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Vera Lengsfeld: Wie wir für dumm ver­kauft werden

Es rauscht ganz mächtig im Blät­terwald. Mit einem gelun­genen Coup hat es Qatar geschafft, die Dau­er­kritik an seiner Men­schen­rechtslage zum Ver­stummen zu bringen. Das Land will nun doch Gas an Deutschland liefern! Dieses ver­flüs­sigte Erdgas soll laut Bun­des­mi­nister Habeck einen “zen­tralen Bau­stein für die Sicherung unserer Ener­gie­ver­sorgung im kom­menden Winter” liefern.

Wirklich? Wie soll das gehen, wenn das Gas erst ab 2026 geliefert wird? Und warum wird das Gas nicht direkt an Deutschland geliefert, sondern über einen ame­ri­ka­ni­schen Zwi­schen­händler, der auch den Vertrag mit Qatar unter­zeichnet hat?

Wirt­schafts­mi­nister Habeck sagte dazu auf einer Pres­se­kon­ferenz zur Indus­trie­kon­ferenz 2022: „Ich kann dazu wenig Kon­kretes sagen, weil es die Aufgabe der betei­ligten Unter­nehmen ist, diese Ver­träge zu schließen und dazu was zu sagen.“ Die Auf­gaben der Unter­nehmen sei es, das Gas mög­lichst günstig für die Ver­braucher auf dem Welt­markt ein­zu­kaufen. Aha, dann wird es teuer weiter ver­kauft an den End­ver­braucher. Der Zwi­schen­händler muss auch keine Min­derung seiner Profite durch eine Über­ge­winn­steuer fürchten. Im Interesse der deut­schen Ver­braucher ist das nicht.

Die Gas­speicher in Deutschland seien voll. Für diese Selbst­ver­ständ­lichkeit, die in den Jahren vor der Ampel­re­gierung keine Erwähnung wert war, wird Habeck von seinen Anhängern in den Medien gelobt bis gefeiert. Aller­dings wird schamhaft ver­schwiegen, zu welchem Preis das Gas dann zum End­ver­braucher kommt. Außerdem wird dem Publikum ver­schwiegen, dass der Gas­vorrat nur bis Februar reicht, wenn er nur in Deutschland ver­braucht wird, was kei­neswegs sicher ist. Und dann?

Erstaunlich auch, dass jene, die meinen, auf 6% der Gesamt­pro­duktion an Strom durch AKWs könne man locker ver­zichten, so tun, als ob die höchstens 3% Flüs­siggas, die ab 2026 die Lie­fe­rungen aus Katar für den Gesamt­ener­gie­bedarf Deutsch­lands aus­machen, die Rettung seien.

Da Rechnen inzwi­schen als toxische weiße männ­liche Fähigkeit verpönt ist, wird glatt über­sehen, dass der täg­liche Strom­bedarf in Deutschland min­destens 1,4 TWh Strom beträgt, im Winter eher noch mehr. An vielen Tagen liefern die „Erneu­er­baren“ Wind und Sonne nur 3–10% des Gesamt­strom­be­darfs. Auch Was­ser­kraft trägt nur wenige Prozent bei. Solange es bil­liges rus­si­sches Gas gab, wurde die Lücke durch Gas­kraft­werke geschlossen. Das wird nun unmöglich.

Der Prä­sident des Bun­des­amtes für Bevöl­ke­rungs­schutz und Kata­stro­phen­hilfe rechnet bereits öffentlich mit Blackouts. Es gibt auch schon einen beru­hi­genden Fach­be­griff: Von Rol­lenden Blackouts spricht man, wenn nach­ein­ander ver­schiedene Regionen vom Netz genommen werden, um den Total­zu­sam­men­bruch zu ver­hindern. Aller­dings könnte es mit diesem Blackout-Management schwierig werden. Die Netz­be­treiber hatten schon im Sep­tember dringend emp­fohlen, ein „ver­trag­liches Last­ma­nagement“ wieder möglich zu machen. Dies ist nicht geschehen. Ein wei­terer Schwerer hand­werk­licher Fehler des Habeck-Minis­te­riums. Die Ersatz­lösung kann „alle Strom­ver­braucher ohne Vor­be­reitung unver­mittelt treffen“.

Wieso sollte es dazu kommen, wo Deutschland doch ein Strom­ex­portland sei, wie die Grünen immer wieder behaupten? Tat­sächlich wird an Tagen, wo die „Erneu­er­baren“ weit mehr Energie pro­du­zieren, als unser Netz, das nur über eine Spei­cher­ka­pa­zität von 0,04TWh verfügt, ver­kraften kann, Strom für Geld in die Netze der Nach­bar­länder gepumpt, von denen er bei Sonnen- und Wind­mangel teuer zurück­ge­kauft werden muss. Oder es wird in Deutschland aus Gas, das aus Frank­reich geliefert wird, Strom für die Fran­zosen pro­du­ziert, weil die ihre ver­al­teten AKWs auf Vor­dermann bringen müssen. Beides ist nicht gerade das, was man ehr­li­cher­weise Export nennen kann.

Deutschland hat mit voller Kraft LNG-Ter­minals gebaut und damit laut Pro­pa­ganda einen ent­schei­denden Beitrag zum Kli­ma­schutz geleistet. Was ver­schwiegen wird ist, dass die LNG-Tanker, die das Flüs­siggas über tau­sende Kilo­meter trans­por­tieren, einen Schweröl­ver­brauch haben, der vier Mal höher ist als der des gesamten deut­schen Straßenverkehrs.

Kli­ma­schutz, um den es angeblich geht, sieht anders aus. Trotzdem wird der Kli­ma­schutz wie eine Mons­tranz allen poli­ti­schen Ent­schei­dungen vorangetragen.

Deutschland wolle eine „die­nende Füh­rungs­rolle“ im Kli­ma­kampf ein­nehmen, sagt Wirt­schafts­mi­nister Habeck. Warum müsse sich Deutschland da “rein­hängen“ (Habeck). Weil alle Augen auf Deutschland gerichtet seien. Wenn Deutschland das nicht mit seinen tech­ni­schen Mög­lich­keiten und seiner hohen Akzeptanz für den Kli­ma­schutz in der Bevöl­kerung hin­be­komme, dann sagten sich die anderen 98% Emit­tenten, dass sie sich nicht „rein­hängen“ müssten.

Am deut­schen Vorbild wird auch diesmal nicht die Welt genesen. Denn was Deutschland vor­führt, wie innerhalb von Monaten die stärkste Volks­wirt­schaft der EU deindus­tria­li­siert wird, hat wenig Reiz zur Nach­ahmung ent­faltet. Aller­dings wird von den poli­ti­schen Ver­ant­wort­lichen, die sich als glü­hende Europäer gerieren über­sehen, dass es mit der EU aus ist, wenn Deutschland als Haupt­geld­geber aus­fällt. Wir wissen nicht, wann das ein­treten wird. Aber man kann den Grünen nicht vor­werfen, dass sie nicht offen sagen, was sie vor­haben. Seit Jahr­zehnten pro­pa­gieren sie den „öko­lo­gi­schen Umbau der Indus­trie­ge­sell­schaft. Es gibt auch schon einen Begriff für die Folgen dieses Umbaus: „Wohl­stand des Weniger“! Das ist ein Euphe­mismus für Verarmung.

Wer dazu schweigt, stimmt zu!


Vera Lengsfeld — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de