Spie­le­rische Indok­tri­nation: Wie Kindern das kri­tische Denken abtrai­niert werden soll

In diesem zweiten Teil ihres Bei­trages über den Kampf, der derzeit gegen das kri­tische Denken geführt wird, zeigt Dr. habil. Heike Die­fenbach, mit welchen Taschen­spie­ler­tricks ver­sucht wird, Kinder und Jugend­liche so zu kon­di­tio­nieren, dass sie vor­ge­gebene Wer­tungen für objektive Tat­be­stände halten und gar nicht mehr auf die Idee kommen, davon abwei­chende Mei­nungen über­haupt zur Kenntnis zu nehmen. Es ist ein erschüt­terndes Dokument dessen, was heute normal geworden zu sein scheint, und ein erschre­ckender Ein­blick in die Beschränktheit der Ver­treter poli­ti­scher Korrektheit.
Teil 1 kann hier nach­ge­lesen werden.
(von Dr. habil. Heike Diefenbach)
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Das Spiel “Bad News” ist kein Spiel, sondern spie­le­rische Indoktrination
Die Zuwachs oder Verlust an Fol­lowern ist im Übrigen im Spiel nicht tat­sächlich abhängig von Ent­schei­dungen, die der Spieler trifft, weil der Spieler während des gesamten Spiels jeweils drei, zwei oder nur eine einzige Reak­ti­ons­mög­lichkeit hat, und in den Fällen, in denen er drei oder zwei Reak­ti­ons­mög­lich­keiten hat, wird er schon im nächsten Schritt umge­leitet auf die erwünschte Option, von der aus die Demons­tration einer der sechs – angeblich nur oder spe­ziell – von Ver­breitern von „fake news“ in Internet ange­wen­deten Methoden erfolgen kann. Die Zahl der Fol­lower – und für die Spiel­ent­wickler damit das Ausmaß der Glaub­wür­digkeit – steigt, sta­gniert oder sinkt lediglich in Reaktion darauf, ob der Spieler die erwünschte Option sofort oder auf Umwegen über die anderen Optionen, sofern vor­handen, wählt. Daher ist das Spiel über­haupt kein Spiel, sondern eine Demons­tration des Welt­bildes der Spiel­ent­wickler unter Vor­täu­schung einer rele­vanten Inter­aktion mit dem „Spieler“.
Fai­rer­weise sei ange­merkt, dass es jederzeit möglich ist, das Spiel zu beenden oder das Spiel so weit zu treiben, dass es aufgibt, d.h. sich für einen Spieler, der sich anscheinend bis zu einem bestimmten Punkt als hoff­nungs­loser Fall bei der Indok­tri­nation erweist, selbst beendet. In der Sprache des Spiels heißt das, dass ein Spieler bis zu diesem Punkt alle seine „Fol­lower“ ver­loren hat. Wohl­ge­merkt kann es relativ schnell so weit kommen, wenn der „Spieler“ die Koope­ration mit dem Spiel unter­läuft, indem er sys­te­ma­tisch die­je­nigen Optionen wählt und wie­der­wählt, die nicht in den „Lehrplan“ des Spiels passen. Ein Mit­glied der Sci­ence­Files-Redaktion, der das Spiel aus­pro­biert hat, hat das Spiel insofern glanzvoll besiegt – und danach – wohl zum psy­cho­lo­gi­schen Aus­gleich – das gute, alte „Titan Quest“ gespielt, bei dem die eigenen (Fehl-/)Entscheidungen tat­sächlich einen Unter­schied machen und zu einem ziemlich ein­seitig aus­ge­rich­teten Helden führen können, der sich zu einem spä­teren Zeit­punkt im Spiel als Fehl­kon­struktion erweist.
Angeb­liche Merkmale von „fake news“
Betrachten wir nun die Stra­tegien oder Methoden, die die Spiel­ent­wickler den Spielern als Merkmale von „fake news“ „ein­impfen“ wollen, etwas genauer. Zur Erin­nerung die sechs Merkmale von „fake news“, wie die Spiel­ent­wickler sie sehen:
1. Identitätsbetrug;
2. Emotion;
3. Polarisierung;
4. Verschwörung;
5. Verruf und
6. Trollen.

„Iden­ti­täts­betrug“:
Ste­reo­ty­pi­sierung, das Unter­schieben impli­ziter Prä­missen und Fehl­in­for­mation durch „Bad News“

„Iden­ti­täts­betrug“ zu begehen, ist die erste Un-/Tat, zu der die Spiel­ent­wickler den Spieler führen, der ja die Rolle des Falsch­melders ein­nimmt. Zum „Iden­ti­täts­betrug“ stehen dem Spieler zwei Mög­lich­keiten zur Ver­fügung, nämlich „Offi­zi­ellen Twitter-Kanal imi­tieren“ und „Berühmte Person nach­ahmen“. Wählt man die erste Mög­lichkeit, so stellt sich – wie könnte es anders sein!? – als fin­gierter Twitter-Kanal eine Imi­tation von Donald Trumps Twitter-account mit seinem Bild und dem Namen „Donald J. Trunp“ ein. In der zuge­hö­rigen Nach­richt schreibt „Trunp“, dass er Nord­korea den Krieg erklärt habe, und schon bekommt man vom Spiel 31 (weitere) (vom Spiel-Algo­rithmus zuge­teilte, natürlich nicht exis­tente,) Fol­lower ver­passt, die als so unglaublich dämlich ent­worfen sind, dass sie die Nach­richt ohne Wei­teres glauben und sich an der fal­schen Schreib­weise des Namens von Trump nicht stören – oder nicht wissen, wie der Mann tat­sächlich heißt.
Die Spiel­ent­wickler halten Men­schen tat­sächlich für so dumm und haben bei der Ver­achtung ihrer Mit­men­schen anscheinend rich­tigen Spaß: Direkt nach der schon oben erwähnten Bemerkung über die Auf­mi­schung des Internets am Anfang des Spiels wird der Spieler aufgefordert:
„Fangen wir an, indem du deinen Frust auf Twitter aus­lässt. Du bist bestimmt wegen irgendwas frus­triert, oder? Sind wir doch alle.“
Und dann wird der Spieler dahin geleitet, einen „Frust-Tweet“ zu posten. Unter­stellt wird also, dass Leute „fake news“ bewusst kre­ieren und ver­breiten, weil sie „frus­triert“ sind. Da wir aber „doch alle“ frus­triert sind, bedarf es aber außerdem wohl des „Bösen“, das eine Person einen „Frust-Tweet“ posten lässt. Der erste vom Spiel vor­ge­schlagene „Frust-Tweet“ (von drei mög­lichen) lautet:
„Diese Regierung hat kom­plett versagt! #auf­lösen Geschei­terte Loser!“
Der fin­gierte Tweet stammt von „Otto Nor­mal­ver­braucher“, der „Durch­schnitts­bürger“ und „Twit­ter­nutzer“ ist. Man fragt sich unwill­kürlich, ob ein „Frust-Tweet“ wie
„In der Bevöl­kerung werden die Befunde meiner Dis­kri­mi­nie­rungs­studie nicht akzep­tiert! #Umer­zie­hungs­lager Modernisierungsverlierer!“
von den Spiel­ent­wicklern als Äqui­valent zu dem von ihnen for­mu­lierten „Frust-Tweet“ akzep­tiert würde.
Wie dem auch sei – es gibt Alter­na­tiven im Spiel. Eine Alter­native zum im Spiel vor­ge­schla­genen, oben zitierten „Frust-Tweet“ lautet: „Lügen­presse[,] halt die Fresse! Und wurde von „Lieschen Müller, einer „Durch­schnitt­bür­gerin“ der es „[…] gut geht[…]“ verfasst.
Der frus­trierte Böse, der „Frust-Tweets“ absetzt, ist in der Dar­stellung durch die Spiel­ent­wickler also eine Art Rat­ten­fänger von Hameln, für den die dummen „Durch­schnitts­bürger“ oder „Nor­mal­ver­braucher“ leichte Beute sind, auch dann, wenn es ihnen „gut geht“.
Nicht nur über ihr Men­schenbild bzw. eine ent­spre­chende poli­tische Ideo­logie geben die Spiel­ent­wickler Auf­schluss, sondern auch – einmal mehr – über ihre kogni­tiven Fähig­keiten, lautet die Antwort des Spiels auf das Posten des „Frust-Tweets“ durch den Spieler doch „Schau mal! Deine bissige Kritik der Regierung hat dir neue Fol­lower gebracht …“. Dass es tat­sächlich Leute gibt, die meinen, es sei eine „bissige Kritik“, wenn Insti­tu­tionen oder Leute mit irgend­welchen abwer­tenden Begriffen belegt werden, ist eini­ger­maßen erschre­ckend. Die Spiel­ent­wickler tun dies offen­sichtlich, denn sie bezeichnen Beschimp­fungen („Loser“) und pri­mitive Anwürfe („Halt die Fresse!“), als „Kritik“, noch dazu als „bissige Kritik“, obwohl im Rahmen der ver­meint­lichen „Kritik“ kei­nerlei Argu­mente vor­ge­bracht werden – und wo keine Argu­mente sind, kann keine Kritik sein. Und als „bissige Kritik“ würde man ver­mutlich eine besonders tref­fende oder sub­stan­zielle Kritik bezeichnen, z.B. eine, die die logi­schen Wider­sprüche des Stand­punktes iden­ti­fi­ziert. In der eng­lisch­spra­chigen Version von „Bad News“ wird die Beschimpfung von Insti­tu­tionen oder Leuten sogar als „con­s­tructive cri­ticism“, d.h. als „kon­struktive Kritik“ bezeichnet, was die Sache m.E. noch schlimmer macht.
Im Fol­genden wird der Spieler dahin geleitet, ein eigenes „Nach­richten-Portal online“ zu stellen – statt eines Blogs, das als einzige alter­native Mög­lichkeit vor­ge­geben wird, von den Spiel­ent­wicklern aber als zu wenig ambi­tio­niert ein­ge­stuft wird, weshalb eine Schleife zurück­führt zum „Nach­richten-Portal“ – und sich zum Chef­re­dakteur des­selben zu erklären. Die einzige ange­botene Alter­native zur Funktion des „Chef­re­dak­teurs“ lautet „Aus­hilfe“, und wenn man sie wählt, wird man von den Spiel­ent­wicklern darüber auf­ge­klärt, dass „Aus­hilfen […] kein hohes Ansehen [genießen]. Wieso nicht Chef­re­dakteur werden?“ Also muss der Spieler Chef­re­dakteur werden; „Aus­hilfen“ sind als solche für die Spiel­ent­wickler zu unglaub­würdig oder unbe­deutend, um erfolg­reich „fake news“ ver­breiten zu können. Und so „ver­dient“ der Spieler sein erstes „Abzeichen“ für „Iden­ti­täts­betrug“, und das Abzeichen, auf dem eine schwarze Maske – Meme für die Antifa?! – zu sehen ist, ist mit dem Text versehen:

„Der kleine Wut­bürger ist ein hohes Tier geworden: Chef­re­dakteur eines echten Nachrichtenportals“.
Falls das Humor sein oder einen lockeren Stil dar­stellen soll, halte ich diesen Versuch für voll­kommen miss­glückt. Es ist m.E. einfach nur pri­mitiv. Immerhin lernt der Spieler über die Spiel­ent­wickler dadurch noch einiges mehr als er bislang über sie lernen durfte, denn die Art und Weise, wie sie den „bösen“, „frus­trierten“, in sozialen Medien die Dummheit des Durch­schnitt­bürgers aus­nut­zenden Falsch­melder dar­stellen, gibt Auf­schluss über das Feindbild der Spiel­ent­wickler, aber nicht darüber, was indi­vi­duelle – und nicht orga­ni­sierte –Falsch­melder, falls es sie über­haupt in nen­nens­werter Anzahl gibt, tat­sächlich oder ver­mutlich moti­viert und durch welche Per­sön­lich­keits­merkmale sie sich ggf. aus­zeichnen. Sofern das Feindbild des indi­vi­du­ellen Falsch­melders ebenso wie das Bild des „Durch­schnitts­bürgers“, das im Spiel kreiert wird, Pro­jek­tionen der Spiel­ent­wickler sind, erweisen sich die Spiel­ent­wickler als auto­ritäre Per­sön­lich­keiten, die ihre Mit­men­schen, die sich z.B. auf Twitter aus­drücken, als „Böse“, „Frus­trierte“, als „Wut­bürger“, nein, „kleine Wut­bürger“ und schlichtweg dumm oder extrem ein­fältig abqua­li­fi­zieren und darüber hinaus anscheinend bereit sind, einem „Chef­re­dakteur“ grund­sätzlich mehr Glauben zu schenken als einer „Aus­hilfe“.
Und weil Arroganz oder Ver­achtung für Andere – gemäß des Dunning-Kruger-Effektes (Dunning 2011; Kruger & Dunning 1999) – stark mit Ignoranz kor­re­liert, wider­sprechen sich die Spiel­ent­wickler außerdem selbst, ohne es zu bemerken, denn es kann kein „Iden­ti­täts­betrug“ sein, wenn jemand, der real exis­tiert, ein Nach­rich­ten­portal eröffnet, das von da an real exis­tiert. Und wenn diese Person sich, um ihre Funktion mit Bezug auf das Nach­rich­ten­portal zu beschreiben, „Chef­re­dakteur“ nennt, dann ist das ver­mutlich eine ganz gute Beschreibung dieser Funktion. Begriffe wie „Chef­re­dakteur“ sind Begriffe, die Funk­tionen beschreiben. Sie sind keine geschützten Begriffe im Rahmen einer Gel­tungs-Hier­archie in Orga­ni­sa­tionen, die Kör­per­schaft- und Gewer­be­steuern an Ver­wal­tungen abführen, geschweige denn in der Gesamt­ge­sell­schaft. M.E. tritt hier die anti-indi­vi­dua­lis­tische bzw. kol­lek­ti­vis­tische Ori­en­tierung der Spiel­ent­wickler deutlich hervor: Wer „bloß“ böser, frus­trierter Wut­bürger ist, der in Eigen­in­itiative ein Nach­rich­ten­portal eröffnet, kann sich nur zum „Chef­re­dakteur“ eman­zi­pieren, wenn er seine bösen, frus­trierten, wütenden Impulse in einer Orga­ni­sation not­dürftig unter­drückt oder, wenn er es darf, auslebt, in der er den Status eines jederzeit erpress­baren Ange­stellten hat.
Und wenn man über jedes Nach­rich­ten­portal, das Unwahr­heiten ver­breitet, sagen wollte, es sei nicht „echt“, müsste man z.B. ARD und ZDF oder zumindest bestimmten Sen­dungen, die dort aus­ge­strahlt werden, als „nicht echt“ oder „unecht“ qua­li­fi­zieren. Das ist so besonders vor dem Hin­ter­grund, dass die Spiel­ent­wickler den Spieler im Spiel­verlauf dazu mahnen, etwas Glaub­wür­diges auf dem „unechten“ Nach­rich­ten­portal zu ver­öf­fent­lichen, denn:
„Wer zu offen­sicht­liche Falsch­mel­dungen ver­breitet, dem wird nicht mehr geglaubt.“
Die beste Stra­tegie für den Falsch­melder, der glaub­würdig erscheinen will, wäre es also, Wahres mit Fal­schem in der Bericht­erstattung zu ver­mengen. Wenn er das tut, unter­scheidet sich sein Produkt nicht von den Pro­dukten der Main­stream-Medien, die Fal­sches und mit­unter Rich­tiges berichten.
Worin der „Iden­ti­täts­betrug“ besteht, mit dem der Spieler „aus­ge­zeichnet“ wird, wenn er ein Nach­rich­ten­portal online gestellt hat und sich selbst als „Chef­re­dakteur“ des­selben bezeichnet, bleibt also völlig unnach­voll­ziehbar, ganz davon abge­sehen, dass es im Straf­recht keinen ent­spre­chenden Straf­tat­be­stand gibt; es kennt „Iden­ti­täts­dieb­stahl“, aber keine „Iden­ti­täts­betrug“. Durch den Begriff „Betrug“ soll viel­leicht sug­ge­riert werden, dass jemand, der ein Nach­rich­ten­portal online gestellt hat und sich selbst als „Chef­re­dakteur“ des­selben bezeichnet, nicht nur mora­lisch frag­würdig sei, sondern am Rand der straf­recht­lichen Belang­barkeit ent­lang­schramme. DAS nenne ich, wenn nicht „fake news“, so doch „Mani­pu­lation“.
Aber nehmen wir einfach einmal an, wir wollten von „Iden­ti­täts­betrug“ sprechen, wenn eine Handvoll „kleiner“ Durch­schnitts­bürger beschließt, sich als Orga­ni­sation zu insze­nieren und sich einen ent­spre­chenden Namen zu geben, nämlich DROG, dann aus „Frust“ und in böser Absicht eine Seite Online stellt, die nur einen ein­zigen Inhalt hat, der auf die Beein­flussung von Leuten abzielt, und sich diese Durch­schnitts­bürger als glaub- bzw. ver­trau­ens­würdig dar­stellen wollen, indem sie sich als irgendwie besonders, qua­li­fi­ziert oder wichtig dar­stellen, sagen wir: als „Spe­zia­listen“. Würde es sich dann bei DROG, den Ent­wicklern des Spiels „Bad News“, nicht um „Iden­ti­täts­be­trüger“ handeln?! Wie ver­trau­ens­würdig sind sie dann bzw. ist das von ihnen ent­wi­ckelte Spiel?!
Emo­tionen – der Spiel­ent­wickler! – und der Fehl­schluss ad populum
Im wei­teren Spiel­verlauf schieben die Spiel­ent­wickler dem Spieler fort­ge­setzt ihre Ste­reotype, Plat­ti­tüden und Fehler (oder Täu­schungs­ver­suche?) unter und ver­weisen dabei ständig auf sich selbst (zurück), so z.B., wenn der Spieler als nächstes dahin­ge­leitet wird, auf seinem „Portal“ „[a]ufwühlende Inhalte“ statt „[s]achliche Inhalte“ zu ver­öf­fent­lichen, zu denen der Spieler die Erläu­terung erhält:
„Gute Wahl! Durch Angriff können wir Wut erzeugen ….“

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Die Spiel­ent­wickler asso­zi­ieren mit „[a]ufwühlenden Inhalte[n]“ also offen­sichtlich nur das negative Gefühl der Wut; sie haben mein Bedauern!
Als erster „[a]ufwühlende[r]“ Inhalt wird von den Spiel­ent­wicklern die Schlag­zeile ange­boten „Wis­sen­schaftler: ‚Kli­ma­wandel ver­ändert das all­täg­liche Leben‘“. (Warum war ich hiervon nicht über­rascht?!) Der alter­native „[a]ufwühlende Inhalt“, den die Spiel­ent­wickler dem Spieler anbieten, betrifft gen­tech­nisch ver­än­derte Lebens­mittel. Kli­ma­wandel und gen­tech­nisch ver­än­derte Lebens­mitte mögen Themen sein, die bei den Spiel­ent­wicklern Wut aus­lösen oder sonstwie emo­tional „[a]ufwühlen[…]“, aber tat­sächlich sind es Sach­themen insofern ihre ange­messene Beur­teilung allein von der Antwort auf eine Reihe von Sach­fragen abhängt, mit Bezug auf Kli­ma­wandel u.a. von Ant­worten auf Fragen wie: wie wird sich das Klima wo auf der Erde in welche Richtung ver­ändern? Was ist der Grund dafür? Was werden vor­aus­sichtlich die Folgen hiervon sein? Sind die Folgen so umfassend oder ernsthaft, dass staat­liche Maß­nahmen zur Min­derung der Folgen gerecht­fertigt wären? Wären sie möglich? Etc. etc.
Wenn sich ein Falsch­melder dieser Inhalte bedienen kann, um „auf­zu­wühlen“, dann liegt der Grund hierfür nicht in den Inhalten selbst, die tat­sächlich Sach­fragen betreffen, sondern darin, dass sich manche Men­schen, die Ideo­logie und Irra­tio­na­lität an die Stelle von Gelas­senheit und Ratio­na­lität gesetzt haben, von diesen Themen emo­tional ange­sprochen fühlen, oder darin, dass diese Inhalte vorher schon für bestimmte, ideo­lo­gisch moti­vierte Anliegen instru­men­ta­li­siert worden sind – und gewöhnlich nicht von irgend­welchen Internet-Nach­rich­ten­por­talen oder Bloggern, sondern von öffent­lichen Ver­wal­tungen, Regie­rungen oder Orga­ni­sa­tionen – oder von Ent­wicklern von Indoktrinations“spielen“.
Einen emo­tio­nalen Inhalt als ein Merkmal (nur?!) von „fake news“ dar­zu­stellen, ist stark irre­führend. Viel­leicht haben die Spiel­ent­wickler hiervon zumindest eine vage Ahnung, denn das Sätzchen, das dem vom Spieler ver­dienten „Abzeichen“ für „Emotion“ bei­gegeben ist, lautet merk­würdig zurückhaltend:
„Inhalte, die mit Gefühlen wie Angst, Wut oder Mitleid spielen, ver­breiten sich gut“.
Wenn das so ist, dann ist nicht erkennbar, warum es im Spiel in Zusam­menhang gebracht wird mit „fake news“ oder mit der Ver­öf­fent­li­chung online, in sozialen Medien, und die Spiel­ent­wickler geben auch keinen Auf­schluss darüber, wann mit „Gefühlen wie Angst, Wut oder Mitleid“ „[ge]spiel[t]“ wird und wann nicht. Was unter­scheidet das Spiel mit diesen Gefühlen von sach­licher Bericht­erstattung, die auf­grund der mensch­lichen Natur ver­mutlich bei vielen Rezi­pi­enten Wut oder Mitleid aus­lösen wird? Ist ein Bericht über Tau­sende von Men­schen, die wegen eines Tsu­namis Obdachlos geworden sind, „fake news“, weil er bei (hof­fentlich) vielen Men­schen Mitleid auslöst?!?
Die gewählte Schlag­zeile muss der Spieler dann „[a]ngreifen“ – und dann pas­siert etwas sehr über­ra­schende: Der Spieler wird – zum ersten und letzten Mal im Spiel – nach seiner Meinung zum „Kli­ma­wandel“ bzw. zu gen­tech­nisch ver­än­derten Orga­nismen gefragt, wobei die Frage nach der Meinung „zum Kli­ma­wandel“ natürlich unsinnig ist, denn niemand wird bestreiten, dass sich das Erd­klima ver­ändert und immer ver­ändert hat und immer ver­ändern wird. Gemeint ist anscheinend men­schen­ge­machter Kli­ma­wandel. Ob die Spiel­ent­wickler hier einen Fehler gemacht haben oder das Wort „men­schen­ge­macht“ bewusst unter­schlagen wurde – zu welchem Zweck auch immer –, bleibt unklar; jeden­falls fehlt das „men­schen­ge­macht“ inter­es­san­ter­weise auch in der eng­lisch­spra­chigen Version. Welchem Zweck die Frage nach der eigenen Meinung an dieser Stelle (und keiner anderen!) dient, bleibt eben­falls unklar, denn für den Spiel­verlauf ist sie unerheblich:
Wenn der Spieler von den beiden ange­bo­tenen Ant­wort­vor­gaben auf die Frage nach seiner Meinung zum (men­schen­ge­machten?) Kli­ma­wandel die Antwort „Es ist ein ernst zu neh­mendes Problem“ wählt, erhält er vom Spiel die Reaktion:
„Lang­weilig! Das sagt doch jeder. Mit Nach­plappern gewinnst du keine Follower …“
Hier wird sug­ge­riert, dass jeder der Meinung wäre oder zumindest sagen würde, dass (men­schen­ge­machter?) Kli­ma­wandel ein „ernst zu neh­mendes Problem“ sei, es sich hier also um eine Mehr­heits­meinung handeln würde, was kaum anders als durch einen Apell der Spiel­ent­wickler an das argu­mentum ad populum auf­ge­fasst werden kann, also das Fehl­ar­gument, das darin besteht, etwas als wahr oder richtig zu bewerten, weil es von einer Mehrheit als wahr oder richtig betrachtet wird – und auch das nur angeblich, denn – mangels empi­ri­scher Evidenz – ist die Behauptung, „jeder“ würde „Kli­ma­wandel“ für ein „ernst zu neh­mendes Problem“ halten, eine völlig haltlose Behauptung, die von den Spiel­ent­wicklern aus der Luft gegriffen wird, um den Spieler dazu zu zwingen, die einzige Ant­wort­al­ter­native zu wählen und den (men­schen­ge­machten?) Kli­ma­wandel zur „Ver­schwörung“ zu erklären.
Anschließend muss der Spieler sich dafür ent­scheiden, ent­weder „For­scher an[zu]greifen“, (wieder) „Emo­tionen [zu] wecken“ oder „Auf[zu]klären“ [sic!]. Damit wird sug­ge­riert: Nur eine Min­derheit von unauf­ge­klärten Leuten, die im Übrigen Ver­schwö­rungs­theo­re­tiker sind (s.o.), glauben nicht, dass (men­schen­ge­machter?) Kli­ma­wandel ein „ernst zu neh­mendes Problem“ sei, und „For­scher“ hätten (men­schen­ge­machten?) Kli­ma­wandel fest­ge­stellt, was unter­schlägt, dass „For­scher“ hierüber tat­sächlich sehr unter­schied­licher Auf­fas­sungen sind. In der eng­lisch­spra­chigen Version ist inter­es­san­ter­weise auch nicht von einer „con­spiracy“ die Rede, sondern von einem „hoax“, d.h. einem Schwindel, einer Falsch­meldung oder einem Versuch, die Leute zum Narren zu halten. Das ist nicht unbe­dingt iden­tisch mit einer „con­spiracy“ bzw. „Ver­schwörung“.
An dieser Stelle wird wieder sehr deutlich, dass es in „Bad News“ tat­sächlich darum geht, Spieler dazu zu bringen, bestimmte inhalt­liche Mei­nungen zu über­nehmen, und eben nicht darum, irgend­welche for­malen Kri­terien ken­nen­zu­lernen, anhand derer man „fake news“ erkennen könnte.
Und um den Glauben an (men­schen­ge­machten?) Kli­ma­wandel sozu­sagen nach­haltig ein­zu­hämmern, wird im Spiel ent­spre­chend nach­ge­setzt: Wählt der Spieler „For­scher angreifen“, so erhält er vom Spiel die Antwort:
„Gute Idee! Bes­ser­wisser angreifen ist ein kluger Schachzug …“
Gelernt werden soll anscheinend: Wer „For­scher“ „angreift“, der hat keinen legi­timen Grund hierfür, sondern stellt sie bewußt als „Bes­ser­wisser“ dar, um das, was sie sagen, zu dis­kre­di­tieren. Es kann für die Spiel­ent­wickler keinen legi­timen Zweifel an den­je­nigen geben, die etwas angeblich oder tat­sächlich „besser wissen“; wie oben schon bemerkt: es muss sich bei ihnen um auto­ritäre Per­sön­lich­keiten handeln. Wer sich nicht unhin­ter­fragt den ver­meint­lichen Auto­ri­täten beugt, die die Spiel­ent­wickler als solche dar­stellen möchten, der kann nach Ansicht der Spiel­ent­wickler nur „fake news“ ver­breiten wollen.
Pola­ri­sierung: Die dichotome Welt der Spielentwickler
Als nächste Methode, anhand derer man angeblich (nur? besonders?) „fake news“ in sozialen Medien erkennen kann, prä­sen­tieren die Spiel­ent­wickler die „Pola­ri­sierung“. Auch diese „Methode“ fällt auf die Spiel­ent­wickler zurück, z.B. an der Stelle, an der sie dem Spieler als Ant­wort­mög­lich­keiten auf die Frage nach ihrer Meinung zum Kli­ma­wandel im oben beschrieben „Lern­schritt“ „Emotion“ vor­geben: „Es ist eine Ver­schwörung“ vs. „Es ist ein ernst zu neh­mendes Problem“. Wenn jemand glaubt, dass der (men­schen­ge­machte!?) Kli­ma­wandel kein „ernst zu neh­mendes Problem“ ist, dann bedeutet das für die Spiel­ent­wickler, dass er not­wen­di­ger­weise die Rede vom (men­schen­ge­machten) Kli­ma­wandel als „Ver­schwörung“ ein­stufen müsste. Aber das muss er nicht! Er könnte z.B. einfach denken, dass das „Problem“ nicht so groß ist, wie es einige Leute dar­stellen. Das macht ihn nicht zu einer Person, die meint, hier müsse eine „Ver­schwörung“ vor­liegen. „Pola­ri­sierung“ ist also (auch) eine Methode, die die Spiel­ent­wickler selbst ver­wenden – und zwar auf recht offen­sicht­liche und dreiste Art – , um den Spieler zu beeinflussen.
Pola­ri­sierend agieren die Spiel­ent­wickler auch, wenn sie anschließend an den Erwerb des „Abzei­chens“ für „Emo­tionen“ durch den Spieler im Zusam­menhang mit dem Thema „Che­mie­un­fälle“ danach fragen, wen der Spieler dafür ver­ant­wortlich machen will, „Behörden“ oder „Groß­kon­zerne“. Wählt man „Behörden“, erhält man die Antwort:
„Ein tra­di­tio­neller Stand­punkt von rechts …“,
was eini­ger­maßen über­ra­schend ist, wird „Rechten“ doch gewöhnlich unbe­dingte Treue zu Vaterland und seine Insti­tu­tionen unter­stellt. Und weiter steht in der Reaktion, die das Spiel gibt, zu lesen:
„… Doch du hättest auch links wählen können. Es macht keine Unter­schied: Man wählt eine Seite und ver­teufelt die Gegenseite.“
„Links“ ist für die Spiel­ent­wickler, wenn man Groß­kon­zerne für Unfälle ver­ant­wortlich macht (wie sich zeigt, wenn man die ent­spre­chende Ant­wort­al­ter­native, also „Groß­kon­zerne“, wählt), nicht „Behörden“ – unge­achtet der Tat­sache, dass z.B. die Antifa bekann­ter­maßen kein Freund der Polizei ist. Die Spiel­ent­wickler stellen die Welt (der sozialen Medien) grob und in unver­ant­wort­licher Weise als in genau zwei „Seiten“ untereilt dar.
Solche Plat­ti­tüden zu prä­sen­tieren, ist nicht päd­ago­gisch begründbar und ist auch nicht bloß eine spiel­tech­nisch bedingte Ver­ein­fa­chung. Im Min­desten sug­ge­rieren die Spiel­ent­wickler damit, dass der böse, frus­trierte etc. Falsch­melder die Welt in zwei ent­ge­gen­ge­setzte Lager unter­teilen würde, obwohl es tat­sächlich sie selbst sind, die dies tun, wenn sie sug­ge­rieren, nur oder vor allem Falsch­melder würden eine solche Welt­sicht typi­scher­weise pflegen oder ausbeuten.
Ver­schwörung: Der „Tot­schläger“ der Einfältigen
Von den ver­blei­benden drei Methoden, die angeblich für „fake news“ in sozialen Medien cha­rak­te­ris­tisch sein sollen oder für sie spe­zi­fisch sein sollen, nämlich „Ver­schwörung“, „Verruf“ (was heißen soll: „In-Verruf-Bringen“) und „Trollen“, will ich hier nur noch auf die „Ver­schwörung“ ein­gehen, weil die pau­schale Abqua­li­fi­zierung von Ver­schwö­rungs­theorien bzw. ihre Behandlung als unfehlbare Anzeiger von „fake news“ eine leider übliche schlechte Ange­wohnheit derer ist, die keinen Zweifel kennen, auto­ritäre Per­sön­lich­keiten sind oder direkt vom status quo profitieren.
Die gene­relle (Ab-/)Qualifizierung von Ver­mu­tungen über Ver­schwö­rungen als Aber­glaube ist ihrer­seits ein Aber­glaube, wie Pigden (1995: 28) fest­ge­halten hat, und arbeitet den­je­nigen zu und immu­ni­siert die­je­nigen gegen Kritik, die sich tat­sächlich mit­ein­ander ver­schwören, um bestimmte Ziel­set­zungen zu erreichen, die, würden sie einer breiten Öffent­lichkeit bekannt, vor­aus­sichtlich auf großen Wider­stand treffen würden.
Es ist möglich, dass gerade die­je­nigen, für die es eine Selbst­ver­ständ­lichkeit ist, „Netz­werke“ zu bilden, Mul­ti­pli­ka­toren zu trai­nieren und zu plat­zieren und auf viele anderen Arten gemeinsam an der „guten Sache“ zu arbeiten und gleich­zeitig „Trans­parenz“ nur mit Bezug auf aus­ge­wählte Akti­vi­täten und Daten zeigen, Behaup­tungen über die Existenz von Ver­schwö­rungen vehement bekämpfen, nicht nur weil es – wie gesagt – in ihrem Interesse ist, sondern auch deshalb, weil sie einer Selbst­täu­schung unter­liegen, die Pigden (1995: 28) so auf den Punkt bringt: „Con­spi­racies are bad, the­r­efore I am not a conspirator“.
Fakt ist, dass eine „Ver­schwö­rungs­theorie“, wenn auch nor­ma­ler­weise keine Theorie, so doch eine Behauptung über die Existenz einer Ver­schwörung ist:
„A con­spiracy is a secret plan on the part of a group to influence events partly by covert action“ (Pigden 1995: 5),
nicht mehr und nicht weniger. Wird die Existenz einer Ver­schwörung behauptet, kann die Behauptung sachlich richtig oder falsch sein bzw. in der Rea­lität zutreffend oder unzu­treffend, sein.
Typi­scher­weise erfahren wir von Ver­schwö­rungen dann, wenn jemand mühevoll auf­ar­beitet, wie ver­gangene Ereig­nisse zustan­de­ge­kommen sind. In diesem Fall sind Ver­schwö­rungen his­to­rische Erschei­nungen, die man getrost zuge­stehen kann – und weiter darauf insis­tieren kann, heut­zutage sei alles ganz anders. Oder wir erfahren von aktu­ellen Ver­schwö­rungen, wenn sie miss­lingen oder auf­ge­deckt werden. In diesem Fall werden die Ver­schwörer ver­suchen, zu retten, was zu retten ist, und die Ver­schwörung irgendwie umzu­de­fi­nieren, als Fehler oder Irr­tümer dar­zu­stellen, oder ein bestimmtes Indi­viduum oder wenige Indi­viduen als „Bau­ern­opfer“ dafür ver­ant­wortlich zu machen. Oder es wird ein Aus­schuss ein­ge­richtet, der die Ange­le­genheit unter­sucht, die Kom­ple­xität der Sache betont und am Ende keine Ver­fehlung fest­stellen kann oder will.
Dies war z.B. beim Cli­ma­tegate aus dem Jahr 2009 der Fall, bei dem der email-Aus­tausch von „Wis­sen­schaftlern“ über die beste Art, die Daten über die mit­tel­al­ter­liche Wär­me­pe­riode hin­weg­zu­fäl­schen, um vor­täu­schen zu können, dass es eine Erwärmung der Erde erst nach der Indus­tria­li­sierung gegeben hätte, durch Hacker oder einen internen Whist­le­b­lower bekannt geworden ist. Diverse Unter­su­chungen dieser Ange­le­genheit haben dazu geführt, dass „mehr Trans­parenz und ein bes­seres Management“ gefordert wurde, aber es wurde kaum auf das unethische Ver­halten der „Wis­sen­schaftler“ ein­ge­gangen und auch nicht auf den bri­santen Inhalt der emails und ihre Bedeutung für die Behauptung vom men­schen­ge­machten Klimawandel:
“Only the Oxburgh review dedi­cates a few lines to this question. It states ‘We saw no evi­dence of any deli­berate sci­en­tific mal­practice in any of the work of the Cli­matic Research Unit and had it been there we believe that it is likely that we would have detected it. Rather we found a small group of dedi­cated if slightly dis­or­ga­nised rese­ar­chers who were ill-pre­pared for being the focus of public attention. As with many small research groups their internal pro­ce­dures were rather informal” (Oxburgh 2010: 5, zitiert nach Grundmann 2013: 72).
Und weil auf diese Weise Täter zu Opfern öffent­licher Auf­merk­samkeit erklärt werden, auf die (hier die armen Fäl­scher nicht vor­be­reitet waren, gibt es keine aktu­ellen Ver­schwö­rungen, die als solche auch aner­kannt und bezeichnet werden.
Aber wir wissen, dass Ver­schwö­rungen kei­neswegs seltene Erschei­nungen sind; sie sind sogar wichtige Bestand­teile des Geschichts­un­ter­richts. Man denke nur an die Ver­schwörung einiger Sena­toren zur Ermordung Cäsars, an die Gruppe eng­li­scher Katho­liken um Guy Fawkes, die den „Gun­powder Plot“ von 1605 geschmiedet haben, der bekann­ter­weise miss­lungen ist, ebenso wie die „Cat Street“-Verschwörung aus dem Jahr 1820 zur Ermordung aller Mit­glieder des bri­ti­schen Kabi­netts und des Pre­mier­mi­nisters, an die Glo­rious Revo­lution aus dem Jahr 1688 und die Fol­gezeit (s. hierzu das unter­haltsame Buch von Weil 2014) und an die Ver­schwörung aus Kreisen des deut­schen Militärs zu Ermordung Hitlers im März 1943. Bei­spiele für Ver­schwö­rungen aus neuerer Zeit, die (noch) keinen rou­ti­ne­mä­ßigen Eingang in die Bücher für den Geschichts­un­ter­richt in Europa gefunden haben, sind Watergate und das oben erwähnte Climategate.
Zumindest in den USA hat sich auch her­um­ge­sprochen, dass sowohl die Behauptung zutrifft, dass der CIA Pro­gramme zum Zweck der Ver­haltens- oder Gedan­ken­kon­trolle durch­ge­führt hat (s. z.B. Ross 2007; Scheflin & Opton 1978; Ste­phenson 1978), als auch die­jenige, dass der CIA im Zuge der Suche nach Osama bin Laden ein angeb­liches Impf­pro­gramm orga­ni­siert hat (s. z.B. https://www.scientificamerican.com/article/how-cia-fake-vaccination-campaign-endangers-us-all/). Von solchem Wissen sind die Spiel­ent­wickler ent­weder völlig unbe­helligt geblieben, oder sie unter­schlagen es bewusst.
Jeden­falls benutzen sie aus­ge­rechnet Behaup­tungen über die Existenz fal­scher Impf­pro­gramme, um den Bezug auf eine „Ver­schwörung“ als ein Merkmal von „fake news“ in sozialen Medien zu präsentieren:

„… Doch es gibt ver­rückte [!] Theorien darüber, dass Imp­fungen von der UNO zur Gedan­ken­kon­trolle ein­ge­setzt werden und krank machen“.

Man beachte – neben der unbe­grün­deten Bewertung der Behauptung als „ver­rückt“ – die nicht gerade plau­sible Kom­bi­nation von „zur Gedan­ken­kon­trolle ein­ge­setzt werden“ und „krank machen“. Ist diese For­mu­lierung kom­bi­na­to­risch oder alter­nativ gemeint? Wird dies bewusst unklar gelassen? Wäre es nicht kon­tra­pro­duktiv, wenn durch Impfung Gedan­ken­kon­trol­lierte krank würden und viel­leicht vor­zeitig sterben würden?!
Jeden­falls wird der Spieler dahin geleitet, in seinem „Nach­rich­ten­portal“ eine der „verrückte[n] Idee“ ent­spre­chende Schlag­zeile zu posten, und das Spiel erledigt den Rest:
„Du könntest noch stärkere Wörter benutzen. Aber immerhin! Du erreichst bald Kultstatus“,
und

„Du hast Deine Fol­lower so erfolg­reich mani­pu­liert [!], dass sie eine Ver­schwö­rungs­theorie glauben“,

Für mich ist hier der Höhe­punkt der Lächer­lichkeit des Spiels erreicht: Die Bot­schaft, die die Spiel­ent­wickler ver­mitteln wollen, ist, dass es keine Ver­schwö­rungen, jeden­falls keine durch inter­na­tionale (soll das heißen: „gute“?) Orga­ni­sa­tionen wie die UNO, gibt, und dass, wer etwas anderes behauptet, ent­weder selbst bewusster Ver­breiter von Falsch­mel­dungen oder von den­selben mani­pu­liert worden sein muss.
Das „Abzeichen“, das der Spieler für die Ver­wendung von „Ver­schwörung“ erhält, wurde von den Spiel­ent­wicklern mit dem Merksatz versehen:
„Eine gut plat­zierte Ver­schwö­rungs­theorie kann die Main­stream-Medien Ver­trauen kosten“,
womit wieder deutlich wird, dass es den Spiel­ent­wicklern darum geht, durch „Bad News“ soziale Medien zu dis­kre­di­tieren. Ihnen werden hier wieder „Main­stream-Medien“ als „gute“ Medien ent­ge­gen­ge­stellt, denen „böse“, „frus­trierte“ Falsch­melder in sozialen Medien durch Berichte über Ver­schwö­rungen das Ver­trauen der Kon­su­menten ent­ziehen (wollen).
„Fakten- Checker“ gegen „Wut­bürger“, und das argu­mentum ad auctoritatem
Von diesem Punkt an bis zum Ende des Spiels ist es nur noch ein pein­licher, weil zu offen­sicht­licher, Versuch, bei den Spielern bestimmte Arten von Per­sonen oder Ein­rich­tungen gegen Zweifel zu „immu­ni­sieren“. So wird ein „Fakten-Checker“ ein­ge­führt, der selbst­ver­ständlich im Stande ist, die Dinge richtig zu beur­teilen und rich­tig­zu­stellen, d.h. die Schlag­zeile des Spielers, der ja den Falsch­melder spielt, als „fake“ zu erweisen. Die Ver­tei­digung des Spielers, der den „Wut­bürger“ spielt, gegen den die Wahrheit ver­kün­denden „Fakten-Checker“ wird von den Spiel­ent­wicklern kana­li­siert in eine „Gegen­of­fensive“ oder genauer: einen „persönliche[n] Angriff“:

„… Nichts wirkt so gut wie ein per­sön­licher Angriff. Schreibst du einen kleinen Verriss über FactCheckOnline?“
Sug­ge­riert wird dem Spieler: (1) Ein „Fakten-Checker“ ist eine Instanz, die kraft Bezeichnung „Fakten-Checker“ die Wahrheit kennt und ver­künden kann – womit die Spiel­ent­wickler den Fehl­schluss ad auc­to­ritatem (übrigens nicht nur an dieser Stelle) insti­tu­tio­na­li­sieren, (2) eine Ent­gegnung ist ein „Verriss“, (3) eine Ent­gegnung auf die Instanz „Fact­Check­Online“ ein „per­sön­licher Angriff“, obwohl der Fakten-Checker – wohl bewusst – als Orga­ni­sation oder Ein­richtung, eben als „Fact­Check­Online“, dar­ge­stellt wird und eben nicht als indi­vi­duelle Person.
Dies ist m.E. nicht mehr nur grober Unfug, sondern – nicht gerade gut ver­hüllte –Indok­tri­nation, viel­leicht Indok­tri­nation mit einem Schuss Selbst­ironie: Man kann sich schwerlich des Ein­drucks erwehren, dass die Stra­tegien und Methoden, die das Spiel als Merkmale von „fake news“ dar­stellen will, genau die Stra­tegien und Methoden sind, die die Spiel­ent­wickler benutzen, um die Spieler zu mani­pu­lieren und zu indok­tri­nieren, bis hin zu dem Satz, den man kaum anders lesen kann denn als pro­gram­ma­tisch für das Spiel „Bad News“:

„Die Leute wollen ‚die Wahrheit‘ hinter all den Unklar­heiten wissen. Dieses Bedürfnis kannst du aus­nutzen, um sie auf deine Seite zu bringen.“

Zusam­men­fassung: Was „Bad News“ bei­bringen will
Und die „Wahrheit“ der Spiel­ent­wickler ist, dass „Wut­bürger“ zu Falsch­meldern werden, die dumme „Nor­mal­ver­braucher“ durch Funk­ti­ons­be­zeich­nungen wie „Chef­re­dakteur“ beein­drucken können und dass sie – und anscheinend nur sie – außerdem pola­ri­sieren, emo­tio­na­li­sieren, Ver­schwö­rungen behaupten und „Ver­risse“ schreiben.
Es ist durchaus möglich, dass es unter Falsch­meldern Leute gibt, auf die diese Beschreibung zutrifft. Das ist nicht der Punkt.
Der Punkt ist erstens, dass das Spiel durch­setzt ist von Ver­all­ge­mei­ne­rungen, Ste­reo­typen, Plat­ti­tüden und Bewer­tungen. Zweitens pro­pa­giert das Spiel eine ganze Reihe von Fehl­schlüssen, wie z.B. den Fehl­schluss ad hominem, wenn die Spiel­ent­wickler ihren Tweeter einen ihnen miss­lie­bigen oder für sie (!) unglaub­wür­digen Inhalt tweeten lassen und ihn als „Wut­bürger“ cha­rak­te­ri­sieren, und den Fehl­schluss ad auc­to­ritatem, wenn ein „Chef­re­dakteur“ von den Spiel­ent­wicklern gegenüber einer „Aus­hilfe“ als per se ver­trau­en­er­we­ckender dar­ge­stellt wird.
Aber vor allem soll im Spiel der Fehl­schluss der Bejahung des kon­se­quens den Spielern als modus ope­randi ein­trai­niert werden: die Spieler sollen dazu gebracht werden, von der schlichten Beob­achtung z.B. eines Tweets oder einer Schlag­zeile in einem sozialen Medium, der/die ihnen „emo­tional“ vor­kommt, ihnen „pola­ri­sierend“ erscheint, die Existenz einer Ver­schwörung behauptet u.a.m., auf die Falschheit der darin ent­hal­tenen Aussage/n zu schließen und den ent­spre­chenden Tweet oder die ent­spre­chende Schla­ge­zeile als „fake news“ einzuordnen.
Schluss­fol­gerung: „Bad News“: Denn sie wissen nicht, was sie tun!?
Würde dies gelingen, wären die Spieler auf grund­le­gende Weise am eigenen, ver­nünf­tigen, logisch kor­rekten Denken bzw. dessen Ent­wicklung und der Ent­wicklung von Urteils­kraft behindert worden, wenn nicht tat­sächlich gegen eigenes, ver­nünf­tiges, logisch kor­rektes Denken und die Ent­wicklung von Urteils­kraft „immu­ni­siert“ worden.
„Bad News“ kann deshalb nicht nur mit Fug und Recht, sondern muss, als gegen Ratio­na­lität, gegen Auf­klärung und gegen die Ent­wicklung eigener Urteils­kraft gerichtet ein­ge­stuft werden. „Bad News“ erfüllt voll­ständig die Cha­rak­te­ristika von Indok­tri­nation nach Green (2010[1972]: 34).
Bleibt nur noch zu fragen, auf­grund welcher Moti­vation jemand ein solches „Spiel“ ent­wi­ckeln sollte. Ich kann über die Antwort auf diese Frage nur spe­ku­lieren. Ich halte es nicht für aus­ge­schlossen, dass die Spiel­ent­wickler die Fehl­schlüsse, die sie im Spiel pro­pa­gieren, rou­ti­ne­mäßig selbst ziehen, und dass ihr Welt- und Men­schenbild so gene­ra­li­sierend und von Feind­bildern geprägt ist, wie es im Spiel eta­bliert wurde. Das wäre die best­mög­liche Erklä­rungs­mög­lichkeit: die Spiel­ent­wickler würden in diesem Fall nämlich zumindest weit­gehend unbe­wusst gehandelt haben.
Es gibt aber min­destens einen klaren Hinweis darauf, dass min­destens einer der Spiel­ent­wickler weiß, was er tut – und es absichtlich tut: Sander van der Linden hat als Wis­sen­schaftler, der er sein möchte, keine Schwie­rig­keiten damit, seine Zeit mit der Erfor­schung von Mani­pu­la­tions- und Indok­tri­na­ti­ons­mög­lich­keiten zuzu­bringen, um Men­schen dazu bringen zu können, sich so zu ver­halten, wie er das für richtig hält, wie man seiner Publi­kation mit dem Titel „The Future of Beha­vioral Insights: On the Importance of Socially Situated Nudges“ aus dem Jahr 2018 ent­nehmen kann.
Ver­suche, durch „nudging“ soziale Kon­trolle aus­zuüben, sind nicht gänzlich neu (s. z.B. Riggan 1978), aber eine Recherche in „Google Scholar“ unter Ver­wendung ver­schie­dener Zeit­räume zeigt deutlich, dass Publi­ka­tionen zum „nudging“ im sozi­al­po­li­ti­schen Bereich inter­na­tional seit 2010 erheblich häu­figer sind als sie es in vor­her­ge­henden Dekaden waren und in Deutschland im Jahr 2018 ein vor­läu­figer Höhe­punkt in erheb­lichem Ausmaß erreicht wurde.

Glück­li­cher­weise hat sich die Mehrheit der Men­schen (bislang) als weit­gehend resistent oder reaktiv erwiesen. Und glück­li­cher­weise ist das Spiel sowohl inhaltlich als auch visuell wenig anspre­chend, so dass mir scheint, dass die Mehrheit der Men­schen bereits „immun“ ist, nämlich „immun“ gegen die per­ver­tierte und allzu ein­fache „Wahrheit“, die die Spiel­ent­wickler glaubhaft machen wollen.
Dennoch besteht die Mög­lichkeit, dass Jugend­liche, viel­leicht am ehesten 15- bis 18-Jährige, durch das Spiel in die Irre geführt werden. Besonders bedenklich ist wahr­scheinlich die „Junior-Version“ des Spiels, die auf Acht- bis Zehn­jährige abzielt. Ich habe diese Version bislang nicht selbst ein­sehen können, aber alles spricht dafür, dass sie im selben „Geist“ kreiert wurde, also im Geist der Indok­tri­nation. Haben Sie daher ein Auge darauf, ob, wann und wie Kinder oder Jugend­liche in Ihrem Umfeld mit dem Indok­tri­na­ti­ons­spiel „Bad News“ kon­fron­tiert werden oder sind, und setzen sie dem Indok­tri­na­ti­ons­versuch – falls not­wendig – etwas entgegen!
Kri­ti­sches Denken ist das Gegenteil von Rezept­wissen, das den Fehl­schluss der „Bejahung des kon­se­quens“ zum modus ope­randi für Bewer­tungen, Urteile oder Ent­schei­dungen auf­bauen will – und das ist, was durch „Bad News“ ein­trai­niert werden soll. Und Wis­sen­schaft im Dialog (WiD) findet nichts dabei, „Bad News“ zu pro­pa­gieren – „Bad News“, wie wahr!
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Quelle: sciencefiles.org