Neu­wahlen sind das kleinste Übel — jedoch nicht für Merkel

Neu­wahlen sind unaus­weichlich, nachdem sich die SPD ver­weigert hat. Denn eine Jamaika-Koalition ist poli­tisch unmöglich und wäre Selbstmord für die FDP.

(Von Dr. Rainer Zitelmann)

Wer sich über den Wahl­erfolg der AfD aufregt, sollte sich über Merkel auf­regen, denn sie hat die AfD gemacht. Merkel müsste eigentlich nach dieser Wahl­ka­ta­strophe zurück­treten. Das wird sie aber nicht. Sie will regieren um jeden Preis. Macht um der Macht willen war schon immer ihr Konzept. Wie geht es weiter? Es wird nichts an Neu­wahlen vor­bei­führen. Die SPD hat sich ein­deutig fest­gelegt und will in die Oppo­sition. Aus ihrer Sicht ist das nach­voll­ziehbar. Damit kann die FDP jedoch nicht auto­ma­tisch gezwungen werden, mit den Grünen und Merkel zusammenzugehen.

Keine dritte Chance für die FDP

Die FDP ist das letzte Mal aus dem Bun­destag geflogen, weil sie vorher die Backen auf­ge­blasen und dann nicht geliefert, sondern ihre Wähler maßlos ent­täuscht hat. Jetzt haben die Wähler ihr eine zweite Chance gegeben. Eine dritte Chance wird es nicht geben. Wenn die FDP wie­derum ihre Grund­sätze verrät, ist das das Ende der Partei. Ich denke, dass Christian Lindner das weiß.

Unüber­windbare Gegensätze

Die Gegen­sätze zwi­schen Grünen und FDP sind unüber­windbar. Die Grünen sind das genaue Gegenteil der FDP. Und das Problem ist noch größer, weil Merkel selbst eine Grüne ist. Hier Bei­spiele für die unüber­brück­baren Gegensätze:

- Merkel hat vor, zusammen mit Frank­reich die EU weiter in Richtung Trans­fer­union umzu­bauen. Ver­stärkt sollen die Deut­schen die Süd­länder finan­zieren. Die sinnlose „Grie­chenland-Rettung“ soll fort­ge­führt werden und auch nach Italien soll Geld fließen, wenn es gebraucht wird. Vor den Wahlen hat sie das natürlich ver­schwiegen. Die Grünen ver­treten ähn­liche Posi­tionen. Die FDP ver­tritt eine genau kon­träre Position. Das passt nicht.

- Merkel hat zuletzt immer wieder beteuert, dass das, was sie 2015 gemacht hat (gren­zenlose Will­kom­mens­kultur) richtig war. Die Grünen sehen das ohnehin so. Viele Wähler haben die FDP genau deshalb gewählt, weil sie sich über Monate sehr dezi­diert gegen diese Politik der gren­zen­losen Will­kom­mens­kultur gewandt hat. Die Posi­tionen von CSU und FDP in der Flücht­lings- und Ein­wan­de­rungs­po­litik passen ganz und gar nicht zu den Posi­tionen von Merkel und den Grünen.

- Merkel und die Grünen wollen nach der ver­murksten Ener­gie­wende nun die „Mobi­li­täts­wende“. Gemeint ist, dass nach der plan­wirt­schaft­lichen Umge­staltung der Ener­gie­wirt­schaft auch die Auto­mo­bil­wirt­schaft plan­wirt­schaftlich umge­staltet werden soll: Mit Quoten für Elek­tro­autos und einem End­datum für den Ver­bren­nungs­motor. Die FDP setzt auf Markt­wirt­schaft – auch hier sind die Posi­tionen unvereinbar.

- Steuer- und Wirt­schafts­po­litik: Die Grünen sind für weitere Umver­teilung, die FDP ist für mehr Markt­wirt­schaft. Auch hier sind die Posi­tionen unver­einbar. Die Grünen wollen eine „Bür­ger­ver­si­cherung“, also eine Zwangs­ver­si­cherung auch für Selbst­ständige. Die FDP lehnt das strikt ab. Die FDP will die Miet­preis­bremse kom­plett abschaffen, die Grünen wollen sie massiv verschärfen.

Neu­wahlen

Da die FDP nicht mit den Grünen zusam­men­gehen kann und die SPD nicht mit­re­gieren will, bleiben nur Neu­wahlen. Natürlich ist das nicht ideal. Zumal niemand weiß, ob dann etwas anderes dabei her­aus­kommt. Es könnte durchaus sein, dass man danach vor dem gleichen Ergebnis steht. Es könnte auch sein, dass die AfD weiter zulegt. Aber wenn klar ist, dass es zwi­schen FDP und Grünen nicht klappt, müsste die SPD nach Neu­wahlen viel­leicht doch heraus aus ihrer Ver­wei­ge­rungs­haltung und würde in eine Koalition mit der Union gezwungen.

Im besten (wenn­gleich unwahr­schein­lichen) Fall würde es nach Neu­wahlen für Schwarz-Gelb reichen. Auch das wäre sehr schwierig. Und Schwarz-Gelb würde (falls es rech­ne­risch nach Neu­wahlen über­haupt reichen würde) nur dann funk­tio­nieren, wenn sich FDP und CSU ganz eng zusam­mentun, um Merkel ein­zu­hegen. FDP und CSU müssten Vor­sorge treffen, dass Merkel in Kri­sen­si­tua­tionen nicht wieder unbe­re­chenbare, emo­tional gesteuerte Allein­gänge unter­nimmt. Das wäre schwierig genug. Ohne die Grünen gäbe es dafür viel­leicht eine Chance, wenn CSU und FDP ver­stehen, dass sie zusam­men­halten müssen. Aber zusammen mit den Grünen funk­tio­niert das nicht. Natürlich werden Grüne, FDP und Union jetzt Gespräche führen müssen. Aber diese Gespräche werden scheitern.
Hätte die CDU genug mutige Männer und Frauen, dann würde sie nach einem Scheitern dieser Gespräche Merkel abwählen und mit Schäuble in Neu­wahlen gehen. Das würde die AfD schwächen und dann könnte es für Schwarz-Gelb viel­leicht reichen. Aber ich denke nicht, dass sich genügend Mutige in der Union finden, um Merkel zu stürzen. Merkel klebt an der Macht um der Macht willen. Das unter­scheidet sie von Poli­tikern wie Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder, für die Grund­sätze wich­tiger waren als der Machterhalt.

 

Quelle: TheEuropean.com