So hat die CDU über Jahr­zehnte hinweg das eigene Volk belogen und betrogen

Helmut Kohl hat Geschichte geschrieben. Deutsche und euro­päische Geschichte. Er ist der Kanzler der Deut­schen Einheit. Hier kommen ihm und der Union große Ver­dienste zu. Aber da gibt es noch eine andere Seite von Kohl und der CDU – eine dunkle, eine schwarze, eine raben­schwarze Seite.

Kohls Auf­stieg und seine För­derer im Hintergrund

Die ARD strahlte gestern am späten Abend eine Sendung aus, die den Titel trug Bimbes – Die schwarzen Kassen des Helmut Kohl. Worum es hierbei ging, macht der Name schon deutlich. Es geht um eines der dun­kelsten Kapitel der Geschichte der CDU. Es geht um Lug und Betrug, um Machen­schaften, die die Vor­stel­lungs­kraft der meisten von uns über­steigen. Es geht um Macht und gna­den­losen, sys­te­ma­ti­schen Macht­miss­brauch. Und das über mehr als ein viertel Jahrhundert.
Kohls Auf­stieg als Poli­tiker beginnt in Rheinland-Pfalz in den 1960er Jahren. Er gilt als junger Wilder, der die CDU moder­ni­sieren will und er gilt als Hoff­nungs­träger der Kon­ser­va­tiven. Eine der Stärken des 1930 Gebo­renen: sein Geschick, viel­fältige Kon­takte auf­zu­bauen und zu pflegen. Einer dieser davon zum Flick-Manager Eberhard von Brau­chitsch (im Bild rechts).
Kohl-Brauchitsch2
Man trifft sich zur Jagd. Von Brau­chitsch ist ein besonders gern gese­hener Gast, was einen ein­fachen, aber hand­festen Grund hat: er ver­teilt seit Jahren groß­zügige Spenden an aus­ge­wählte Poli­tiker. Dies natürlich nicht ohne Hin­ter­ge­danken. Von Brau­chitsch handelt im Auftrag von Friedrich Karl Flick, ein deutsch-öster­rei­chi­scher Unter­nehmer und Mil­li­ardär, einer der mäch­tigsten Indus­tri­ellen Deutschlands.
Flick lässt bereits seit Jahren bestimmten Poli­tikern Spenden zukommen, aber von Brau­chitsch beginnt, das Ganze sys­te­ma­tisch zu orga­ni­sieren: Immer mehr Geld für immer mehr Poli­tiker. Dabei ist ein Mann für den Flick-Konzern von beson­derem Interesse: Helmut Kohl. Denn dieser ist seit 1969 Minis­ter­prä­sident von Rheinland-Pfalz und er ist die große Hoffnung der CDU. Bereits der 39-Jährige strebt nach ganz oben. Er will nicht nur Minis­ter­prä­sident sein, sondern Bun­des­vor­sit­zender der CDU. Doch das ist Anfang der 1970er Jahre ein anderer: Rainer Barzel. Der Macht­kampf zwi­schen den beiden ist unvermeidlich.
Kohl 1973
Dann kommt Kohls große Chance. Rainer Barzel scheitert 1972 beim Versuch, Willy Brandt in einem kon­struk­tiven Miss­trau­ens­votum als Bun­des­kanzler abzu­lösen (übrigens mit Hilfe der Stasi, die Schmier­gelder an CDU-Abge­ordnete zahlte – Barzel fehlten nur zwei Stimmen!).

Die Stunde Biedenkopfs

Jetzt ist der CDU-Vor­sit­zende Barzel ange­schlagen und nun mischt sich ein wei­terer Konzern in die Politik ein: Henkel. Der Geschäfts­führer der Henkel-Werke: Kurt Bie­denkopf (Bild unten), der spätere CDU-Gene­ral­se­kretär, dessen Frau vor ein paar Jahren Schlag­zeilen machte, weil sie an der IKEA-Kasse eine riesige Schlage erzeugte, da sie mit der Kas­sie­rerin über die Preise handeln wollte.
Bie­denkopf und von Brau­chitsch treffen sich 1973 und sprechen sich ab. Die beiden schmieden einen Plan: Aktion K. – ein Anwalts­kanzlei als Spen­den­sam­mel­becken. Das erste Ziel: Barzel muss weg. Kohl wird über den Plan infor­miert, wie man Barzel den Abgang erleichtern könnte. Im Mai 1973 legt Barzel zunächst den Frak­ti­ons­vorsitz im Deut­schen Bun­destag nieder. Den Par­tei­vorsitz will er aber noch nicht an Kohl abgeben.
Wieder mischt sich der Henkel-Manager Bie­denkopf ein, kon­tak­tiert zunächst den Flick-Manager von Brau­chitsch. Wenige Tage später legt Barzel plötzlich doch den Par­tei­vorsitz nieder. Kohl wird CDU-Vor­sit­zender. Weshalb aber tritt Barzel jetzt so schnell von der großen Bühne ab? Was hat ihn dazu bewogen Dazu später mehr.
Jetzt, 1973, wechselt Bie­denkopf von der Wirt­schaft in die Politik, wird CDU-Gene­ral­se­kretär. Sein Gehalt soll aber geheim bleiben. Niemand darf wissen, was der Top-Manager von Henkel jetzt als CDU-Gene­ral­se­kretär ver­dient. Doch wie kann das geheim gehalten werden? Dafür ist schnell eine Lösung gefunden: Kohl zahlt Bie­denkopf aus einem Ander­konto. Es wird ein eigenes Finan­zie­rungs­system geschaffen. Spä­testens jetzt werden inof­fi­zielle Kassen geführt. Aus einer solchen wird Kurt Bie­denkopf, der kei­nerlei Interview geben wollte zu diesen Fragen, bezahlt. Und wie werden diese geheimen Kassen gefüllt? Mit Bar­spenden, die nir­gends regis­triert sind.
Biedenkopf
In den Fol­ge­jahren gestalten Kohl als Par­tei­vor­sit­zender und Bie­denkopf als sein Gene­ral­se­kretär die CDU nach ihren Vor­stel­lungen. Kohl weiß, dass viel Geld für seine Pläne vor­handen ist. Nicht nur die offi­zielle Par­tei­kasse, sondern auch die dunklen Kassen, von denen niemand weiß, und er wie­derum weiß diese für sich zu nutzen.

Wer ist der Flick-Konzern?

Aber nicht nur die CDU steht auf der Spen­den­liste des Flick-Kon­zerns, sondern auch Helmut Kohl per­sönlich. Allein von 1973 bis 1975 fließen dem Pfälzer 300.000 DM direkt zu, die nir­gends offi­ziell auf­tauchen. Doch was ist das für ein Unternehmen?
Flick senior
Während der Nazi-Herr­schaft pro­fi­tiert der Konzern enorm von der Auf­rüstung. Auch von der Ent­eignung jüdi­scher Unter­nehmer. Der Seni­orchef Friedrich Flick (Bild oben) spendet an die NSDAP und wird selbst Par­tei­mit­glied. Im Nürn­berger Prozess wird er wegen Kriegs­ver­brechen zu sieben Jahren Haft ver­ur­teilt, aber in den 1950er Jahren pro­fi­tiert der Konzern erneut, jetzt beim Wie­der­aufbau. Flick junior (Bild unten) ist nach dem Tod des Vaters 1972 einer der reichsten Deutschen.
Flick junior

„Land­schafts­pflege“

Ab Ende der 1960er Jahre machen ihm und anderen Kon­zern­lenkern die bedingt durch Stu­den­ten­un­ruhen und den kalten Krieg zunehmend instabile Lage Sorgen. Bereits in diesen Jahren beginnt man, bestimmten Poli­tikern immer mehr Geld zu spenden, die man gerne in füh­renden Posi­tionen sähe, zunächst haupt­sächlich an CDU/CSU und FDP, später auch an die SPD. „Land­schafts­pflege“ nennen sie dies. Von Brau­chitsch ist nicht der Einzige, der diese besondere Form der Pflege betreibt, aber der größte Financier.
Da diese Form der Par­tei­en­fi­nan­zierung bald illegal ist, lassen sich unsere ‚Land­schafts­gärtner‘ ent­spre­chende Umwege ein­fallen. Zu diesem Zweck wird das Geld nicht direkt vom Spender an die Partei oder den Poli­tiker gezahlt, sondern zunächst in die Staats­bür­ger­liche Ver­ei­nigung in Koblenz, ein bereits in den 1950er Jahren von Indus­trie­ver­tretern mit Hilfe der CDU gegrün­deter gemein­nüt­ziger Verein. Dieser fördert bereits ab 1964 den 34-jäh­rigen Helmut Kohl mit zig tausend DM. Die Staats­bür­ger­liche Ver­ei­nigung war in Wahrheit kein gemein­nüt­ziger Verein, sondern eine Geld­wasch­anlage zur ille­galen Parteienfinanzierung.
Von Koblenz wird das Geld zunächst auf Schweizer Konten trans­fe­riert. So kann die Her­kunft der Gelder noch besser ver­schleiert werden. In die Schweiz werden dann Geld­boten geschickt, die das Geld dort abhoben, im Kof­ferraum ver­stecken und nach Deutschland ein­schleusen. Ein solcher Geldbote ist Uwe Lüthje (im Bild links), ein enger Ver­trauter des CDU-Schatz­meisters Walther Leisler Kiep (im Bild rechts).
Lüthje und Leisler Kiep

Auch ein römisch-katho­li­scher Orden hilft mit bei der Geldwäsche

Im Lauf der Jahre landen nicht nur Hun­dert­tau­sende DM auf den Schwarz­konten der CDU, sondern viele Mil­lionen. Alles vorbei am Finanzamt, an der deut­schen Öffent­lichkeit, den deut­schen Bürgern, dem Souverän.
Aber nicht nur die Staats­bür­ger­liche Ver­ei­nigung hilft bei der Geld­wäsche und Steu­er­hin­ter­ziehung, sondern auch die Gesell­schaft für Gemeinwohl mbH namens Soverdia, ein Wirt­schafts­un­ter­nehmen des Ordens der Steyler Missionare.
Das Ganze funk­tio­niert wie folgt. Der Flick-Konzern spendet offi­ziell z.B. eine Million an Soverdia und lässt sich darüber eine Spen­den­quittung aus­stellen. Dies führt zu einer Steu­er­ver­güns­tigung von ca. 50 Prozent, also rund eine halbe Million. Aus eigener Tasche hat Flick also nur 500.000 DM gespendet, die anderen 500.000 DM zahlt das Finanzamt, also die All­ge­meinheit. Anschließend gibt Soverdia 80 Prozent, also im Bei­spiel 800.000 DM wieder zurück an Flick. Somit hat der Konzern sogar einen Gewinn erzielt von 300.000 DM und der Orden hat immerhin 200.000 DM erhalten. Die ins­gesamt 500.000 DM zahl das Finanzamt, also der deutsche Steu­er­zahler bzw. Staats­bürger. Und das machte man nicht mit einer Million, sondern mit 12,7 Mil­lionen. So füllt Flick seine schwarze Kassen für die ‚Land­schafts­pflege‘.

Wer ist invol­viert und wer hilft mit?

Viele Poli­tiker stehen auf der Emp­fän­ger­liste aus Flicks schwarzen Kassen, weit oben der CDU-Chef. Doch nicht nur Uwe Lüthje fun­giert als Geldbote, der regel­mäßig in die Schweiz fährt, sondern auch Kohls lang­jährige Büro­lei­terin Juliane Weber (siehe Bild). Zu dieser pflegte Kohl ein sehr enges und ver­trau­ens­volles Ver­hältnis. Nachdem er 1976 als Frak­ti­ons­vor­sit­zender des Deut­schen Bun­des­tages nach Bonn geht, wohnt er mit ihr und dem Fahrer dort unter einem Dach, während Ehefrau Han­nelore in Lud­wigs­hafen-Oggersheim bleibt.
Juliane Weber
Es sind nur einige in der CDU, die wissen, wie genau das System der schwarzen Kassen funk­tio­niert und von wo das Geld kommt: Kohl selbst, Bie­denkopf, Leisler Kiep, Lüthje, Juliane Weber und einige mehr. Aber die anderen wissen, dass da irgend­etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Ihnen muss ja auf­fallen, dass, wenn Geld in grö­ßeren Summen gebraucht wurde, Kohl dies immer im Nu von irgend­woher beschaffen kann und zwar nicht aus der offi­zi­ellen Par­tei­kasse. Von wo kommt denn das Geld? Man fragt aber wohl­weislich lieber nicht nach.

Die Staats­an­walt­schaft kommt dem Flick-Konzern auf die Schliche

Dann, 1980, fliegt ein Teil des Systems der schwarzen Kassen auf. Die Staats­an­walt­schaft beginnt gegen den Flick-Konzern wegen Steu­er­hin­ter­ziehung zu ermitteln. Dort findet man eine Liste mit Namen von über tausend Per­sonen mit vielen Notizen wie „trinkt gerne“, „spielt gerne“, „hat eine Schwächen für Frauen“ etc.
Als erstes knicken die Ordens­brüder von Soverdia ein und geben den ganzen Schwindel zu. Nun kommt immer mehr raus. Alle der damals im Bun­destag ver­tre­tenen Par­teien haben die Hand auf­ge­halten. Die Staats­an­wälte inter­es­sieren sich jedoch vor allem für Poli­tiker der FDP. Jahre später werden sie wegen Steu­er­hin­ter­ziehung und Bei­hilfe dazu ver­ur­teilt. Wirt­schafts­mi­nister Graf Lamb­sdorf (FDP) wird zurücktreten.
Während die Unter­su­chungen laufen, wird Kohl Ende 1982 Bun­des­kanzler. Kurz zuvor, Anfang Sep­tember 1982, ruft er Uwe Lüthje, den Geld­boten und einen der wesent­lichen Draht­zieher der schwarzen Kassen zu sich. Der baldige Kanzler hat eine große Bitte an Lüthje. Jetzt erst erfährt dieser, was selbst er bisher nicht wusste, dass nicht nur enorme Summen an Schwarz­geldern in die CDU-Kasse geflossen sind, sondern auch Hun­dert­tau­sende DM an Kohl. Der will jetzt, dass Lüthje sich was ein­fallen lassen soll, das Ganze zu ver­tu­schen. Das darf auf keinen Fall raus­kommen, dass er, Kohl, selbst auch Geld bekommen hat!

Weshalb Barzel Kohl den Weg plötzlich frei machte

Dann, 1984, kommt noch etwas anderes ans Tages­licht: Wieso Barzel damals, 1973, Kohl plötzlich den Weg frei machte zum Par­tei­vor­sit­zenden. Rainer Barzel, inzwi­schen Frak­ti­ons­vor­sit­zender von CDU/CSU, erhielt vom Flick-Konzern (natürlich über Schweizer Umwege) – enorme Summen, um ihm den Rückzug etwas zu erleichtern:

  • 1974: 250.000 DM
  • 1975: 250.000 DM
  • 1976: 250.000 DM
  • 1977: 250.000 DM
  • 1978: 250.000 DM
  • 1979: 250.000 DM
  • 1980: 62.000 DM
  • ins­gesamt: 1,562 Millionen.

Als dies im Rahmen der Ermitt­lungen bekannt wird, tritt Barzel als CDU/CSU-Frak­ti­ons­vor­sit­zender zurück.
Und dabei ist der Flick-Konzern nur einer von meh­reren, wenn nicht vielen, von denen regel­mäßig schwarze Gelder an die Par­teien und ein­zelne Poli­tiker fließen. Was hier über viele Jahre, ja Jahr­zehnte abläuft, sind, wie der Steu­er­fahnder Frank Wehrmann es for­mu­liert, Mafia-Methoden. Es wurden mas­senhaft Straf­taten begangen. Aber ab den 1980er Jahre wird das System all­mählich stück­chen­weise aufgedeckt.

Kohls angeb­licher Blackout

Die Staats­an­walt­schaft kann zunächst fol­gende Sach­ver­halte sicher ermitteln: Die Staats­bür­ger­liche Ver­ei­nigung, die Haupt­geld­wasch­anlage, hat zwi­schen 1969 und 1980 über 227 Mil­lionen DM ein­ge­nommen. Davon flossen fast 200 Mil­lionen DM auf Fest­geld­konten in der Schweiz.
1985 muss sich Helmut Kohl dann vor zwei Unter­su­chungs­aus­schüssen ver­ant­worten. Und hier lügt der CDU-Vor­sit­zende und Kanzler, dass sich die Balken biegen. Er habe von der Funktion der Staats­bür­ger­liche Ver­ei­nigung als Geld- und Spen­den­be­schaf­fungs-Anlage über­haupt nichts gewusst. Jahre später meinte er, er habe nicht gelogen, sondern nur unüberlegt geant­wortet und habe die Frage auch gar nicht ver­standen. Otto Schily, der spätere Bun­des­in­nen­mister, erstattet dar­aufhin Straf­an­zeige gegen Kohl wegen vor­sätz­licher fal­scher uneid­licher Aussage. Heiner Geißler, der CDU-Gene­ral­se­kretär, ver­sucht den CDU-Vor­sit­zenden zu exkul­pieren, dieser habe in diesem Moment der Falsch­aussage womöglich einen Blackout gehabt. Das könne ja mal pas­sieren, wenn der Tag lang ist.

Lüthje lügt für Kohl nach Strich und Faden und rettet ihm Kopf und Kragen

1986 lädt die Staats­an­walt­schaft Koblenz dann Uwe Lüthje aus der CDU-Schatz­meis­terei vor, einen der wich­tigsten Geld­boten in die Schweiz. Lüthje ist hin und her gerissen zwi­schen der Pflicht wahr­heits­gemäß aus­zu­sagen und der Loya­lität seinem Par­tei­vor­sit­zenden gegenüber.  Was soll er tun?
Auch Lüthje lügt, dass sich die Balken biegen. Kohl hätte von den Machen­schaften der Staats­bür­ger­liche Ver­ei­nigung nichts gewusst. Jahre später gibt Lüthje alles zu. Kohl habe ihn 1986 sogar gefragt, ob er nichts sicher­heits­halber zurück­treten solle, ehe das Ergebnis der staats­an­walt­schaft­lichen Ermitt­lungen ihn dazu zwingen würde. Lüthje hält Kohl davon ab und lügt für ihn, wo er nur kann. Er rettet Kohl die poli­tische Kar­riere. Später wird Kohl ihn, als es für ihn selbst erneut eng wird, eiskalt fallen lassen. Das Ermitt­lungs­ver­fahren gegen den CDU-Vor­sit­zenden und Bun­des­kanzler wird nach den Aus­sagen von Lüthje eingestellt.

Die CDU macht genau so weiter

Derweil liegen in der Schweiz noch immer riesige Summen auf schwarzen Konten und das ganze Spiel geht genau so weiter wie zuvor. Trotz der Flick-Affäre, trotz der Unter­su­chungs­aus­schüsse, trotz der Ermitt­lungen der Staats­an­walt­schaft. Jetzt werden auch schwarze Konten in Liech­ten­stein angelegt. Kohls Image aber ist nach drei bis vier Jahren Kanz­ler­schaft am Tief­punkt ange­langt, Anfang 1987 stehen aber Bun­des­tags­wahlen an. Was tun?
Die CDU will im Wahl­kampf nochmals alles mobil machen und ruft zur großen Abschluss­kund­gebung in die Dort­munder West­fa­len­halle. Man sorgt für ein großes Unter­hal­tungs­pro­gramm, aber Kohl ist inzwi­schen so unbe­liebt, dass man fürchtet, die Halle werde halb leer bleiben. Aber wie sieht das denn aus, wenn der CDU-Vor­sit­zende nicht einmal die eigenen Leute moti­vieren kann, zu einer Abschluss­kund­gebung zu kommen? Das geht unmöglich. Man braucht die Bilder eine vollen Halle und Standing Ova­tions. Also beschafft man sich Cla­queure in aus­rei­chender Anzahl. 60.000 Teil­nehmer schafft man nach Dortmund, chartert 15 Son­derzüge und über 330 Busse. Alles auf Par­tei­kosten. Man zahlt den Leuten aus ganz Deutschland einen hüb­schen Ausflug nach Dortmund. Der Finanz­mehr­bedarf, der dadurch ent­steht – nicht Gesamt­bedarf, sondern nur der Mehr­bedarf! -: über 5 Mil­lionen DM. Und woher nimmt man das zusätz­liche Geld? Nun raten Sie mal.

Jedes CDU-Mit­glied bekommt einen Brief von Kohl persönlich

Die CDU ver­liert bei der Bun­des­tagswahl 1987 fast 5 Pro­zent­punkte, Kohl bleibt aber mit einer schwarz-gelben Koalition im Amt. Seine Beliebtheit innerhalb der Partei sinkt jedoch weiter. Kohl ent­schließt sich zu einer sehr unge­wöhn­lichen Maß­nahme. Über 800.000 CDU-Mit­glieder bekommen jeder Ein­zelne einen per­sön­lichen Brief vom Par­tei­vor­sit­zenden, der so wirkt, als habe Kohl ihn selbst mit Füll­fe­der­halter unter­schrieben. Kosten der Aktion: 800.000 DM.
Als es dann Vor­würfe innerhalb der Partei gibt, wie man denn nur das Geld der Partei so aus dem Fenster werfen könne, beruhigt Kohl die Par­tei­mit­glieder, sie müssten sich keine Sorgen machen, das Problem mit den Kosten habe er anders gelöst. Das werde die Partei nichts kosten. Plötzlich liegt ein Scheck genau in der feh­lenden Höhe auf dem Tisch. Woher das Geld kommt? Ich denke, Sie wissen es. Das System der schwarzen Konten, jetzt in Schweiz und Liech­ten­stein, läuft munter weiter. Die Staats­an­walt­schaft und Steu­er­fahndung hatten ja nur einen Teil entdeckt.

Kohl ist auch wei­terhin nicht bereit, auf die dunklen Geld­kanäle zu verzichten

Nun will der Haupt­ab­tei­lungs­leiter Orga­ni­sation im Konrad-Ade­nauer-Haus in Bonn, Rüdiger May, aber wissen, wo das Geld herkam. Er muss es ja ord­nungs­gemäß ver­buchen. Man sagt ihm, er solle es unter „Sons­tiges“ ein­ordnen. Das könne er bei so einer großen Summe unmöglich machen, erwidert May. Das müsse schon ordentlich ver­bucht werden. Er werde den Rechen­schafts­be­richt so nicht unter­schreiben, wenn das nicht geklärt werde.
Wenige Monate später wird sein Vertrag mit der CDU auf­gelöst. Nach zehn Jahren Tätigkeit im Amt scheidet er 1989 aus der CDU-Par­tei­zen­trale aus. Helmut Kohl ist nicht bereit, auf das Geld aus den dunklen Kanälen, welches seit Jahr­zehnten fließt, zu ver­zichten und er wird es auch in die 1990er Jahre hin­über­nehmen. Er macht immer weiter. Nun kommt die Deutsche Einheit und da sind solche Fragen ohnehin nicht mehr von Belang. Kohl sitzt jetzt fester im Amt als je zuvor.

Der Rüs­tungs­lob­byist Schreiber und seine gut gefüllten Geldkoffer

Doch dann kommt es zum nächsten Ver­fahren. Leisler Kiep und Lüthje müssen sich 1990 in Düs­seldorf erneut vor Gericht wegen Bei­hilfe zur Steu­er­hin­ter­ziehung ver­ant­worten. Kommt jetzt endlich das gesamte System der schwarzen Kassen ans Tages­licht? Nachdem die Staats­bür­ger­liche Ver­ei­nigung auf­ge­flogen ist, wird das CDU-Geld jetzt einfach woanders ver­steckt, ins­be­sondere in der Norfolk-Stiftung. Der neue Geldbote ist nun der Wirt­schafts­prüfer Horst Wey­rauch, der unzählige Male in die Schweiz reist, um Bargeld zu holen.
Leisler Kiep
Aber in der Schweiz liegt nicht nur altes gebun­kertes Geld. Es kommt auch neues hinzu. 1991 reisen Leisler Kiep (Bild oben rechts), der CDU-Schatz­meister, und Wey­rauch, der CDU-Wirt­schafts­prüfer, in die Schweiz, um dort kon­spi­rativ den Waf­fen­händler und Rüs­tungs­lob­by­isten Karl­heinz Schreiber (Bild unten) zu treffen.
Schreiber
Schreiber gibt den beiden CDU-lern eine Million DM in bar. Das Ganze geschieht übrigens, während Leisler Kiep noch vor Gericht steht in der Flick-Affäre. Während des Beru­fungs­ver­fahrens begeht er also bereits die nächsten Straf­taten und zwar genau die gleichen. Das dürfte an kri­mi­neller Energie kaum noch zu über­bieten sein!
Die Million von Schreiber teilen Leisler Kiep, Wey­rauch und Lüthje unter sich auf. Außerdem holen sie noch 1,5 Mil­lionen aus der Norfolk-Stiftung. Als Kohl später selbst in der Klemme steckt, wird er diese Infor­ma­tionen gegen Lüthje benutzen, der ihm einst mit seinen Lügen Kopf und Kragen gerettet hat. Und Kohl kommt wieder in die Klemme.

Der Dicke wird abge­wählt und das ganze Schwarz­geld­system droht aufzufliegen

1998 ver­liert er seine letzte Bun­des­tagswahl mit Pauken und Trom­peten. Die sech­zehn­jährige Kanzler-Ära ist zu Ende. Das System der schwarzen Kassen bleibt zunächst unent­deckt. Aber Ende 1999 steht Leisler Kiep erneut vor Gericht. Jetzt wegen der Million, die er mit Wey­rauch von Schreiber ange­nommen hat. Kiep weiß sich nicht mehr zu helfen und gibt nun die Geld­an­nahme zu. Fliegt nun das ganze System endlich auf?
Jetzt bricht Panik aus. Wey­rauch und Lüthe treffen sich auf einer Auto­bahn­rast­stätte zwi­schen Koblenz und Bonn. Niemand soll mit­be­kommen, worüber die beiden reden. Lüthjes größte Sorge: ein Teil wurde ent­deckt, aber die anderen Ander­konten dürfen auf keinen Fall ent­deckt werden, sonst wird deutlich, dass das Ganze System hat. Wenn das Gesamt­system des CDU-Kohl-schen Finan­zie­rungs­systems auf­fliegt, wird dies eine Kata­strophe mit unab­seh­baren Folgen geben. Just diese Kata­strophe will auch Helmut Kohl vermeiden.

Kohl will ein Interview beim ZDF

Laut Ter­min­ka­lender von Kohls Büro­lei­terin Juliane Weber bespricht der Ex-Kanzler sich im Dezember 1999 gleich viermal mit dem CDU-Abge­ord­neten und Rechts­anwalt Ronald Pofalla, der später unter Merkel CDU-Gene­ral­se­kretär und Kanz­ler­amtschef werden wird. Die beiden besprechen wohl, wie Kohl stra­te­gisch geschickt vor­gehen soll. Der Druck steigt immer mehr.
Dann meldet sich Kohl beim ZDF. Er will ein Interview. Dort erzählt er nichts von all dem Geld von Flick, das er und die CDU bekommen haben, nichts von dem geschmierten Barzel, nichts von der Staats­bür­ger­lichen Ver­ei­nigung, nichts von geheimen Konten in der Schweiz und in Liech­ten­stein. Statt­dessen erzählt Kohl jetzt eine völlig abstruse Geschichte.

Ich habe meinen Ehrenwort gegeben

Er hätte zwi­schen 1993 und 1998 Spenden ent­ge­gen­ge­nommen in einer Höhe von 1,5 bis 2 Mil­lionen DM. Diese Spenden hätte er in der Tat nicht ange­geben – und jetzt kommt’s -, weil die Spender ihn aus­drücklich darum gebeten hätten. Auf die Frage, wer denn diese Spender gewesen seien, sagt Kohl, dass er die Namen nicht ver­raten werde, weil er ihnen sein Ehrenwort gegeben hätte, ihre Namen nicht zu nennen. In Wahrheit ist diese ganze Geschichte natürlich frei erfunden.
Kohl 1999
Das Ganze ist ein ein­ziges Ablen­kungs­ma­növer. Die Ermittler sollten sich an seiner Geschichte die Zähne aus­beißen. Alle Welt dis­ku­tiert jetzt, ob ein Ehrenwort (welches in Wahrheit niemals ergangen war) über dem Gesetz stehen könne und wer denn die Spender wohl waren. Damit lenkte Kohl ab vom Eigent­lichen. Die falsche Fährte ist gelegt und man springt auf sie an. Die Flick-Gelder und die Staats­bür­ger­lichen Ver­ei­nigung, vor allem all die Ander­konten im Ausland sind jetzt außen vor. Genau das war das Ziel.

Kohl lügt immer weiter, bis zum Schluss

Es kommt zum Unter­schu­chungs­aus­schuss gegen Helmut Kohl, aber die CDU-Abge­ord­neten aus dem Aus­schuss treffen sich vorher mit Kohl und seinem Anwalt, briefen diesen und spielen sogar die Fragen und Ant­worten zusammen durch. Das heißt, nicht nur Kohl selbst, nein die CDU ver­sucht, den ganzen Sach­verhalt gemeinsam zu verdunkeln.
Kohl selbst bleibt stur. Er lügt und lügt und lügt, bleibt bei seiner erfun­denen Geschichte mit den Spendern, ist sich nicht mal sicher, ob es vier oder fünf waren, ver­plappert sich teil­weise, dass er sie gar nicht kenne, ääähhh, benennen könne, meine er natürlich.
Im Frühjahr 2000 wird dann ein Rede­ma­nu­skript von Lüthje, dem Haupt­geld­boten, der Kohl einst gerettet hatte, publik, in welchem er 1997 auf der Geburts­tags­feier von Wey­rauch damit prahlte, wie er und Wey­rauch Kohl in der Flick-Affäre mit ihren Lügen gerettet hätten. Jetzt streitet Kohl auch das alles ab und sagt Lüthje hätte sich selbst berei­chert und gelogen, was den schwer­kranken Mann, der nicht mehr lange zu leben hat, schwer trifft.

2015 gibt Schäuble die schwarzen CDU-Kassen endlich zu

Nach Kohls Abwahl Ende 1998 wird Wolfgang Schäuble neuer CDU-Vor­sit­zender und Angela Merkel seine Gene­ral­se­kre­tärin. Auch ihnen gegenüber sagt Kohl nicht die Wahrheit. Die neue Führung merkt aber schnell, dass da einiges nicht stimmen kann. Als Schäuble dann aber selbst einen Koffer vom Rüs­tungs­lob­by­isten Schreiber mit 100.000 DM annimmt und dies her­aus­kommt, muss auch er zurück­treten. Jetzt, im Jahre 2000, wird Angela Merkel neue CDU-Vor­sit­zende. Sie ist zu der Zeit die Einzige, die den Mut hat, sich offen gegen Kohl zu stellen. Doch auch die Merkel-CDU wird in den kom­menden 17 Jahren das Schwarz-Geld-System der CDU niemals voll aufklären.
Helmut Kohl wird später behaupten, er habe doch alles gesagt bis auf die vier oder fünf Namen der geheimen Spender (die es nie gab), denen er sein Ehrenwort gegeben habe. Er wird bis zum Schluss lügen. 2015 gibt Schäuble endlich zu, dass er diese Geschichte mit den anonymen Spendern und dem Ehrenwort niemals geglaubt, dass es diese nie gegeben hat. Dass es seit der Flick-Zeit schwarze CDU-Kassen gegeben hat. Dies zuzu­geben, damit ließ sich Herr Schäuble 15 Jahre Zeit. Heute ist er übrigens Bundestagspräsident.
Schäuble

Und Merkel?

Wenn Sie jetzt glauben, unter Merkel wäre seither alles anders, was die Auf­rich­tigkeit von CDU-Poli­tikern dem Volk gegenüber anbe­langt, dann lesen Sie bitte – auch wenn es hier nicht um schwarze Kassen geht, die den Macht­erhalt sichern sollen – Robin Alex­anders Buch Die Getrie­benen, ins­be­sondere was von Merkels Aussage zu halten ist, es wäre gar nicht möglich, die deut­schen Grenzen zu sichern, oder bezüglich der Ein­fluss­nahme des Groß­ka­pitals heute und bezüglich der Isla­mi­sierung Europas von Bat Ye’or Europa und das kom­mende Kalifat.
 
 
Dieser Beitrag stammt von dem sehr emp­feh­lens­werten Blog von Jürgen Fritz — juergenfritz.com
Bilder: Youtube-Screen­shots aus dem sehr emp­feh­lens­werten Film Bimbes – Die schwarzen Kassen des Helmut Kohl