Der „Bür­ger­krieg“ in Syrien – ein Ölfund und das globale Energie-Monopoly

Im Fern­seh­kanal des Libanon, „Al Maj­jaddin“, ver­laut­barte 2013 der Leiter des „center for stra­tegic research“ in Damaskus, Herr Dr. Imad Fausi Shuaibi, dass man in den küs­ten­nahen Gewässern vor Syrien mehr als ein Dutzend grosse Erd­öl­b­lasen in nur 250 Metern Tiefe gefunden habe. „Die geo­lo­gi­schen Erkun­dungen, die von der nor­we­gi­schen Gesell­schaft ANCIS vor der Küste Syriens in ihren Ter­ri­to­ri­al­ge­wässern durch­ge­führt wurden, haben bestätigt, dass sich dort 14 Erd­öl­vor­kommen befinden“, sagte Dr. Shuaibi. Unter diesen fest­ge­stellten 14 Erd­öl­feldern lägen noch vier weitere in etwas tie­feren Schichten. Deren Ölvorräte würde denen des Scheichtums Kuweit ent­sprechen. Sechs bis sieben Mil­lionen Barrel könnte Syrien pro Tag fördern – die Ölmacht Nr. 1, Saudi-Arabien fördert 12 Mio Barrel/Tag.

Und wo Öl ist, ist auch Gas, was eben­falls aus­ge­beutet und ver­kauft werden kann.

Die nor­we­gische Bohr­ge­sell­schaft ANCIS hatte die bestä­ti­genden Pro­be­boh­rungen durch­ge­führt und man konnte auch abschätzen, wie viel dort lagert: 37 Mil­li­arden Tonnen Erdöl. Damit steigt Syrien zur viert­größten Erdöl-Macht der Welt auf. Der Fund war schon 2012 gemacht worden, man hielt das aber geheim. Warum?

Natürlich wäre das eigentlich ein Grund zur Freude, denn das hätte Syrien reich und blühend machen können, Moderne Städte, Straßen, Energie im Über­fluss, Ent­sal­zungs­an­lagen an der Küste und grüne Felder, satte Ein­nahmen des Staates, beste Bildung für alle kos­tenlos, alles, was die Welt bietet an schönen und köst­lichen Dingen würde der Reichtum aus diesem Öl den Syrern bringen.

Man braucht keine besonders scharfe Beob­ach­tungsgabe um fest­zu­stellen, dass es jetzt in Syrien irgendwie gar nicht danach aussieht.

Es gibt natürlich Inter­essen. Die Region ist eine der am hei­ßesten umkämpften. Es geht um den Ölmarkt, der zur Zeit eine aus­sichtslose Schlacht um den Erhalt der hohen Preise kämpft. Von den Ölpreisen hängen die Volks­wirt­schaften und Haus­halts­budgets der betrof­fenen Staaten ab. Für die ent­wi­ckelten Indus­trie­länder, die Öl impor­tieren ist ein nied­riger Ölpreis ein Segen für die Betriebe und Pri­vat­haus­halte. Für die För­der­länder ist er eine lebens­be­droh­liche Sache.

Der (relativ) niedrige Öl- und Gas­preis bringt sogar das sagenhaft reiche Saudi-Arabien ins Schlingern und hat einen Großteil der US-ame­ri­ka­ni­schen Fracking-Firmen rui­niert. Eigentlich wollen zwar alle För­der­länder höhere Preise, da aber jeder ver­sucht, so viel wie möglich auf den Markt zu werfen, da die Staats­kassen durch die Ölpreis­baisse schon schlür­fende Geräusche von sich geben, wo es vorher satt glu­ckerte, weil ganze Tan­ker­flotten auf den Ozeanen vor den Küsten vor Anker liegen und die Fracht unbe­dingt gelöscht werden muß, weil jeder Tanker jeden Tag kostet – deshalb wird der Kampf um den Ölpreis erbittert geführt.

Letzt­endlich, so sagen die Kenner der Szene, bleiben den OPEC-Ländern nur drei Wege, um den Ölpreis zu stützen:

Nach Angaben von Oilprice.com bleiben der Opec letzt­endlich nur drei Alter­na­tiven. Erstens kann sie die gül­tigen För­der­kür­zungen ver­längern. Zweitens könnte sie ihre För­der­kür­zungen dras­tisch aus­weiten. Und drittens könnten die Opec-Staaten dem Rat Wein­bergs folgen und die Pro­duktion wieder hochfahren.“ 

Der Rat Wein­bergs ist, das Opec Kartell könne seine Ölför­derung massiv erhöhen und dadurch einen Preis­sturz aus­lösen, der die Frack­ing­in­dustrie der USA kom­plett ruiniert:

Die erste Option scheint ange­sichts der Erfah­rungen der ver­gan­genen Monate die Preise nicht signi­fikant zu stützen. Die Folgen der zweiten Option könnte noch gra­vie­render als die anderen beiden Optionen aus­fallen. Katars ehe­ma­liger Öl-Minister, Abdullah al-Attiyah, sagte Bloomberg, dass von hohen För­der­kür­zungen aus­schließlich die US-Frack­ing­un­ter­nehmen pro­fi­tieren würden. Wenn nämlich die Preise steigen, erhöhen diese ihre Pro­duktion und streichen Gewinne und Markt­an­teile ein.“

Alle ölför­dernden Staaten streben danach, die Indus­trie­staaten mit ihrem Ener­gie­träger Erdöl zu beliefern. Für den Nahen Osten ist Europa ein bevor­zugter Abnehmer: Viel Industrie, dicht besiedelt, viele Autos, viel Last­verkehr, kalte Winter und mas­senhaft Ölhei­zungen, viel Plastikproduktion. 

Die USA kämpfen schon lange darum, Europa von den Gas­pipe­lines der Russen fern­zu­halten und möchten unbe­dingt ihr Erdgas nach Europa ver­kaufen. Wenn ihnen etwas über­haupt nicht gelegen kommt, dann sind das riesige Ölfelder vor Syrien, dessen Prä­sident mit den Russen gut kann, dessen Ölfelder direkt vor der Küste im Mit­telmeer liegen, von wo aus ein sehr kurzer Weg nach Europa führt. Außerdem sind auch die Länder drum­herum mit ihrem Öl nicht glücklich darüber, denn sie müssen ihr Öl in Pipe­lines oder Lastern zu den Häfen trans­por­tieren, um es zu ver­schiffen, was das Öl ver­teuert und dem syri­schen Öl einen Preis­vorteil verschafft.

Die Pipe­lines zur Mit­tel­meer­küste sind nicht nur teuer, man muß auch noch Geld an Syrien bezahlen, um die Pipe­lines durch das Land legen zu dürfen. 

Das Problem lässt sich recht elegant lösen, indem man Syrien ins Chaos stürzt, einen Pseudo-Bür­ger­krieg ent­fesselt, ganze Land­striche ver­wüstet und besetzt. Unter diesen Umständen baut das Land kaum teure Ölplatt­formen ins Meer und eine kost­spielige Raf­fi­nerie-Industrie auf. In dem zer­störten Land kann man dann mit seinen Hilfs­truppen nach belieben schalten und walten.

Und tat­sächlich sieht man, wenn man es unter diesem Blick­winkel betrachtet, dass die Lage in Syrien gar nicht unüber­sichtlich ist. Welche Truppen irgendwo gegen andere stehen ist zwar schwer zu durch­blicken, Schaut man aber, wo wichtige Pipe­lines ver­laufen, und wo umkämpfte Gebiete sind, wird das Bild klarer. Alle kämpfen um die beste Aus­gangs­po­sition für den Export von Gas und Öl nach Europa.

Betrachtet man also die beiden Karten auf­merksam zeigt sich, dass sich die Kämpfe und die Gebiets­be­set­zungen entlang der Ölmärkte, den Straßen dazwi­schen und entlang der Pipeline-Regionen abspielen.

Die Deut­schen Wirt­schaft­nach­richten schreiben hierzu:

Zwei der wich­tigsten Öl-Märkte befinden sich in den syri­schen Städten Man­bidsch und al-Bab, die sich wie­derum beide in der Provinz Aleppo befinden, berichtet die Financial Times. Durch diese beiden Städte ver­läuft auch die wich­tigste Pipeline, die Öl aus dem Irak – aus Mossul und al-Qaim – nach Syrien bis in die Provinz Idlib trans­por­tiert. Die­selbe Pipeline ver­läuft im Westen auch durch die Stadt Aleppo bis zum Öl-Markt in Idlib. 

Wer immer Man­bidsch kon­trol­liert, hat einen großen Ein­fluss auf den Öl-Transport in Syrien. Das­selbe gilt für Aleppo, Idlib und al-Bab im Westen des Landes. Im Osten des Landes ver­läuft die­selbe Öltransport-Linie durch Rakka und Deir Ezzor. Das Öl, das durch diese Trans­port­linie fließt kommt aus Mossul, über Sinjar nach Deir Ezzor und ein zweiter Strang von al-Qaim nach Deir Ezzor.

Die aktuelle Schlacht um Aleppo wird nur aus einem Grund Ent­schei­dungs­schlacht genannt: Aleppo ist die letzte große Stadt, durch die die wich­tigste Transport-Linie des Landes fließt. Wer Aleppo kon­trol­liert, kon­trol­liert den „Schlüssel“ der Pipeline. Auf­fällig ist, dass die Kämpfe zwi­schen den Kon­flikt­par­teien ins­be­sondere an den wich­tigsten Punkten der Transport-Linien statt­finden, also in Rakka, Deir Ezzor, Aleppo, Idlib, Man­bidsch, in Hasaka, al-Bukamal, Ain Issa und al-Bab. 

In Homs und Hama finden eben­falls heftige Gefechte statt. Zuvor war Palmyra heftig umkämpft. Das wie­derum sind die Gebiete, durch die die Katar-Türkei-Pipeline ver­laufen soll, die in Planung ist.“

Die von Russland geplante Pipeline soll aus dem Iran durch den Irak nach Syrien (Homs) ver­laufen. Daher sitzen die Russen vor­zugs­weise dort und halten Homs.

Die Israelis, die eben­falls Gas durch Pipe­lines nach Europa liefern wollen, möchten das mit einer Pipeline aus Israel über Damaskus in die Türkei machen. Das wie­derum ist nicht im Interesse Russlands.

Die USA wie­derum beab­sich­tigen, den euro­päi­schen Ener­gie­markt mit einer Pipeline vom Per­si­schen Golf über Nordirak nach Nord­syrien und weiter durch die Türkei nach Europa hinein zu beliefern, was auch nicht im Interesse der Russen ist.

Die USA sind also in erster Linie nicht aus – wie immer vor­ge­scho­benen – mora­li­schen Gründen gegen Assad vor­ge­gangen, sondern, um in Syrien freie Hand zu haben und schalten und walten zu können, wie es ihnen beliebt, um ihre Pool-Position zu bauen. Es geht nicht um Giftgas und Unter­drü­ckung, sondern um Gas, Öl, Ener­gie­märkte und Markt­vor­teile. Gift­gas­mas­saker und rote Linien sind Requi­siten in dem Spiel, die man arran­gieren kann, wenn man gute Ver­bündete vor Ort hat.

Die gut infor­mierte Web­seite mint­pressnews schreibt:

„… from num­erous inter­views with doctors, Ghouta resi­dents, rebel fighters and their families, a dif­ferent picture emerges. Many believe that certain rebels received che­mical weapons via the Saudi intel­li­gence chief, Prince Bandar bin Sultan, and were respon­sible for car­rying out the dealing gas attack.“
Über­setzung: Aus zahl­reichen Gesprächen mit Ärzten, Bewohnern der Stadt Ghouta, Rebel­len­kämpfern und ihren Familien, ent­steht ein anderes Bild. Viele glauben, dass bestimmte Rebellen durch den sau­di­schen Geheim­dienstchef, Prinz Bandar bin Sultan, che­mische Waffen erhielten und für den betref­fende Gas­an­griff ver­ant­wortlich sind.

Auch der gestern berichtete, neu­er­liche Gas­an­griff, der wieder rein „mut­maßlich“ ist, ist nur ein Vorwand, dem geplagten und gebeu­telten Syrien die Dau­men­schrauben noch stärker anzu­ziehen, in der Hoffnung, dass es doch irgendwann zusam­men­bricht. Die Schicksale der Men­schen spielen im Energie-Monopoly keine Rolle.

Syrien hat einfach unge­heures Pech, genau da zu liegen, wo alle um ihren Vorteil im euro­päi­schen Ener­gie­markt kämpfen und ent­deckt dann auch noch Unmengen von Öl und Gas, das den anderen die Preise ver­dirbt. Zu glauben, ein Sturz Assads würde die Situation ver­bessern, ist illu­so­risch. Dann ginge es erst richtig zur Sache, Syrien würde in end­losen Kämpfen und unter schreck­lichen Opfern der Zivil­be­völ­kerung in Inter­es­sens­zonen aufgeteilt.