Unre­gu­lierte Spe­ku­lation mit fik­tiven Werten — Das gefähr­liche Spiel mit dem Bitcoin

Beinahe unauf­haltsam steigt der Bitcoin von Rekord zu Rekord. 8.200 US-Dollar ist eine dieser Com­pu­ter­be­rech­nungen inzwi­schen wert, allein 2017 hat sich der Kurs mehr als ver­acht­facht. Eine For­schungs­studie der Royal Society gibt nun aller­dings Anlass zur Sorge. Tech­no­lo­gisch heißt es dort, sei der Bitcoin inzwi­schen von vielen Wett­be­werbern überholt worden. Das dürfte ein böses Erwachen geben.

(Von Oliver Götz)

2017 – so zumindest sieht es derzeit aus – wird zum Jahr der Jahre für den Bitcoin. Die Digi­tal­währung befindet sich auf einem beinahe unglaub­lichen Höhenflug. Seit Jah­res­beginn hat sich der Wert des Bitcoin von zirka 1.000 US-Dollar auf inzwi­schen über 8.200 US-Dollar mehr als ver­acht­facht. Das nächste ange­strebte Kursziel der Kryp­to­währung dürfte nun die 10.000-Dollar Marke sein.

Dass dieses Ziel schon bald erreicht wird, erscheint nicht unwahr­scheinlich, werden durch die dies­jährige Erfolgs­ge­schichte doch immer mehr Anleger auf­merksam auf das Com­puter-Gold. Und damit auch immer mehr tra­di­tio­nelle Inves­toren, die den Bitcoin und andere Kryp­to­wäh­rungen inzwi­schen als eine neu­artige Asset-Klasse ent­deckt hätten, wie Pro­fessor Philipp Sandner von der Frankfurt School of Finance gegenüber dem Han­dels­blatt betonte. Goldman-Sachs Chef Lloyd Blankfein äußerte sich kürzlich so: Er möge den Bitcoin zwar nicht, aber er könnte durchaus die nächste Ent­wick­lungs­stufe des Geldes dar­stellen. Und auch Mor­ganSt­anley-CEO James Gorman sieht im Bitcoin „mehr als eine Masche“ und ein durchaus „sehr inter­es­santes Konzept“.

Die Pro­bleme des Bitcoin aber sind nicht von der Hand zu weisen. Die Schwan­kungen der Digi­tal­währung sind so groß, dass man sie derzeit nur schwer als echte Wäh­rungs­al­ter­native ernst nehmen kann. Zu Beginn der Woche war ihr Wert innerhalb von zwei Stunden um sechs Prozent in die Tiefe gerauscht. Grund war ein Hacker­an­griff auf die Kon­kur­renz­währung Tether, durch den 26 Mil­lionen Euro ver­loren gingen. Das ließ natürlich auch bei Bitcoin-Anlegern die Alarm­glocken schrillen. Es dauerte aller­dings nicht lange, da hatte sich der Kurs bereits wieder erholt.

Zu heiß für die meisten Anleger

Innerhalb kür­zester Zeit ver­liert und gewinnt der Bitcoin also hun­derte Euro an Wert. Das macht die Währung zu einem gefähr­lichen Investment. Zudem drohen Bit­coins bald ihren unre­gu­lierten Rahmen zu ver­lieren. So hat China inzwi­schen Han­dels­platt­formen für Digi­tal­wäh­rungen ver­boten, Russland den Zugang zu Inter­net­seiten ein­ge­schränkt und die EZB denkt über Regu­lie­rungen in der Eurozone nach. Ulrich Stephan, Chef­an­la­ge­stratege bei der Deut­schen Bank warnt deshalb ein­dringlich: „Ich würde es (die Inves­tition in den Bitcoin, Anm. d. Red.) dem nor­malen Anleger schlichtweg nicht emp­fehlen.“ Neu ist all das nicht. Der inter­es­sierte Markt­be­ob­achter dürfte die Risiken kennen. Und dennoch war der Bitcoin 2017 wohl eines der loh­nendsten Invest­ments der Welt.

Sehr neu dagegen ist eine For­schungs­studie der Royal Society, die für Auf­regung sorgen könnte, da sie nicht die Cyber-Divisen selbst kri­ti­siert, sondern vielmehr den Bitcoin als mög­li­cher­weise über­be­wer­teten Vor­reiter. Über vier Jahre, vom 28. April 2013 bis zum 13. Mai 2017, haben die Briten das Ver­halten von 600 aktiven und ins­gesamt 1.469 Kryp­to­wäh­rungen unter­sucht und sind zu dem Schluss gekommen: Der Markt­anteil des Bitcoin geht zurück. Und das während sich die Markt­ka­pi­ta­li­sierung aller Digi­tal­wäh­rungen zusammen allein zwi­schen Mai 2016 und 2017 ver­vier­facht hat. Die derzeit auf den Bitcoin fol­genden fünf wert­vollsten Kryp­to­wäh­rungen weisen zudem eine expo­nen­tiell stei­gende Markt­ka­pi­ta­li­sierung auf. Gemeint sind unter anderem Ethereum, Ripple oder Litecoin. Gemeinsam machen sie zwanzig Prozent des gesamten digi­talen Wäh­rungs­marktes aus. Der Bitcoin ist also längst nicht mehr alleine und sieht sich mit starker Kon­kurrenz kon­fron­tiert, die zum Teil sogar mit einer neueren und bes­seren Tech­no­logie auf­warten kann. Wobei die Studie im All­ge­meinen festhält, dass es keine Kryp­to­währung gibt, die dem Rest tech­no­lo­gisch klar über­legen ist.

Ohnehin herrscht auf dem digi­talen Wäh­rungs­markt nach wie vor Chaos. Ungefähr sieben neue Kryp­to­wäh­rungen kämen pro Woche neu auf den Markt, heißt es in der Royal Society-Studie. Und genauso viele würden gleich­zeitig wieder ver­schwinden. Zudem seien die Plätze zwei bis sechs im Bedeu­tungs­ranking der Wäh­rungen – Bitcoin lag bisher unan­ge­fochten immer auf Platz eins – schon von 33 ver­schie­denen Anbietern mit einer durch­schnitt­lichen Lebenszeit von 12,6 Wochen ein­ge­nommen worden.

Die große Gefahr

Aber zurück zum Bitcoin: Auf Basis der in der Studie ange­wandten Modelle rechnen die Royal-Society-For­scher in Zukunft weiter mit großen Kur­schwan­kungen und halten eine Wert­hal­bierung bis 2025 für möglich. Der Bitcoin beherrsche zwar derzeit den Markt, doch auf­grund tech­no­lo­gi­scher Bedenken und der Auf­holjagd der Kon­kurrenz werde seine füh­rende Position zunehmend in Frage gestellt, glauben die Wis­sen­schaftler. Ihr Konsens: Der Bitcoin wird nicht wegen seiner Tech­no­logie und damit ein­her­gehend seiner über­le­genen Block­chain so viel öfter gekauft als die digi­talen Münzen der Kon­kurrenz, sondern auf­grund seines Markt­an­teils und dem Fakt, dass er die erste Kryp­to­währung auf dem Markt war. Das habe ihn berühmt und dominant gemacht.

Kommt also der Bitcoin-Preis­verfall? Platzt schon bald eine gewaltige Blase? Viel­leicht, ja. Schließlich ist die Über­be­wertung, der der Bitcoin unter­liegt, klar erkennbar und nicht weg­zu­dis­ku­tieren. Ande­rer­seits sind auch viele Unter­nehmen an der Börse im Ver­gleich mit ihrer aktu­ellen Per­for­mance in der Real­wirt­schaft klar über­be­wertet. Viele ame­ri­ka­nische Tech-Werte wie Snapchat, Tesla oder Amazon sind hierfür viel­leicht das klarste Bei­spiel. Deshalb steigen ihre Kurse aber mehr­heitlich trotzdem in die Höhe, da Anleger auf eine erfolg­reiche Zukunft wetten. Und genau um diese Wette auf die Zukunft geht es auch beim Bitcoin.

So scheint alles möglich. Die Blase könnte platzen, ja. Viel­leicht ist ein Bitcoin aber auch bald weit über 10.000 US-Dollar wert. Die Digi­tal­währung muss sich nur weiter gut selbst ver­kaufen können. Sollte es aber tat­sächlich zu einem Preis­verfall kommen, können spe­ku­la­ti­ons­freudige Anleger seit kurzem sogar mit einem soge­nannten Short-Zer­ti­fikat der Schweizer Institute Von­tobel und Lenteq davon pro­fi­tieren. Ein gefähr­liches Spiel – das dürfte klar sein – bleibt es derweil allemal.

Oliver Götz / TheEuropean.com