Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz trifft den tschechischen Vizepremier Andrej Babis. Wien, 13.02.2015, Foto: Dragan Tatic. Bildquelle: flickr.com, Bildlizenz: CC BY 2.0 Generic

Tsche­chien: Wieder hat ein „böser Populist“ gewonnen — Doch wer ist Andrej Babiš?

Der ver­gangene Sonntag sprengte ein wei­teres Loch in das brö­ckelnde Fun­dament der EU. Dank Merkels Politik nimmt der viel­ge­schmähte „Rechtsruck“ weiter Fahrt auf, und die Ära der Linken geht immer sicht­barer dem Ende zu.

Da können die Main­stream­m­edien ätzen und toben — (selbst ein ansonsten eini­ger­maßen neu­trales Medium, wie n‑tv, titelte „Populist Babiš greift nach der Macht“ und spielt so mit der Kon­no­tation „Macht­er­greifung“ und „Adolf Hitler“). Doch mit dem „tsche­chi­schen Donald Trump“ ist eine wieder eine weitere, wichtige Weiche in Richtung Zerfall der EU und zurück zu natio­naler Politik gestellt worden. In Öster­reich hat mit Sebastian Kurz eine Woche vorher ein dezi­diert nicht-linker Kan­didat gewonnen – und wird umgehend als „Baby-Hitler“ beleidigt.

Außerdem, fast unbe­merkt, haben nach Brexit und Kata­lonien-Refe­rendum nun auch die zwei nord­ita­lie­ni­schen, halb­au­to­nomen Regionen Venetien und Lom­bardei Refe­renden abge­halten, mit deutlich über 90% für wei­ter­ge­hendere Auto­nomie. Schottland, Süd­tirol, Bas­kenland u.a. fangen eben­falls an, laut nachzudenken.

Nun hat die Presse also Andrej Babiš in der Reiß’n. Der tsche­chische Mil­li­ardär hat mit seiner Pro­test­be­wegung ANO (deutsch „Ja“ und gleich­zeitig Akronym für „Aktion unzu­frie­dener Bürger“, tsche­chisch Akce nes­po­ko­jených občanů) mit 30,4% einen klaren Sieg  ein­ge­fahren und ist mit Abstand stärkste Partei. Mit einem Stim­men­zu­wachs von etwa 60% zur Vorwahl konnte er die Sozi­al­de­mo­kraten (CSSD) weit hinter sich lassen. Bei der Letzten Wahl noch eine Volks­partei mit 20,5% stürzten sie auf 7,5% ab.

Inter­essant: Es gab Rechts­außen-Kon­kurrenz für Babiš. Der Unter­nehmer Tomio Okamura (SPD) trat mit einem pro­non­ciert islam­feind­lichen Pro­gramm an: „Wir werden jedwede Isla­mi­sierung Tsche­chiens stoppen!“. Mit einem Stim­men­anteil von 11% konnte der Rechts­außen sogar die CSSD deutlich überholen.

Der gebürtige Slowake und ehe­malige Kom­munist Babiš ist kein Neuling auf dem poli­ti­schen Parkett. Er wuchs in Genf auf, sein Vater versah als Diplomat dort seinen Dienst, der kleine Andrej ging dort zur Schule, später wurde der Vater – und damit die Familie – nach Paris ver­setzt. Als Erwach­sener war Andrej Babis sehr erfolg­reich im Außen­handel und lebte eine Zeitlang in Marokko. Mög­li­cher­weise aus wahl­tak­ti­schen Erwä­gungen und/oder aus Liebe hei­ratete er im Juli nach 23 Jahren seine Lebens­ge­fährtin mit einem großem Fest. Er hat mit ihr zwei Kinder und zwei weitere, erwachsene Kinder aus erster Ehe. Man sagt, er habe Sprach­un­ter­richt genommen, um ein­wand­freies Tsche­chisch zu sprechen. Sobald er sich aber aufrege und fluche, feiere seine Mut­ter­sprache ein furioses Comeback.

Der 5 Mil­li­arden Euro schwere Unter­nehmer vertrat im Wahl­kampf harte, euro­skep­tische Posi­tionen und punktete ins­be­sondere mit dem Pro­gramm einer klaren Kante gegen Merkels Flücht­lings­po­litik und die Umver­teilung der Migranten auf alle EU-Länder. Daraus ergibt sich fol­ge­richtig ein Regie­rungs­pro­gramm strin­genten Wider­standes gegen eine wei­ter­ge­hende EU-Inte­gration. Dass er haupt­sächlich mit dieser großen Linie seiner beab­sich­tigten Politik bei den Wählern punktete, lässt Rück­schlüsse auf den Zustand der EU und deren Zukunft zu.
Um es kurz und prä­gnant zu sagen: Überall, wo die Bürger wählen dürfen, geht der Trend in diese Richtung.

Bei der letzten Wahl 2013 war Babiš mit seiner Pro­test­be­wegung schon zur zweit­stärksten Kraft avan­ciert. Er ist ein höchst erfolg­reicher Geschäftsmann und kün­digte an, Tsche­chien „wie eine Firma“ lenken zu wollen. Er will einen „schlanken Staat“, der sich in die Akti­vi­täten und Frei­heiten seiner Bürger mög­lichst wenig ein­mischt, die Daseins­für­sorge des Staates aber kon­se­quent auf­recht­erhalten. Durch die Umwandlung in einen „Nacht­wäch­ter­staat“ will Babiš die Büro­kratie ein­dämmen, Inno­va­tionen und Unter­neh­mer­geist stärken, die Staats­aus­gaben für Büro­kratie, Ämter und Behörden senken. Bei seinem Wahl­kampf ver­sprach er, im Falle der Regie­rungs­über­nahme das „kor­rupte Kli­en­tel­system“ zu bekämpfen.

Die Main­stream­m­edien Europas werden nicht müde, eine gegen ihn anhängige Ermittlung wegen mut­maß­lichen EU-Sub­ven­ti­ons­be­truges ins Feld zu führen, die seine Gegner während des Wahl­kampfes the­ma­ti­sierten. Genau, wie in Deutschland im Umgang mit der AfD, lehnen auch in Tsche­chien — trotz des klaren Wahl­sieges — einige Par­teien die Zusam­men­arbeit mit der ANO ab. Auch hier wird der ANO Demo­kra­tie­feind­lichkeit unter­stellt. Dass damit das Votum von über 30% der Bevöl­kerung igno­riert wird, tut dem Kampf gegen ANO und für die Demo­kratie jedoch keinen Abbruch.

Der tsche­chische „Donald Trump“ war der größte tsche­chische Unter­nehmer in Deutschland. Eine deutsche Groß­bä­ckerei-Kette und ein Stick­stoffwerk in Sachsen-Anhalt gehören ihm.

Babiš verfügt über Mög­lich­keiten, die sein ame­ri­ka­ni­scher Mil­li­ar­därs­kollege nicht hat. Während Trump in den USA von den ein­ge­fleischt linken, vor­ein­ge­nom­menen Demo­kraten-Medien bei jeder Gele­genheit nie­der­ge­schrieben wird, ist Babiš medial phan­tas­tisch auf­ge­stellt. Selbst Silvio Ber­lusconi könnte noch von ihm lernen. Babiš ist Gründer eines großen Fir­men­im­pe­riums, dem mehrere große Tages­zei­tungen des Landes ange­hören, wie „MF Dnes“ (MF Heute) und „Lidové noviny“ (Volks­zeitung) und der belieb­teste private Radio­sender. Damit ist Babiš bestens auf­ge­stellt und kann seine Pro­pa­ganda-Abteilung wirksam ein­setzen, um seine Politik zu flankieren.

Und sein Pro­gramm, Tsche­chien nach vorne zu bringen, ist ambi­tio­niert. Neben einer Peti­tesse, wie einen „schlanken Staat“, will er top­mo­derne Hoch­ge­schwin­dig­keitszüge zwi­schen allen großen Städten, kos­ten­loses Internet überall und für alle, saubere Luft, intakte Umwelt und die Bei­be­haltung der tsche­chi­schen Krone statt Ein­führung des Euro. Hatten viele noch gehofft, ein Mil­li­ardär und erfolg­reicher Unter­nehmer denke als solcher global, Euro-affin und unter­neh­mens­freundlich, beschied er dies bündig mit dem Aus­spruch „Natürlich wäre das (die Ein­führung des Euro) für die Unter­nehmen gut, denn sie müssten nichts absi­chern und wären auf sicherem Kurs. Aber für den Staat wäre es nicht gut.“

Doch bei aller Kritik an der EU, Merkel, der Flücht­lings­po­litik und dem Euro: An einen Aus­tritt aus der EU denkt Babiš nicht. Einen „Czexit mit Sicherheit nicht“ machte er klar. Ebenso klar sei aber ein Stopp der ille­galen Migration. Europa sei voll­kommen unfähig, dieses Problem zu lösen. Er will die „Para­siten von den­je­nigen trennen, die arbeiten“ und hat kein Problem, Migranten aus der Ukraine, der Slo­wakei und ähn­lichen Ländern als Arbeits­kräfte aufzunehmen.

Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Andrej_Babi%C5%A1

https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/afxline/topthemen/hintergruende/article169918054/Milliardaer-der-sich-Respekt-verschaffen-will.html

http://www.spiegel.de/politik/ausland/andrej-babis-in-tschechien-triumphiert-die-aktion-unzufriedener-buerger-a-1174103.html

http://www.n‑tv.de/politik/Populist-Babis-greift-nach-der-Macht-article20091796.html