Der Gold­mün­zenraub von Berlin und die Sache in Zehlendorf

Sie schlichen nachts mit einer Leiter ans Ber­liner Bode-Museum, stellten sie auf und klet­terten hoch. Schwupp­diwupp Fenster auf und ein­ge­stiegen. Ihre Beute: Die größte Gold­münze der Welt, ein­hundert Kilo schwer. Am Mittwoch kam die Polizei nach Berlin-Neu­kölln und nahm die Ara­ber­bande hoch.

Das erinnert mich an einen der spek­ta­ku­lärsten Bank­raube der deut­schen Geschichte Mitte der 90er Jahre. Damals war ich Poli­zei­re­porter bei der Ber­liner Bou­le­vard­zeitung B.Z., als es plötzlich hieß: „Bankraub in Zehlendorf — Gei­sel­nahme“! Wir also nichts wie hin.

Vor Ort das übliche Chaos: Anwohner, Bes­ser­wisser, Reporter und die Polizei. Die Gangster hatten sich in der Bank ver­schanzt. Eine Ver­hand­lungs­gruppe nahm zu ihnen Kontakt auf. Nach und nach erschienen bekannte Per­sön­lich­keiten, u.a. die inzwi­schen ver­storbene Schau­spie­lerin Edith Hanke und fragten auf­fällig die Polizei, ob die Gangster auch die Schließ­fächer auf­ge­brochen hätten. Antwort der Beamten: „Woher sollen wir das wissen, war waren ja noch nicht drin.“ Auf­ge­regtes Hin-und-Her-Getrippel der Stars, immer wieder die gleiche Frage, immer wieder die gleiche Antwort. So verging die Nacht.

Sehr früh morgens, die Gangster müssen müde und vom Stress zer­mürbt gewesen sein, blies die Polizei zum Angriff und stürmte die Bank – doch sie fand dort nur die Geiseln, die Gangster waren mit der Beute weg und die Behörden in Erklärungsnot.

Tage später des Rätsels Lösung: Wochen vor dem Coup hatten die Gangster gegenüber der Bank bei einer Gärt­nerei eine Garage gemietet, fuhren mit einem VW-Bus immer mal wieder hinein. Wie die Polizei  fest­stellte – da waren die Gangster längst in Arabien — hatten die Männer nach dem Inhalt eines Mickey-Maus-Heftes gehandelt, in dem die „Pan­zer­knacker“ mittels eines Skate­boards arbei­teten. Und das funk­tio­nierte so: Zuerst wurde in den Boden der Garage ein Loch gegraben, später ein Schacht Richtung Bank. Den Aushub trans­por­tierten die Räuber, auf dem Rücken liegend, per Skate­board wieder Richtung Loch. Mehrere Monate nahm diese Arbeit in Anspruch. Der Erd­aushub wurde in Säcke gefüllt und diese mit dem Auto fortgeschafft.

In der Bank stemmten sie den Fuß­boden auf und war­teten auf die Ange­stellten, die sie als Geiseln nahmen. Die Geld­säcke und Klunker schafften sie auf gleichem Wege, rück­wärts auf den Skate­boards liegend, in die Garage und war­teten dort die Ent­wicklung ab. Als die Polizei die Bank morgens stürmte, ver­schwanden die Täter in einem Auto während des all­ge­meinen Durch­ein­anders mit der Beute. Der VW-Bus wurde wenige Kilo­meter weiter in einem Wald auf­ge­funden. Unterwegs hatten die Gangster das Fahrzeug gewechselt.

Die blassen „Herr­schaften“ von Zehlendorf schnappten nach Luft, die Polizei war in Erklä­rungsnot und die Araber längst über alle Berge.

Nach Tagen erhielt ich in der Redaktion einen Anruf eines Wirtes aus Berlin-Neu­kölln. „Kommen Sie mal vorbei, ich habe was zu den Tun­nel­gangstern zu erzählen.“

Als ich eintraf, tischte der Wirt eine Geschichte auf, die sich gewa­schen hatte. Seinen Worten nach waren die Bank­räuber Mit­glieder einer Theken-Fuß­ball­mann­schaft. Ein Mann­schafts­ka­merad las gern Comic-Hefte und kam eines Tages mit der Idee des Tunnels. Genau die gleiche Methode hatten in einem der Hefte die Pan­zer­knacker ange­wendet. Gesagt, getan und zufäl­li­ger­weise arbeitete wohl noch ein Bekannter der Fuß­baller in der Bank. Die Sache war perfekt.

Eine inter­na­tionale Fahndung nach den Tätern brachte zunächst nicht viel. Nach einigen Jahren hatten die Behörden aller­dings Erfolg, wobei nicht alle Kom­plizen dingfest gemacht werden konnten.