Glo­bales Geld­system am Ende: Was dürfen wir darüber wissen?

Zwei Männer, zwei Spe­zia­listen der Kapi­tal­märkte, zwei erfolg­reiche Publi­zisten. Auf der einen Seite der US-Ökonom und ehe­malige IWF-Chef Kenneth Rogoff, auf der anderen Seite Thorsten Schulte, Betreiber des Blogs silberjunge.de, und Autor der Amazon Best­sellers „Kon­troll­verlust“. Der eine weltweit gefeiert für seine Out-of-the-box-Denke, der andere vor allem im deutsch­spra­chigen Raum bekannt, behördlich schi­ka­niert (drei Betriebs­prü­fungen in drei Jahren) und medial regel­mäßig zer­rissen, im besten Fall ignoriert.

(Ein Gast­beitrag von Frank Jordan)

Das Ver­rückte an der Sache: Sie sagen beide das­selbe. Das globale Geld­system ist am Ende. Die Oppor­tu­nismus-Politik von Regie­rungen und Zen­tral­banken ist gescheitert, das Erschei­nungsbild der Sta­bi­lität des glo­balen Geld­systems ist nur äußerlich. 

Pulver ver­schossen, Hose auf Knö­chelhöhe, Zukunft ungewiss. Der Unter­schied: Während Schulte seit Jahren dafür plä­diert, das Übel an der Wurzel zu packen, Zen­tral­banken und Politik, die uns an diesen Punkt geführt haben, an die Kandare zu nehmen und zu ent­machten und den Bürgern mehr indi­vi­duelle Freiheit und Ver­ant­wortung zurück­zu­geben, steht Rogoff für ein reso­lutes Mehr-Des­selben. Mehr Macht und Spielraum für Politik und Zen­tral­banken, weniger Freiheit und mehr Zwang für die Bürger.

Dass der eine zu Boden und in den Ruin geschrieben und schi­ka­niert wird, während der andere längst eine Art Hei­li­gen­status genießt, beant­wortet jede Frage danach, wem das System dient. 

Der aktuelle Stand: Während Schulte am ver­gan­genen Freitag vom staat­lichen Gewalt­mo­no­po­listen eine Anzeige wegen übler Nachrede kas­sierte, wird Rogoff im Journal of Eco­nomic Per­spec­tives groß­zügig Platz ein­ge­räumt, um seine Visionen aus­zu­breiten. Grund genug, sich diesen Aufsatz genauer anzusehen.

Und man stellt fest: Während die Main­stream-Presse, die Rogoff und seine Ansichten the­ma­ti­siert, sich darauf beschränkt, das Schreck­ge­spenst des Bar­geld­verbots in Steter-Tropfen-Manier zur Gewöhnung der Bür­ger­schaft an die Wand zu malen, sind Rogoff und Kon­sorten längst weiter. Natürlich wäre es auch ihm und nahe ste­henden Insti­tu­tionen wie dem IWF und dem glo­balen Zen­tral­ban­ken­kartell am liebsten, zwecks glat­teren Durch­re­gierens das leidige Cash sofort abzu­schaffen. Aber das ist gar nicht mehr nötig. Das einzige, was es braucht, ist eine Ver­schiebung – die Schaffung der tech­ni­schen Mög­lich­keiten, die es erlauben, Bargeld und Freiheit zu ersetzen durch die Illusion von Bargeld und Freiheit.

Warum das? Weil, wie Rogoff frei­mütig schreibt, wir uns heute an dem­selben Punkt befinden, an dem man zum Ende des Bretton-Wood-Systems des gold­ge­bun­denen Dollars und der dol­lar­ge­bun­denen Wäh­rungen stand. Das System erlaubte es den Staaten nicht, sich so zu ver­schulden, wie sie das gerne wollten. Resultat: Das System wurde geändert, der Gold­standard abge­schafft der Oppor­tu­nismus- und Inter­es­sen­po­litik Tür und Tor sperr­an­gelweit geöffnet. Heute heißt dieser Brems-Punkt, der die Zen­tral­banken und Regie­rungen daran hindert, sich zwecks Macht­er­halts via Mehr­heitskauf noch absurder zu ver­schulden, als man es bereit ist, und die Bürger auf „legalem Weg“ zu ent­eignen, Null-Zins-Linie. Denn im Gegensatz zu Jannet Yellen, die unlängst ver­kündete, zu unseren Leb­zeiten seien neu­er­liche Finanz­krisen aus­ge­schlossen, spricht der heute von amt­lichen Pro­to­kollen befreite Rogoff von Tur­bu­lenzen, Krisen und die Mög­lichkeit einer glo­balen Rezession in naher Zukunft. Und weiter:

Sollten die Zen­tral­banken und Regie­rungen sich auf dem Rücken ihrer Bürger bis dahin nicht die Mög­lich­keiten geschaffen haben, via massive Negativ-Zinsen (aka Ent­eignung) auf das Ver­mögen der von ihnen Ver­tre­tenen zuzu­greifen, dann droht der totale Funk­ti­ons­ausfall des gesamten Systems.

Rogoffs Vor­schlag: Sala­mi­taktik. Schritt für Schritt, Jahr für Jahr, Stück für Stück so die Freiheit ein­schränken, dass der Bürger es gar nicht mehr merkt. Schließlich habe man es ja auch geschafft, dem Plebs ein­zu­trichtern, zwei Prozent Inflation seien das „mora­lische Äqui­valent zu Preis­sta­bi­lität“ und es spreche nichts dagegen, das­selbe zu tun, wenn es um ein Infla­ti­onsziel von vier Prozent gehe, um die Ver­bre­chens- und Ter­ro­ris­mus­be­kämpfung durch Abschaffung zuerst großer und dann stets klei­nerer Bank­noten und um die För­derung elek­tro­ni­schen und damit überwach- und kon­trol­lier­baren Konsumverhaltens.

Kommt uns das bekannt vor? Jawohl – wir sind längst mitten drin in der Scheibchen-Stra­tegie. Und die Mehrheit der Leute schluckt es, igno­riert es oder denkt sich, die offi­ziell zwei Prozent Inflation oder die Negativ-Zinsen auf Spar­gut­haben fielen ja doch nur für die „reichen Säcke“ ins Gewicht. Damit dies so bleibt, damit die einer­seits stets zahl­reicher wer­denden Staats­ab­hän­gigen ruhig gestellt und die Sys­tem­pro­fi­teure am anderen Ende der Skala einen Nutzen davon haben – auch dafür ist vor­ge­sorgt: Erstere werden im Negativ-Zins-Paradies bis zu einem Gut­haben von 1000 Euro von staatlich finan­zierten Null-Zins-Konten pro­fi­tieren (man lasse sich dieses gro­teske Wort­monster auf der Zunge zer­gehen!), letztere werden via stei­genden Aktien- und Immo­bi­li­en­preisen abkas­sieren. Dass in diesem Sze­nario einmal mehr jene die Zeche zahlen werden, die sich und ihren Kindern mit ihrer Arbeit über Jahre und Jahr­zehnte eine Kriegs­kasse geschaffen haben, die zwar nicht groß genug ist, sich eine Inves­ti­tions-Immo­bilie zu leisten, aber zu wichtig, um sie an der Börse aufs Spiel setzen, ver­steht sich von selbst und ist Rogoff keine Zeile wert. Im Gegenteil: Wer von Ent­eignung der Sparer rede denke nicht groß genug und sei naiv.

Da denkt man doch lieber gleich weiter und widmet sich statt­dessen der großen Illusion. Stichwort: Duales Wäh­rungs­system. Lasst dem Plebs das Bargeld, aber macht es ihm so richtig madig. Bargeld und elek­tro­ni­sches Geld werden wie zwei unter­schied­liche Wäh­rungen behandelt. Wer von seinem Konto künftig Geld beziehen will, muss bei dieser Trans­aktion elek­tro­ni­sches Geld in Bargeld tau­schen. Darauf gibt es einen Wech­selkurs, den die Zen­tralbank fest­legen kann. Schöne neue Welt. Oder eine andere Spielart: Bank­noten werden mit Magnet­streifen ver­sehen, die die Anzahl Tage messen, während denen sie nicht im elek­tro­ni­schen Geld-Kreislauf waren. Für jeden Tag gibt es eine kleine Strafe. Und wer so blöd ist, Bargeld zu horten, wird irgendwann, wenn er es wieder ein­zahlen will, massiv weniger dafür erhalten, als im dem Moment, als er die Note erhielt.

Ein Schelm, wer da denkt, das Schreck­ge­spenst Bar­geld­verbot würde absichtlich gepflegt. Und zwar solange, bis alles andere als das kleinere Übel dasteht, als das man es uns ver­kaufen will. Man weiß es nicht. Und auch Rogoff gibt ehr­li­cher­weise nicht vor, mehr zu wissen, als dass das kranke und gelähmte System durch seine Vor­schläge ein wenig Zeit gewinnt. Es ist beängs­tigend und bezeichnend zugleich, wenn er seine Werk­zeuge und ihre Wirkung mit den über­ra­schenden Kon­se­quenzen ver­gleicht, die ein Objekt bei Annä­herung an ein Schwarzes Loch zeigt.

Wie schützen wir uns? Die Antwort bringt einem zurück zum oben erwähnten Ver­gleich Schulte-Rogoff. Während der eine Wissen, Energie und Renommee dazu ein­setzt, das System so „sauber und elegant“ wie möglich vor dem Bürger zu schützen, plä­diert der andere für Selbst­ver­ant­wortung und findet ein­fache, klare Worte: Wer – unge­achtet der Höhe der Summe – nicht etwas Gold und Silber kauft, ist am Tag X selber schuld.

Allen indes, die Cryp­to­wäh­rungen als eine Art alter­na­tiven sicheren Hafen ansehen, denen sei das ent­spre­chende Arbeits­papier und die darin ent­hal­tenen Bedenken des IWF ans Herz gelegt. Kurz: Die Ein­führung und Ver­breitung pri­vater Crypto-Wäh­rungen könnte die Nach­frage nach Zen­tralbank-Geld unter­graben und die regu­lative Geld­po­litik behindern. Die Bedro­hungen des Systems seien zwar auf­grund der Ein­schrän­kungen der vir­tu­ellen Wäh­rungen kurz­fristig nicht gegeben, aber mit­tel­fristig könnte sie relevant werden. Die Lösung laut IWF-Papier: Eine eigene digitale Währung der Zen­tral­banken (CBDC). Private digitale Wäh­rungen könnten so ver­hindert oder zumindest im Zah­lungs­system in den Hin­ter­grund gedrängt werden.

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