Groß­bri­tannien: Schul­verweis bei Coro­na­witzen – echt jetzt???

Es ist ein Merkmal dik­ta­to­ri­scher Systeme, die unter Druck geraten, dass sie sogar Wit­ze­leien unter Kindern schon strengstens bestrafen. Groß­bri­tannien ist ja erfah­rungs­gemäß bei vielen Aus­wüchsen und Fehl­ent­wick­lungen ganz weit vorne, so auch hier. Der bri­tische Inde­pendent berichtet, dass eine bri­tische Schule ganz besonders „vor­bildlich“ agiert. Schüler, die Witze über „Corona“ machen, können der Schule ver­wiesen werden.

Die Ark Alex­andra Academy in Has­tings, East Sussex, hat Eltern und Schüler gewarnt, dass „bös­wil­liges Husten oder Niesen“ sowie „unan­ge­brachte Witze über Covid-19“ zu einem Schul­verweis führen können. Wie der Inde­pendent berichtet, erhielten die Eltern der Schüler dieser Schule ein dies­be­züg­liches Schreiben der Schul­leitung. Die Absicht, die Schüler zu abso­lutem Gehorsam und zur bedin­gungs­losen Unter­werfung zu zwingen ist unüber­sehbar. Jeder Schüler, der bei einem Regel­verstoß erwischt wird, werde von der Schule so lange aus­ge­schlossen, bis eine „Risi­ko­ein­schätzung durch­ge­führt wurde, die sicher­stellt, dass dieser Schüler für­derhin unsere Erwar­tungen erfüllt.“

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Der stell­ver­tre­tende Direktor der Lehr­an­stalt, Jerome Scafe schrieb:

„Any student that needs to have a fixed-term exclusion during the pan­demic will not return to main cir­cu­lation until a risk assessment and we can be assured that the student will adhere to all our expectations.”

Über­setzung: Jeder Schüler, der während der Pan­demie befristet aus­ge­schlossen werden musste, wird erst nach einer Risi­ko­be­wertung zum Schul­be­trieb zurück­kehren und dann, wenn wir sicher sein können, dass der Schüler alle unsere Erwar­tungen erfüllt.

Kann man deut­licher machen, welches Unter­wer­fungs­re­giment diese Schule durch­drücken will? Nicht einmal Witze dürfen die Schüler über die für sie extrem belas­tende Situation machen.

Die Schulen im Ver­einten König­reich werden in der nächsten Woche die Pforten wieder für die Schüler öffnen, nachdem der Lockdown dort nun schritt­weise zu Ende geht. Der Brief der Schul­leitung erreichte die Eltern wenige Tage vor der Wie­der­eröffnung. Die Regierung beab­sichtigt, laut des Berichtes im Inde­pendent, ein rotie­rendes System ein­zu­führen, dem­zu­folge die eine Hälfte der Schüler in der ersten Woche zurück in die Klas­sen­räume kommt, um dort unter Wahrung der Abstands­regeln am Unter­richt teil­zu­nehmen und in der zweiten Woche über Internet zu Hause am Unter­richt per Internet teil­nimmt, während die zweite Gruppe in den Klas­sen­räumen unter­richtet wird. Eine sehr ähn­liche Regelung haben wir schon seit einiger Zeit auch hier in Deutschland an vielen Schulen.

Die Ark Byron Grund­schule in Acton, im Westen Londons, gehört zu der­selben Gruppe wie die oben erwähnte Ark Alex­andra Schule. Auch hier wurden die Eltern der Schüler mit einem ähn­lichen Rund­brief beglückt. Darin wurden sie vor­ge­warnt, dass Schüler, die sich weigern, die Corona-Hygie­ne­regeln  und die Social-distancing-Vor­schriften penibel zu befolgen, sofort und auf der Stelle in einen „sepa­raten Bereich“ abge­sondert werden. Die kind­lichen Ver­brecher werden also in eine Art „Straf­ko­lonie“ abge­sondert, damit sie die anderen nicht mög­li­cher­weise anstecken. Hat jemand einmal überlegt, was das für die Kinder bedeutet: „Wenn du dich nicht konform ver­hältst, wirst Du wie Son­dermüll ausgesondert?“

Wörtlich heißt es in dem Brief:

„Some beha­viours (eg coughing deli­berately on another person) that were pre­viously ‘simply’ anti-social are now poten­tially extremely serious.”

Über­setzung: Manche Ver­hal­tens­weisen (z.B. absichtich vor einer anderen Person zu husten), die schon vorher unsozial waren, sind nun mög­li­cher­weise äußerst schwerwiegend.

Ein Witz oder vor­ge­täuschtes Husten ist jetzt extrem schwerwiegend?

Das bri­tische Bil­dungs­mi­nis­terium (Department for Edu­cation) ließ sich zu diesen dra­ko­ni­schen Maß­nahmen der Schul­leitung nur indirekt ein. In einer Stel­lung­nahme hieß es hierzu, dass das schlechte Ver­halten der Schüler sich dadurch noch ver­schlimmern könnte, dass die Dis­ziplin auf­grund unre­gel­mä­ßiger Anwe­senheit und man­gelnder Dis­ziplin im Klas­sen­zimmer deutlich schlechter geworden sei.

Das wäre in der Tat kein Wunder. Die Kinder kommen aus einer sehr langen Unter­richts­pause zurück in die Schule. Aber nicht, wie übli­cher­weise aus den großen Som­mer­ferien, voller neuer Ein­drücke, Spaß und Aben­teuer, die sie erzählen können, mit ihren Freunden begeistert teilen. Sondern aus einer Gefan­gen­schaft in den engen Woh­nungen, mit besorgten, über­stra­pa­zierten Eltern, oft ohne Kontakt zu Freunden, genervt und gelang­weilt von der Ein­tö­nigkeit in den vier Wänden, während draußen der Sommer ohne sie statt­findet. Wer könnte den Kindern übel­nehmen, dass sie ein gewisses Frus­tra­ti­ons­po­tenzial mit­bringen? Und jetzt sollen sie noch ganz besonders dis­zi­pli­niert sein, damit sie nicht dra­ko­ni­schen Strafen wegen eines Witzes über Corona oder „absicht­lichen“ Hustens unter­worfen werden. Kann ein Lehrer sicher ein­ordnen, ob ein Husten oder Niesen absichtlich erfolgte?

Was tut das bri­tische Bil­dungs­mi­nis­terium? Ermuntert es die Lehrer, auf die see­li­schen Nöte der Kinder ein­zu­gehen? Die Schüler lie­bevoll und mit Ein­füh­lungs­ver­mögen in dieser nicht gerade ein­fachen Zeit zu begleiten? Nein. Das Minis­terium ermuntert die Schulen, die Kon­se­quenzen für „schlechtes Benehmen klar auf­zu­zeigen“ und zwar ganz besonders im Hin­blick auf neue, zusätz­liche Bewe­gungs­ein­schrän­kungen und Hygie­ne­regeln. Die Kin­der­dressur und Unter­drü­ckung alles Kind­lichen schaltet jetzt in den Warp-Antrieb:

„It is likely that adverse expe­ri­ences or lack of rou­tines of regular atten­dance and classroom disci­pline may con­tribute to dis­en­ga­gement with edu­cation upon return to school, resulting in increased inci­dence of poor behaviour.“

Über­setzung: Wahr­scheinlich tragen schlechte Erfah­rungen oder man­gelnde Gewöhnung an den regel­mä­ßigen Schul­besuch und die feh­lende Dis­ziplin im Klas­sen­zimmer dazu bei, dass sich bei der Rückkehr in die Schulen ein Des­in­teresse an Bildung zeigt, was seinen Nie­der­schlag in häu­fi­geren Vor­fällen von schlechtem Benehmen findet.

Im bester pseudo-mit­füh­lendem und poli­tisch-kor­rektem Geschwurbel heißt es dann, dass die Schulen besonders mit den Schülern „zusam­men­ar­beiten“ sollen, die „mög­li­cher­weise Schwie­rig­keiten haben, sich wieder zu enga­gieren“ und ihnen Unter­stützung ange­deihen lassen sollen, damit sie die „Hin­der­nisse“ für den Schul­besuch und ihr Ver­halten „über­winden“ und ihnen dabei zu helfen, sich wieder in das Schul­leben zu integrieren.

Ganz bestimmt ist ein rigo­roser Schul­verweis und soziale Aus­grenzung und Ächtung wegen eines Witzes über Corona, oder ein – viel­leicht auch nur ver­meintlich – absicht­liches Husten ein ideales, hilf­reiches und ein­fühl­sames Vor­gehen, Schüler mit „Schwie­rig­keiten“ wieder nahtlos zu inte­grieren. Wie ver­nagelt kann man sein?

Manchmal fragt man sich schon ratlos und ver­blüfft, was denn wohl in den Hirnen solcher Schul­leiter und Minis­te­ri­ums­an­ge­stellter vor­gehen mag, dass sie zu der­maßen unso­zialen, empa­thie­losen, dra­ko­ni­schen und dik­ta­to­ri­schen Maß­nahmen greifen und dabei  – unter sou­ve­räner Miss­achtung aller päd­ago­gi­schen Grund­sätze und Aus­schaltung jeg­lichen gesunden Men­schen­ver­standes – sich auch noch selbst für ihre herz­losen Fehl­ent­schei­dungen bewundern.

Die Kinder können einem nur noch von Herzen leid tun.