augenmerk gilt sozialen Objekten. Diese Schule wird bereits repa­riert: Die Wände sind bereits frisch ver­putzt und gestrichen, jetzt werden neue Fenster ein­ge­setzt. Die Schule öffnet am 1. Sep­tember wieder ihre Pforten.
„Zwei Tage nach der Befreiung von Chan Scheichun begannen wir mit der Arbeit am Wie­der­aufbau der Stadt. Etwa andert­halb­tausend Kinder lernen hier. Wie Sie wissen, rich­teten die Isla­misten oft ihre Kasernen oder Kom­man­do­posten in Schulen ein. Und an dieser Schule wollten sie den Kindern von Chan Scheichun ihre Werte bei­bringen. Aber das Volk wei­gerte sich“ erklärt Muhammad Fadi Sadoun, Gou­verneur der Provinz Idlib.
Was die Mili­tanten hier getan haben, ist für die Ein­hei­mi­schen nicht so leicht zu vergessen.
„Wir lebten unter einer Blo­ckade. Die Mili­tanten haben uns nicht raus gelassen, aber sie haben uns auch keine Nahrung geben. Wenn man irgendwie an Lebens­mittel kommen konnte, wurden sie uns abge­nommen“ sagt Saleh Abu-Ayush, ein Bewohner von Chan Scheichun.
Die Ein­nahme von Chan Scheichun war eine logische Fort­setzung des Pro­zesses der Ein­richtung einer Sicher­heitszone für die vom offi­zi­ellen Damaskus kon­trol­lierten Sied­lungen, die stän­digem Beschuss durch Radikale aus­ge­setzt waren. Die Mili­tanten hatten nicht die Absicht, die Waf­fen­still­stands­ab­kommen ein­zu­halten und zeigten das auch deutlich. Daher gab es keine Alter­native zu einer ent­schlos­senen Lösung des Pro­blems. Jetzt braucht es noch einige Zeit, um den Ein­hei­mi­schen und den Behörden ein fried­liches Leben zu ermög­lichen und alles wie­der­her­zu­stellen, was die Mili­tanten hier in fast fünf Jahren zu zer­stören versuchen.
Ende der Übersetzung

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru


Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“