Gestern startete das Testprojekt zur automatischen, anlasslosen Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz, von Datenschützern und Anwälten misstrauisch beäugt und ein offensichtlicher, weiterer, deutlicher Schritt im Überwachungsstaat.
Zum Start des Projektes waren etwa dreihundert Testpersonen, die sich freiwillig gemeldet haben, Fernsehteams und Beamte der Bundespolizei vor Ort anwesend. Letztere dazu bereit und gebrieft, schöne Statements abzugeben.
So ganz fühlt man sich anscheinend nicht wohl mit der Bürgerüberwachung. Die Hersteller, drei Firmen, die die Technik für die Kameras und die Software zur automatischen Gesichtserkennung bereitstellen, werden zunächst nicht genannt. Man wolle die spätere Ausschreibung für die dann folgenden Großeinkäufe nicht korrumpieren. Das bedeutet, der Großeinsatz ist schon ausgemachte Sache. Dann werden die Herstellerfirmen doch bekanntgegeben: „DELL GmbH, ELBEX (Deutschland) GmbH und L‑1 Identity Solutions AG (OT Morpho).
Die Probanden, so wird erklärt, tragen Responder im Scheckkartenformat, die ein Signal abgeben, damit die Kameras sie identifizieren können und das Erkennen lernen. Eine hochauflösende Kamera filmt die Gesichter, eine Software vermisst die biometrischen Details des Gesichtes — also Augenabstand und Augengröße, Nasenlänge und ‑breite, Mund im Verhältnis Augen-Nase-Kinn – und vergleicht das Gesicht mit den in der Datenbank verfügbaren Bildern von Personen ab. Findet die Software ein „Match“, meldet das System der Bundespolizei: Person XY ist am Ort Z gesichtet worden.
Warum muss der Staat das wissen? Dreimal dürfen Sie raten. Bingo, gleich der erste Versuch: „Terrorismus“, genau. Gesuchte, mögliche Attentäter könnten so verhaftet werden, sogar an einem Terroranschlag gehindert werden, hofft die Polizei. De Maizière findet, das stärke das Sicherheitsempfinden der Bürger.
Der medienlesende Bürger bezweifelt es. Meistens erfahren wir nach einer Gewalttat mit Toten und soundsoviel Verletzten, es habe sich um den „polizeibekannten“ Mohammed X. gehandelt, der eigentlich schon längst hätte abgeschoben werden müssen, was sich wegen fehlender Papiere aber seit Monaten hinzog, den man auch als Gefährder auf dem Radar hatte, der sich auch in letzter Zeit „turboradikalisierte“, aber dennoch ungehindert frei herumlief – und dann irgendwann zugeschlagen hat.
Anis Amri, der Berliner Weihnachtsmarktattentäter, war der Polizei sehr genau bekannt und ganz klar ein akuter Gefährder. Die Überwachung wurde eingestellt, ja, im Nachhinein fälschten die Behörden noch in der Akte herum, um zu vertuschen, dass man einen brandgefährlichen Mann einfach sich selbst überlassen hat. Amri ist ein typischer Fall.
Bekanntermaßen leben solche Gefährder unter diversen Identitäten, haben seltenst Papiere, mit denen man sie identifizieren kann, aber: Wenn ein Terroranschlag auf dem Programm steht, sind sie in der Regel ja so kooperativ und lassen ihren Ausweis unbeschädigt am Tatort liegen. Was, so sinniert man nachdenklich, hülfe hier die Kamera?
Und welcher Selbstmordattentäter sollte sich davor fürchten, von der Kamera erkannt zu werden?
Überdies werden Kappe, Bart und Sonnenbrille es der Kamera und der Software nicht leicht machen, Mohammed X von Mohamad Y von Muhamed Z zu unterscheiden.
Brillen, stärkeres Make-up, Hüte, verschiedene Frisuren, hochgezogene Schals, eine heruntergezogene Hoody-Kapuze tricksen das ganze System schon aus. Eine Sonnenbrille setzt das System ziemlich sicher schachmatt. Um schnelle Ergebnisse zu erzielen, und tatsächlich einen gesuchten Terroristen innerhalb kurzer Zeit auch festzunehmen, erfordert eine relativ kleine Datenbank mit Bildern zum Abgleichen. Muss das Programm Millionen Bilder abgleichen, dauert das viel zu lange.
Was man aber wunderbar damit kann ist, Bewegungsprofile der Bürger zu erstellen. Und genau das kritisieren Datenschützer und Juristen. Der Deutsche Anwaltverein DAV kritisiert das Verfahren. Die anlasslose Gesichtserkennung samt Abgleich mit der Datenbank sei ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte, sowohl das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als auch der Schutz der Privatsphäre wird dadurch stark eingeschränkt. Für diese Überwachungsmassmahme gebe es keine Rechtsgrundlage. Besonders interessant: Die jüngsten Sicherheitsgesetze, die nach dem neuen Pass- und Personalausweisgesetz den Sicherheitsbehörden wie Polizei, Verfassungsschutz, Militärischem Abschirmdienst, BKAs, LKAs, und BND erlauben, auf die Ausweisbilder aller Bürger zuzugreifen und sie mit biometrischen Bildern zu vergleichen. Zusaätzlich wude vor wenigen Wochen ein weiteres, schwerwiegendes Überwachungsgesetz verabschiedet, mit dem die gesamte, digitale Kommunikation ausgelesen werden darf.
Die Kameras zur Gesichtserkennung haben bei bester Beleuchtung und vollkommen freier Sicht auf das Gesicht erfahrtungsgemäß eine Wiedererkennungs-Trefferquote von 60%. Bei Dämmerung oder schlechen Sichtverhältnissen etwa 10–20%.
Machen wir doch einfach einmal den Test mit zwei öffentlich sehr bekannten Bildern des erwähnten Anis Amri. Das rechte Bild stammt aus der Duldungsbescheinigung des Herrn Amri. Selbst bei guter Ausleuchtung würde man die Person links nicht unbedingt für die Person rechts auf dem Bild halten. Welche Kamera hätte ihn abends im Dunkeln auf dem Weg zum Weihnachtsmarkt hinter einer Lastwagen-Windschutzscheibe identifizieren können?
Sprache ist verräterisch: Die Überwacherei mag, de Maizière zufolge, bei manchen das SicherheitsEMPFINDEN stärken. Die Sicherheit erhöhen wird es nicht. Vielleicht findet man Ihren Mörder dadurch später leichter und kann ihre Leiche schneller identifizieren, aber schützen kann das System sie nicht. Dazu müssen Sicherheitskräfte vor Ort sein, die hier und jetzt in der Lage sind, Täter von der Straftat abzuhalten.
Wer in London einen Stadtbummel macht, wird an allen Ecken und Enden gefilmt. So schön die Stadt ist, aber man fühlt sich dort überall beobachtet und überwacht, wie in einem Luxus-Freiluftgefängnis. Die Kriminalität ist dort trotzdem sehr hoch. Gerade die Kriminellen sind dort längst an die Kameras gewöhnt, kleiden sich so, dass sie nicht identifiziert werden können, haben ihre Handys in speziellen Metall-Etuis und tun, was sie wollen.
Auf der Antifa-affinen Webseite indymedia kann man gut erkennen, dass das Autonome Klientel natürlich aus nicht erklärungsbedürftigen Gründen richtig Wut auf solche Überwachungstechnik schiebt. Heute ist das noch kein Problem für die Herrschaften Antifas, da sie ja den vollen Schutz und Geldsegen des Links-Staates genießen. Es mag ihnen aber bereits dämmern, dass sich das in nicht allzuferner Zukunft grundsätzlich ändern könnte, und sie dann zu Staatsfeinden erklärt und gejagt werden würden. Wenn ein Staat flächendeckend mit solchen Systemen ausgestattet ist, geht das wunderbar. Die linken Gewalttäter können sich dann kaum, und schon gar nicht in Grüppchen unentdeckt zum „Einsatzort“ und wieder weg bewegen.
Daraus aber zu folgern, dass deshalb die Überwachungstechnik eine feine Sache sei, ist zu kurz gedacht.
Wenn sich die schon drückenden Probleme in Deutschland weiter zuspitzen, und die ganz normalen Bürger ihren Protest und ihre Not auf die Straße tragen und demonstrieren, oder wer wegen Hassrede gesucht wird, der ist genauso von diesem Überwachungs- und Verfolgungssystem bedroht. Das System wird alle Mittel nutzen, um sich an der Macht zu halten, und das „Sicherheistempfinden“ den biometrischen Kameras gegenüber wird in eine Ausgeliefertsein umschlagen. Wenn am nächsten Morgen die Arbeitsstelle weg ist, weil die Staatsmacht sich beim Arbeitgeber gemeldet hat, dann mag manchem Naivling, der stolz „ICH habe nichts zu verbergen“ schmettert, ein Seifensieder aufgehen.
https://www.youtube.com/watch?v=NEUbtA7wVsE