Causa Dave Möbius: Jo Conrad und Angela Masch ver­ur­teilt, aber keine Gerech­tigkeit geschehen

Hanno Vol­lenweider im Interview mit Jo Conrad zum Prozess im Fall “Dave Möbius” am 15. August und seiner Verurteilung.

Jo, Du hattest ja einen Gerichts­termin am 15. August, wie ist der gelaufen?

Jo Conrad: Inter­essant. Zunächst sind die Urteile natürlich frus­trierend, waren aber zu erwarten. Angela Masch wurde zu sechs Monaten Haft ver­ur­teilt und ich zu einer Geld­strafe von 70 Tages­sätzen. Das ganze Ver­fahren war aber im Grunde deshalb inter­essant, weil es auf­ge­zeigt hat, wie groß die Angst des Gerichtes war, dass die Öffent­lichkeit dabei war. Es waren nämlich ca. 50 Zuschauer in einem Gerichtssaal, in den eigentlich nur ungefähr 35 passen. Man hatte offenbar große Angst, dass jemand die Ver­handlung auf­zeichnet. Die Zuschauer wurden zweimal gefilzt. Ich selbst sogar dreimal. Das war so absurd, da der Pro­zess­beginn um 9 Uhr war, es sehr aber lange dauerte, bis alle Zuschauer durch die strengen Kon­trollen durch­ge­schleust waren. Und trotzdem ver­mutete man, dass doch irgend­jemand Auf­zeich­nungs­geräte dabei hatte. Also mussten wieder alle den Saal ver­lassen, und wurden nach erneuter Durch­su­chung wieder einzeln nach­ein­ander ein­ge­lassen. Wir, das heißt Angela Masch und ich, standen immer noch draußen — da hieß es, es kommt keiner mehr rein. Nach fünf Minuten haben die dann gemerkt, dass die Ange­klagten gar nicht da waren und mussten uns beide dann her­ein­holen. Das war schon witzig. Und zur Urteils­be­gründung ließ der Richter den Saal räumen.

Unglaublich. Da kann man doch sicher was machen …

Ja, das prüfen wir, ob man das Urteil nicht kom­plett anfechten kann wegen Aus­schluß der Öffent­lichkeit usw. Berufung auf alle Fälle!

Das geschieht ja alles innerhalb des Rechts­systems. Du kennst aber auch ganz andere Ansichten. Es sagen ja viele, dass man sich nicht hin­setzen soll, wenn man vor Gericht steht, weil dann das Ver­fahren nicht eröffnet werden kann. Wie bist du damit umgegangen?

Jo Conrad: Nun, ich kenne eine Menge solcher Rat­schläge, auch viel wei­ter­ge­hende, weil tat­sächlich das Gericht ein pri­vates Gericht ist, und eigentlich nicht über uns urteilen kann.

Dennoch haben wir uns gesagt, es nützt nichts, nicht hin­zu­gehen, weil man ja gar nicht ordentlich geladen wurde, oder sich nicht hin­zu­setzen, oder sonst etwas zu ver­suchen. Wir haben ja tat­sächlich einiges ein­ge­bracht aus den Rechts­kreisen der des kom­mer­zi­ellen Rechts und des Natur­rechts, aber der Richter verwarf das alles.

Wir haben vieles ver­sucht und es läuft auch noch einiges. Aber wir wollten auch zeigen, dass das System feh­lerhaft ist.

Meiner Ansicht nach nützt es nichts, zu sagen „die können mir ja nichts, weil ich ein Mensch bin, und nur die Person vor­ge­laden haben.“ Wenn z.B. jemand bei mir ein­ge­brochen hat, möchte ich natürlich auch, dass die Polizei ermittelt und der Ein­brecher vor Gericht gestellt wird. Und was nützt dann, wenn der wie­derum sagt „ich bin Mensch, das Gericht hat mir nichts zu sagen.“ Wir brauchen ein funk­tio­nie­rendes Rechts­system, und wir haben hier, in diesem Fall, sehr schön gesehen, dass dieses System nicht mehr funktioniert.

Das machen wir öffentlich, denn es geht um sehr viele Unrechts­fälle, gerade um Fälle mit dem Jugendamt und um das Wohl der Kinder. Das hat nämlich hier, in der Recht­spre­chung, über­haupt keine Rolle gespielt. Hier kam deutlich die all­gemein vor­herr­schende Ansicht des Gerichts zum Vor­schein, nur der Staat habe die Hoheit über das Wohl der Kinder.

Kannst du kurz zusam­men­fassen, was pas­siert ist?

Jo Conrad: Ja, gern. Vor zwei Jahren ist ein Junge, Dave Möbius, aus einem privat geführten Heim weg­ge­laufen. Offenbar haben sich Men­schen bemüht, jemanden zu suchen, wo er unter­kommen kann, denn er wollte kei­nes­falls zurück ins Heim. Er berichtete über schwere Miss­hand­lungen dort. Auch ich wurde online ange­fragt, und es meldete sich eine Angela Masch online bei mir. Sie war bereit, den Jungen auf­zu­nehmen. Das Angebot habe ich online an den Vater des Jungen wei­ter­ge­geben. Dar­aufhin ist der Junge anscheinend zu Angela Masch gekommen. Dort war er drei Wochen. Dass diese Kom­mu­ni­kation mir als Bei­hilfe zur Ent­ziehung Min­der­jäh­riger aus­gelegt wird, finde ich schon sehr seltsam. Es war von mir lediglich Hilfe für einen Jungen, damit er nicht auf der Straße landet.

Bei Angela Masch ist Dave auf­ge­blüht, und es ging ihm sehr gut, davon gibt es Videos, die die Angela gemacht hat. Dass sie nun dafür bestraft wurde, sich nicht ans Jugendamt gewendet zu haben, ist erschre­ckend. In dem Prozess wurden auch Zeugen vom Jugendamt und der Polizei vor­ge­laden. Aus dem gesamten Pro­tokoll der Durch­su­chung bei Angela Masch, von wo aus der Junge wieder mit­ge­nommen wurde, geht hervor, wie schrecklich das für den Jungen war, von der Polizei abgeholt zu werden.
Er hatte auch von Miss­bräuchen im Heim berichtet. Überdies auch von Miss­bräuchen seiner Schwester, dass sie getrennt von ihm in einem anderen Heim miss­handelt wird, dass sie bei­spiels­weise nicht alleine duschen durfte oder dass ihr die Betreuer zwi­schen die Beine gegriffen haben. All diese Dinge haben weder den Richter, noch den Staats­anwalt, noch die Poli­zisten inter­es­siert. Jeder Antrag wurde abge­lehnt. Auch der Antrag zur Ver­nehmung von Dave Möbius selber wurde abge­lehnt, wie auch unsere Anträge, die Zeugen zu ver­ei­digen. Wir konnten aber dennoch deutlich machen, dass es zum Schutz für den Jungen dringend nötig war, ihn nicht dem Jugendamt aus­zu­liefern, da ja die vorigen Miss­bräuche, auf die sein Ver­halten bei Angela Masch hin­weist, gerade in der Obhut des Jugend­amtes geschehen sind. Es bestand daher ein drin­gender Bedarf, ihn davor zu schützen.

Wir haben die Poli­zisten auch gefragt, warum sie nach Kenntnis der Zustände in diesem pri­vaten Heim, ihn dennoch mit fünf Poli­zisten von Angela Masch weg­geholt haben, und ihn wieder der Obhut des Jugendamt über­stellt haben. Die Poli­zisten haben offenbar diese Frage nicht ver­standen, das heißt, alle schienen davon aus­zu­gehen dass — auch wenn es Fehler im Jugendamt geben kann — trotzdem die Ent­scheidung den Behörden obliegt, was das Beste für das Wohl des Kindes ist.

In einem idealen Staat, wo das Jugendamt tat­sächlich sich um das Kin­deswohl kümmert, wäre das viel­leicht auch sinnvoll. Aber es liegen so viele Fälle von Miss­bräuchen des Systems vor und das bei einer unglaublich großen Zahl von Kindern, die ihren Eltern weg­ge­nommen werden … es sollen bis zu 70.000 Fällen sein. Es haben sich mög­li­cher­weise dadurch eigene Struk­turen gebildet, denn mit diesen Heimen, Gut­achtern usw. wird eine Menge Geld verdient.

Was wirft man Dir denn genau vor?

Jo Conrad. Sagen wir so: Wenn Du mich fragen würdest: „Jo, meine Tochter hat Neu­ro­der­mitis, kennst Du da jemanden, der helfen kann?“ Und ich würde sagen, „Ich höre mich mal um. Wo wohnst Du denn, dass man viel­leicht jemanden in der Nähe findet?“ Du sagst Köln, ich sage, „ich höre mich mal um, gebe das an ein paar Leute, von denen ich weiß, dass sie sich ein bisschen mit Gesundheit befassen.“ Dann meldet sich ein Fuzzi4711 bei mir und sagt „Hab gehört, da hat jemand Neu­ro­der­mitis. Also, ich hab meine weg­ge­kriegt.“ Ich sage, okay, danke, ich leite das mal weiter. Und schick Dir dann den Kontakt zu Fuzzi4711.
So, das war’s.
Nun werde ich zu 70 Tages­sätzen a 60 Euro ver­ur­teilt wegen Bei­hilfe zu einer Falschbehandlung.
Ver­stehst Du jetzt, was ich getan habe?

Ich kannte ja schon den Fall Antonya, die aus dem Heim floh und in Bewusst.tv darüber berichtet hat. Die Eltern wohnten in Worpswede und ich war dort, in deren moderner, sau­berer Wohnung. Nichts von „Asi“. Aber Antonya wurde VON DER RICH­TERIN aus der Schule abgeholt und ins Heim gebracht. Es geht darum, daß auch aus einer völlig intakten Familie auf einmal die Kinder weg­geholt werden können, und es jeden treffen kann.

Warum hatte der Vater von Dave Möbius kein Sor­ge­recht?

Wir haben jetzt her­aus­ge­funden, dass es wirklich unfassbar ist, warum: Es gab eine Sendung in Frontal 21 über Gut­achter in Fami­li­en­pro­zessen, und In dieser Sendung wurde aus­führ­liche über Mat­thias Möbius berichtet. Ihm wird seit Jahren sein Sohn ent­zogen, weil er aus der DDR stammt! Ernsthaft!
Ein Gut­achter schrieb, dass jemand, der in einem auto­kra­ti­schen System auf­wächst, psy­chische Pro­bleme ent­wi­ckeln könnte. Trotz dieser Absur­dität folgte das Fami­li­en­ge­richt diesem Gut­achten und der Vater erhielt Kon­tak­verbot zu seinen Kindern, weil er aus Karl-Marx-Stadt stammt.

Es gab nichts weiter, als dieses Gut­achten auf­grund der DDR-Ver­gan­genheit, um ein totales Kon­takt­verbot zu seinen Kinder zu beschließen. Der Gut­achter war noch nicht einmal staatlich geprüft. Jeder kann Gut­achter werden. Das Fami­li­en­ge­richt folgte dem Gut­achten, Kinder weg, totales Kon­takt­verbot. Natürlich war es besser for­mu­liert, so, dass es schon so klang, als könne es einen psy­cho­lo­gi­schen Zusam­menhang geben. Es ist so unglaublich.

Wie geht es Dir damit?

Jo Conrad: Nun, zuerst dachte ich, okay, bin mit ’nem blauen Auge davon gekommen. Inzwi­schen bin ich guter Dinge, dass es in der Berufung nicht so leicht werden wird, uns zu ver­ur­teilen. Wir können anhand dieses schier unglaub­lichen Falles schön auf­zeigen, dass wir nur helfen wollten. Dass Angela dafür ins Gefängnis soll, das ist für viele kaum nach­zu­voll­ziehen. Und je mehr man sich damit befasst, umso mehr zeigt sich, dass sich die Justiz bla­miert hat.

Denn, auch wenn sie uns ver­ur­teilt haben, ist damit keine Gerech­tigkeit gesprochen werden. Und da zeigen sich auch deutlich die Fehler im System:
Gut­achter, die aus der Ferne über Familien urteilen, sie aus­ein­an­der­reißen, Miss­hand­lungen in Obhut, die die Justiz nicht inter­es­sieren, und dass Men­schen, die menschlich handeln, vor Gericht gezerrt werden. Die Ver­handlung selbst war eine Farce, wie im Hoch­si­cher­heits­trakt … wovor haben die Angst? Viel­leicht vor uns, weil wir uns nicht ein­schüchtern lassen und alles öffentlich machen.