Auf internationalem Parkett schadet es nicht, die englische Sprache zu beherrschen. Oder gar ein Lehrer derselben zu sein – was dem poetisch begabten Mark Knopfler und seiner Rockgruppe Dire Straits sicher zugutekam, als er seinen Aushilfsjob als Lehrer an exakt jenen Nagel hängte, von welchem er zuvor die Gitarre abgenommen hatte. Auch bei Jack Ma ist Musik drin. Und damit bei Alibaba.
(Von Reinhard Schlieker)
Jack Ma, der heutige CEO von Alibaba, unterrichtete einst Englisch, kurzzeitig. Es war wohl eine Zwischenstation auf dem Weg zum Multimilliardär, und stehengeblieben ist er dabei bislang nicht. Seine Unternehmungen haben alle was von Ali – angefangen mit dem Dachkonzern Alibaba bis hin zu Alipay, dem Bezahldienst seines Konglomerats. Die Figur des Ali Baba, mutmaßlich den Märchen aus Tausendundeiner Nacht hinzugefügt durch den französischen Übersetzer Antoine Galland, hat es Jack Ma sicherlich angetan. Märchenhaft reich ist er bereits, seit er 1999 den Konzern gründete.
Alisoft, Alimama – alles Ali bei Ma. Der Konzern rang sich 2014 dazu durch, an die New Yorker Börse zu gehen, ein Sesam-öffne-dich für den chinesischen Tausendsassa, der solche Geschäftsmodelle wie das von Ebay, Amazon, Paypal und teilweise Google unter einem Dach vereint, welches auf den Cayman-Inseln in Form einer Holding aufgespannt ist. Grund für zahlreiche Analysten, am Geschäftsgebaren herumzumäkeln, was, wie nicht anders zu erwarten, den Chinesen richtiggehend egal ist. Solange es nur die Aktionäre anders sehen, und die sehen es anders. In zarten drei Jahren einer Börsenexistenz ging es auf 148 Euro nach oben und gerade in jüngster Zeit bekam das Papier ordentlich Schub. In den Anfängen hat man, so geben es selbst Technologieexperten zu, das Geschäftsmodell von Alibaba nicht richtig eingeordnet.
In einer auf den angelsächsischen bereich fixierten Geschäftswelt ist ganz China ohnehin etwas rätselhaft; die Internetaffinität der Chinesen wurde unterschätzt, wohl auch, weil man die drohende Zensur stets im Blick hatte und Beschränkungen für westliche Konzerne wie Google bereits über die ganze Branche kommen sah. Weit gefehlt – nach einigen Jahren der Expansion von Alibaba erkannte man gar in Jack Ma einen Mann, dessen Nähe zur chinesischen Politik nun wieder verdächtig erschien. Das aber sicherte sein Geschäft ab, und so wohnten in des Anlegers Brust seither zwei Seelen (mindestens). Jedenfalls gehört die Unternehmensgruppe zu den zehn wertvollsten Unternehmen der Welt und wird an der Börse mit weit über 300 Milliarden Dollar bewertet. Zeitweise brachten die Alibaba-Anteile im Portfolio der ansonsten eher lustlos dahinsiechenden US-Internetfirma Yahoo etwas Glanz in deren Bilanzen, so weit musste es also schon kommen. Und Alibaba vereinigte in seinem Konsumentengeschäft mehr Umsatz als die amerikanischen Geschäfte von Ebay, Amazon und Walmart zusammengenommen.
In China betreibt Alibaba inzwischen auch stationären Einzelhandel: Die Internetaktivitäten in den großen Zentren scheinen bald ausgereizt, nun sollen die bislang 49 Kaufhäuser das Geschäft stützen. Da Alibaba international expandiert, könnte der Warenhausmarkt demnächst auch in den USA chinesischer werden. Ähnlich wie Amazon beinhaltet das stationäre Geschäft die Möglichkeit, Einkäufe online zu ordern und dann nach Hause gebracht zu bekommen. Nach wie vor weist das Unternehmen ein starkes Umsatzwachstum auf – geschätzt für dieses Jahr etwa 45 Prozent, ein Wert, der eher auf ein Startup hindeutet als eine etablierte Firmengruppe, der Quartalsumsatz stieg zuletzt auf 6,43 Milliarden Euro. Ähnlich der Aktienkurs: Seit Jahresbeginn ein Zuwachs von über 90 Prozent. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis Europa in den Fokus der Chinesen gerät – für den deutschen Mittelstand und seine stationären Handelsaktivitäten ein weiterer Weckruf; aus Verbrauchersicht wäre dies eine willkommene Konkurrenz für den übermächtigen Amazon-Konzern. Irgendwie zum Fürchten aber sind sie beide – solche wirtschaftliche Machtzusammenballung gab es allenfalls einmal in der frühen amerikanischen Ölbranche: Das war gut für Innovationen, aber gefährlich für die Marktwirtschaft. Wohin die Reise mit den Online-Giganten letztendlich geht, weiß niemand.
via TheEuropean.de
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