Früher gehörten die fast 6.000 Wohnungen der Berliner GSW, die gehört aber heute zur „Deutsche Wohnen“-Gruppe – eben jedem Unternehmen, dem linke Politiker den Kampf angesagt haben. Damals brauchte Berlin – arm, aber sexy – einfach Geld. Und wer sexy ist und Geld braucht, der zieht sich für Kohle auch mal nackig aus. Der Freier hieß Ado Properties S.A. und übernahm die fast 6.000 Wohnungen. Mittlerweile bereut die Stadt Berlin den Verkauf.
Einmal, weil bezahlbare Wohnungen in Berlin brandheiße Mangelware sind. Und zum anderen, weil die Preise mittlerweile aus dem Grund in den Himmel steigen und Berlin die Butzen in Reinickendorf und Spandau damals zu billig vertickt hat… und der Wertzuwachs der Stadt entgangen ist. Jetzt muss die chronisch unterfinanzierte Stadt mit ihrer neuen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag natürlich die gestiegenen Preise bezahlen, und so nimmt es nicht besonders Wunder, dass der Geschäftsführer, neudeutsch auch CEO (Chief Executive Officer), der luxemburgischen Ado Properties S.A. (Ado Immobilieneigentum), Ran Laufer, seine Freude kaum verhehlen kann:
„Wir freuen uns sehr, dass wir diesen Vertrag mit Gewobag abschließen konnten.“ Außerdem entspreche der Verkauf der Wertschöpfungsstrategie der Gesellschaft. Dazu gehöre nicht nur der Erwerb wert-steigernder Immobilien, sondern auch der Verkauf von Objekten, wenn sich die Gelegenheit zu Bedingungen biete, die für das Unternehmen vorteilhaft sind. Wie hübsch man doch umschreiben kann, dass man einen fetten Reibach mit den Wohnungen machen konnte: Billig eingekaufte Wohnungen, die die Stadt Berlin jetzt teuer zurückkauft. Damals, 2015, kaufte Ado Properties das ganze Paket für 375 Millionen Euro und verkauft es heute, vier Jahre später, für 920 Millionen, also fast eine Milliarde. Das nennt man mal einen Deal. Ob die Gesellschaft wohl überhaupt einen Cent an Modernisierung oder Renovierung investiert hat? Oder ob sie die abgewohnten Mietwohnungen jetzt teuer einfach wieder abgibt? Pro mehr oder weniger sanierungsbedürftiger Wohnung beträgt der Kaufpreis heute immerhin im Durchschnitt 156.090,93 Euro.
Das scheint so der Fall gewesen zu sein. Bewohner der Wohnblöcke berichten, dass die Gebäude schon ziemlich heruntergekommen waren, bevor Ado Properties sie übernahm. Eingangsbereiche und Treppenhäuser waren vermüllt, die Bewohner warfen volle Windeln, Müll und Zigarettenkippen kurzerhand aus den Fenstern. Funktioniert der Aufzug nicht mehr, kümmerte sich Ado Properties nicht darum. Ruft man wegen irgendetwas den Reparaturservice, so eine Bewohnerin, kommt niemand. Auf E‑Mails gibt es grundsätzlich keine Antwort. Und die Mieten sind auch nicht besonders sozial. Ado hat — nach den Beschreibungen der Bewohner zu urteilen – nur möglichst viel Geld aus den Mietern herausgeholt und nichts an der Substanz gemacht. Da dürfte auf die Gewobag einiges an Renovierungs- und Reparaturkosten zukommen. Zusätzlich zu der fast einen Milliarde, die sie auch nicht hat.
Ado selbst sieht das ganz anders:
„Als wir die Portfolien im Jahr 2015 erwarben, waren einige der Immobilien und Außenanlagen in keinem zeitgemäßen Zustand und mussten instandgesetzt werden. Wir haben die Wohneinheiten und Grünflächen mit erheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand instandgesetzt, damit sie den heutigen Bedürfnissen der Mieter gerecht werden“, erklärte Ran Laufer, CEO von ADO Properties S.A. „Wir suchen stets nach Möglichkeiten, die Qualität unserer Immobilien für unsere Mieter zu verbessern und nachhaltigen Wert zu schaffen – nicht nur aus finanzieller Sicht. Wir haben daher das Gemeinschaftsgefühl der Mieter und ihr Verantwortungsgefühl für ihr Wohnviertel mit Ereignissen wie Nachbarschaftsfesten unterstützt und gestärkt“, betonte Laufer.
Infolge der verbesserten Wohnqualität hat sich der Vermietungsstand des Portfolios in der letzten Zeit auf rund 98% erhöht.“
Berlin hätte den gesamten Immobilienbestand kurz nach dem Verkauf für fast den gleichen Preis wieder zurückkaufen können. Das wollte man damals wahrscheinlich nicht, weil in den Wohnungen ziemlich viel Asbest verbaut worden war. Das Giftzeug ist zwar heute noch drin, aber der Preis hat sich verdreifacht. Und jetzt wird der ganze Schamott doch gekauft. Der damals zuständige SPD-Staatssekretär Lütke Daldrup, der damals die Wohnungen fast zum alten Preis hätte zurückkaufen können, ist heute Chef des BER-Flughafens. Noch Fragen?
Ado Properties dürfte sich kaputtlachen.
Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) ist allem zum Trotze wohlgemut. Die Preise seien eben bundesweit und besonders in Berlin stark gestiegen, findet er. Also so gesehen fast ein Schnäppchen. Er sieht da für die Berliner Baugesellschaft Gewobag einen guten Deal. Auch die Senatorin Lompscher (die Linke) ist guter Dinge und freut sich:
„Mit dem Erwerb von knapp 6000 Wohneinheiten schließen wir heute den größten Re-Kommunalisierungsankauf in der Geschichte Berlins ab. Die Fehler, die in der Vergangenheit mit dem Verkauf dieser Bestände gemacht wurden, können wir nicht rückgängig machen, wohl aber den Mieterinnen und Mietern die Sicherheit zurückgeben, die sie durch die zwischenzeitliche Privatisierung verloren hatten.“
Dass Fachleute bereits seit ein paar Monaten warnen, die Immobilienhausse neige sich bedenklich dem Ende zu, kann die Wackeren nicht beeindrucken. Und wenn schon? Die Gewobag bezahlt den Kauf eh durch Schuldscheindarlehen und die Zinsen seien ja praktisch gleich Null. Im Kaufpreis enthalten sind bereits 340 Millionen Euro Alt-Darlehen der Ado Properties, die die Gewobag übernehmen muss (für die also auch Zinsen anfallen. Wehe, wenn die Darlehenszinsen spürbar ansteigen!). Der 920-Millionen-Euro-Immobiliendeal fand unter fürsorglicher Begleitung einer Rechtsanwaltskanzlei statt, die schon in Thüringen für die linke Regierungspartei bei Rekommunalisierungs-Wohnungskäufen tätig wird. Man kennt sich also.
Was heißt das, lieber Leser? Das heißt, dass die Ado sehr wahrscheinlich die 375 Millionen Kaufpreis für die heruntergekommenen Sozialwohnungen aus den 60er-90er Jahren über Darlehen bezahlt hat. Die nach 5 Jahren noch bestehenden Darlehensschulden von 340 Millionen Euro schiebt sie jetzt nonchalant mit in den Milliarden-Kaufpreis und der Stadt Berlin unter. So geht das: Auf Pump 6.000 Wohnungen kaufen, nichts dran tun, mit den Mieten die Darlehensraten bezahlen, dann zum dreifachen Preis verkaufen und dem (Zurückkäufer) die Schulden samt Zinsen gleich mit überhelfen. Ado gewinnt fast eine Milliarde, die Schulden sind weg, während Berlin (Gewobag) sich noch tiefer in Schulden verstrickt hat.
Die Gewobag scheint aber von keines Zweifels Blässe angekränkelt zu sein. Man beabsichtigt, den Wohnungsbestand von 68.000 Einheiten auf 80.000 zu erhöhen. Davon sollen 12.000 Neubauten sein. Schon im nächsten Jahr ist Baustart für 3.500 Wohnungen. Von „Bauscham“ und CO2-Vermeidung keine Rede.
Da fragt man sich, warum die Gewobag der Ado nicht einfach die Wohnanlagen gelassen und für fast eine Milliarde neue und bessere Wohnungen gebaut hat?
Aber das größte Problem dürfte der Gewobag durch die eigenen Genossen ins Haus stehen. Die Bewohner sind schon abgehärtet und für jede noch so kleine Verbesserung dankbar. Aber das schönste Geschenk für die Mieter dürfte vielleicht von der Politik kommen: Mehr als 2 Prozent pro Jahr dürfen die Mieten nicht erhöht werden, der Mietendeckel wird wahrscheinlich auch noch im rot regierten Berlin kommen und mehr als die Hälfte der Bewohner wohnen auf Wohnberechtigungsschein. Die Einnahmenseite lässt sich also so gut wie nicht erhöhen. Gleichzeitig dürfte ein immenser Reparatur‑, Sanierungs- und Renovierungsstau anstehen. Aber auch da hat die Gewobag schon einen Ausweg:
Kaputte Aufzüge und vermüllte und verdreckte Wohnanlagen hin oder her: Aktuell sei keine Modernisierung geplant, beugt Anne Grubert, die Sprecherin der Gewobag, den Träumen der Mieter vor. Sie sagte auch nichts darüber, wie hoch der Sanierungsbedarf sein könnte.
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