Was gegen Armut hilft und was nicht. Marktwirtschaftlicher Kapitalismus ja, sozialistischer Kapitalismus nein – Zwei Beispiele: Polen und Vietnam
(Rezension zu Rainer Zitelmanns neuem Buch: “Der Aufstieg des Drachen und des weißen Adlers. Wie Nationen der Armut entkommen” von Klaus Peter Krause)
Zitelmann beginnt sein neues Buch mit einem Kapitel, in dem er zeigt, was nicht gegen Armut hilft, nämlich Entwicklungshilfe. Damit hat er recht. Bekannt ist das seit Jahrzehnten, und berüchtigt dafür ist besonders Schwarzafrika, das große Sorgenkind der Entwicklungshilfe. Seit dort die Kolonialzeit vorüber ist und die Länder politisch souverän sind, wurden Unmengen an Finanz‑, Sach- und Beratungsleistungen förmlich in sie hineingepumpt. Aber auf den erstrebten breiten Wohlstand sind diese Länder trotzdem nicht gekommen. Im Gegenteil, es ging mit ihnen eher bergab, die Hilfe verpuffte, hat ihnen sogar geschadet. Beispielhaft sei an den „Bonner Aufruf“ von Afrika-Experten von 2008 für eine andere Entwicklungspolitik erinnert, der die Lage in Afrika wieder einmal öffentlich gemacht hatte: „Nach einem halben Jahrhundert personeller und finanzieller Entwicklungshilfe für Afrika stellen wir fest, dass unsere Politik versagt hat. Die Ergebnisse sind weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.“
„50 Jahre Entwicklungshilfe – 50 Jahre Strohfeuer“
Die Überschrift zum besagten ersten Kapitel in Zitelmanns Buch lautet „Was gegen Armut hilft – und was nicht“. Wohl bleibt für Zitelmann „der Kampf gegen die Armut eine der wichtigsten Aufgaben für die Menschheit“, aber Entwicklungshilfe – politisch korrekt heutzutage Entwicklungszusammenarbeit genannt – sei dafür das falsche Mittel. Oft habe sie nichts bewirkt und manchmal sogar das Gegenteil dessen, was beabsichtigt gewesen sei. Er verweist dabei unter anderem auf das Buch des erfahrenen Entwicklungshilfe-Kenners Frank Bremer mit dessen bitterer Bilanz „50 Jahre Entwicklungshilfe – 50 Jahre Strohfeuer“. Zwar sei die Quote der extremen Armut in den Entwicklungsländern deutlich zurückgegangen (von über 42 Prozent 1981 auf unter 10 Prozent 2021), doch dieser tolle Erfolg sei nicht wegen, sondern trotz der Entwicklungshilfe zustande gekommen.
Eine vernichtende Gesamtbilanz der Entwicklungshilfe
Selbst der Befund einer Untersuchung, wonach eine bessere Qualität der Regierung zu einer größeren Effektivität der Entwicklungshilfe führe und Entwicklungshilfe wenigstens bei guten politischen Rahmenbedingungen einen positiven Effekt habe, halte einer näheren Überprüfung nicht stand. Zitelmann stützt sich dabei auf Bücher wie das von William Easterly, Professor für Ökonomie und Afrikastudien an der New York University, mit dem Titel „Was Development Assistance a Mistake?“. Easterly halte Entwicklungshilfe ebenfalls für weitgehend nutzlos, oft sogar für kontraproduktiv. Dessen Gesamtbilanz der Entwicklungshilfe falle vernichtend aus. Andere Ökonomen seien zum gleichen Ergebnis gekommen.
Märkte funktionieren immer, auch Schwarzmärkte
Was wirklich helfe, seien spontane Entwicklungen des Marktes, also Entwicklungen, die von unten kommen müssten, nicht Experten mit der Anmaßung von Wissen. Vielversprechender und potentiell kosteneffizienter sei der Weg, die betreffenden Länder dabei zu unterstützen, ein wirtschaftliches Umfeld zu schaffen, das mit freien Märkten kompatibel sei, und auf diese Weise die individuellen Anstrengungen und die Kreativität freizusetzen. Man nennt es kurz Marktwirtschaft. Märkte funktionieren immer. Sind es freie Märkte, funktionieren sie besonders gut. Wird ihre Freiheit staatlich beschränkt, entstehen Schwarzmärkte. Auch die funktionieren, aber nicht gut genug.
Wirtschaftliche Freiräume ermöglichen, um aus eigener Kraft hochzukommen
Für freiheitlich gesinnte Ökonomen versteht sich das von selbst, zumal wenn sie sich im Lehrgebäude der Österreichischen (oder Wiener) Schule der Nationalökonomie bewegen oder in dem der ordoliberalen Freiburger Schule. Aber zu viele Politiker schätzen Freiheit nicht sonderlich, sie reden nur davon. Und zu viele Menschen wissen nichts davon und wählen daher Politiker, die von Freiheit überwiegend nur reden, statt sie ihnen zu bescheren und zu sichern. Zu den liberalen Ökonomen gehört auch Zitelmann. Arme Staaten wie in Afrika oder woanders sollten für ihre Bürger und Unternehmen wirtschaftliche Freiräume ermöglichen, um aus eigener Kraft hochzukommen, und auf diese Weise die herkömmliche Entwicklungshilfe aus erfolgreichen Staaten ersetzen.
Vor 30 Jahren zwei der ärmsten Länder: Polen und Vietnam
Zitelmann formuliert das so: Das Marktsystem
beruht darauf, dass derjenige reich wird, der die Bedürfnisse möglichst vieler Konsumenten befriedigt. Das ist die Logik des Marktes. Und das für kapitalistische Systeme charakteristische Wirtschaftswachstum ermöglicht es, dass manche Menschen und auch ganze Nationen reicher werden – ohne dass dies auf Kosten anderer Menschen und Nationen geschieht, die gleichsam automatisch ärmer würden.
Das wolle er am Beispiel von zwei Ländern zeigen, die beide noch vor 30 Jahren sehr arm gewesen seien – Polen und Vietnam. Warum diese beiden? Sie waren Schauplatz schrecklicher Kriege mit großem Verlust an Menschen. Sie haben nach den Kriegen sozialistische Planwirtschaften errichtet, die zerstört haben, was der Krieg noch nicht zerstört hatte. Vietnam war eines der ärmsten Länder auf der Erde, Polen eines der ärmsten in Europa. Beide Länder haben in den vergangenen Jahrzehnten stark an wirtschaftlicher Freiheit gewonnen, stärker als Länder vergleichbarer Größe.
Um Armut zu überwinden, Reichtum zulassen
Und noch etwas ist für Zitelmann Auswahlkriterium gewesen: Nach repräsentativen Meinungsumfragen sehen die Menschen in den beiden Ländern Reichtum und Reiche vergleichsweise besonders positiv. Was meint er damit? In seinen Forschungen sei er zu dem vermeintlich paradoxen Ergebnis gekommen, „dass nur eine Gesellschaft, die Reichtum zulässt und Reichtum positiv sieht, Armut überwinden kann“. Zugleich seien dies auch „Länder, in denen die Menschen – trotz der unterschiedlichen politischen Systeme – den Begriff ‚Kapitalismus‘ sehr viel positiver beurteilen als ihre Zeitgenossen in den meisten anderen Ländern“.
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