Helmut Kohl hat Geschichte geschrieben. Deutsche und europäische Geschichte. Er ist der Kanzler der Deutschen Einheit. Hier kommen ihm und der Union große Verdienste zu. Aber da gibt es noch eine andere Seite von Kohl und der CDU – eine dunkle, eine schwarze, eine rabenschwarze Seite.
Kohls Aufstieg und seine Förderer im Hintergrund
Die ARD strahlte gestern am späten Abend eine Sendung aus, die den Titel trug Bimbes – Die schwarzen Kassen des Helmut Kohl. Worum es hierbei ging, macht der Name schon deutlich. Es geht um eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte der CDU. Es geht um Lug und Betrug, um Machenschaften, die die Vorstellungskraft der meisten von uns übersteigen. Es geht um Macht und gnadenlosen, systematischen Machtmissbrauch. Und das über mehr als ein viertel Jahrhundert.
Kohls Aufstieg als Politiker beginnt in Rheinland-Pfalz in den 1960er Jahren. Er gilt als junger Wilder, der die CDU modernisieren will und er gilt als Hoffnungsträger der Konservativen. Eine der Stärken des 1930 Geborenen: sein Geschick, vielfältige Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Einer dieser davon zum Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch (im Bild rechts).
Man trifft sich zur Jagd. Von Brauchitsch ist ein besonders gern gesehener Gast, was einen einfachen, aber handfesten Grund hat: er verteilt seit Jahren großzügige Spenden an ausgewählte Politiker. Dies natürlich nicht ohne Hintergedanken. Von Brauchitsch handelt im Auftrag von Friedrich Karl Flick, ein deutsch-österreichischer Unternehmer und Milliardär, einer der mächtigsten Industriellen Deutschlands.
Flick lässt bereits seit Jahren bestimmten Politikern Spenden zukommen, aber von Brauchitsch beginnt, das Ganze systematisch zu organisieren: Immer mehr Geld für immer mehr Politiker. Dabei ist ein Mann für den Flick-Konzern von besonderem Interesse: Helmut Kohl. Denn dieser ist seit 1969 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und er ist die große Hoffnung der CDU. Bereits der 39-Jährige strebt nach ganz oben. Er will nicht nur Ministerpräsident sein, sondern Bundesvorsitzender der CDU. Doch das ist Anfang der 1970er Jahre ein anderer: Rainer Barzel. Der Machtkampf zwischen den beiden ist unvermeidlich.
Dann kommt Kohls große Chance. Rainer Barzel scheitert 1972 beim Versuch, Willy Brandt in einem konstruktiven Misstrauensvotum als Bundeskanzler abzulösen (übrigens mit Hilfe der Stasi, die Schmiergelder an CDU-Abgeordnete zahlte – Barzel fehlten nur zwei Stimmen!).
Die Stunde Biedenkopfs
Jetzt ist der CDU-Vorsitzende Barzel angeschlagen und nun mischt sich ein weiterer Konzern in die Politik ein: Henkel. Der Geschäftsführer der Henkel-Werke: Kurt Biedenkopf (Bild unten), der spätere CDU-Generalsekretär, dessen Frau vor ein paar Jahren Schlagzeilen machte, weil sie an der IKEA-Kasse eine riesige Schlage erzeugte, da sie mit der Kassiererin über die Preise handeln wollte.
Biedenkopf und von Brauchitsch treffen sich 1973 und sprechen sich ab. Die beiden schmieden einen Plan: Aktion K. – ein Anwaltskanzlei als Spendensammelbecken. Das erste Ziel: Barzel muss weg. Kohl wird über den Plan informiert, wie man Barzel den Abgang erleichtern könnte. Im Mai 1973 legt Barzel zunächst den Fraktionsvorsitz im Deutschen Bundestag nieder. Den Parteivorsitz will er aber noch nicht an Kohl abgeben.
Wieder mischt sich der Henkel-Manager Biedenkopf ein, kontaktiert zunächst den Flick-Manager von Brauchitsch. Wenige Tage später legt Barzel plötzlich doch den Parteivorsitz nieder. Kohl wird CDU-Vorsitzender. Weshalb aber tritt Barzel jetzt so schnell von der großen Bühne ab? Was hat ihn dazu bewogen Dazu später mehr.
Jetzt, 1973, wechselt Biedenkopf von der Wirtschaft in die Politik, wird CDU-Generalsekretär. Sein Gehalt soll aber geheim bleiben. Niemand darf wissen, was der Top-Manager von Henkel jetzt als CDU-Generalsekretär verdient. Doch wie kann das geheim gehalten werden? Dafür ist schnell eine Lösung gefunden: Kohl zahlt Biedenkopf aus einem Anderkonto. Es wird ein eigenes Finanzierungssystem geschaffen. Spätestens jetzt werden inoffizielle Kassen geführt. Aus einer solchen wird Kurt Biedenkopf, der keinerlei Interview geben wollte zu diesen Fragen, bezahlt. Und wie werden diese geheimen Kassen gefüllt? Mit Barspenden, die nirgends registriert sind.
In den Folgejahren gestalten Kohl als Parteivorsitzender und Biedenkopf als sein Generalsekretär die CDU nach ihren Vorstellungen. Kohl weiß, dass viel Geld für seine Pläne vorhanden ist. Nicht nur die offizielle Parteikasse, sondern auch die dunklen Kassen, von denen niemand weiß, und er wiederum weiß diese für sich zu nutzen.
Wer ist der Flick-Konzern?
Aber nicht nur die CDU steht auf der Spendenliste des Flick-Konzerns, sondern auch Helmut Kohl persönlich. Allein von 1973 bis 1975 fließen dem Pfälzer 300.000 DM direkt zu, die nirgends offiziell auftauchen. Doch was ist das für ein Unternehmen?
Während der Nazi-Herrschaft profitiert der Konzern enorm von der Aufrüstung. Auch von der Enteignung jüdischer Unternehmer. Der Seniorchef Friedrich Flick (Bild oben) spendet an die NSDAP und wird selbst Parteimitglied. Im Nürnberger Prozess wird er wegen Kriegsverbrechen zu sieben Jahren Haft verurteilt, aber in den 1950er Jahren profitiert der Konzern erneut, jetzt beim Wiederaufbau. Flick junior (Bild unten) ist nach dem Tod des Vaters 1972 einer der reichsten Deutschen.
„Landschaftspflege“
Ab Ende der 1960er Jahre machen ihm und anderen Konzernlenkern die bedingt durch Studentenunruhen und den kalten Krieg zunehmend instabile Lage Sorgen. Bereits in diesen Jahren beginnt man, bestimmten Politikern immer mehr Geld zu spenden, die man gerne in führenden Positionen sähe, zunächst hauptsächlich an CDU/CSU und FDP, später auch an die SPD. „Landschaftspflege“ nennen sie dies. Von Brauchitsch ist nicht der Einzige, der diese besondere Form der Pflege betreibt, aber der größte Financier.
Da diese Form der Parteienfinanzierung bald illegal ist, lassen sich unsere ‚Landschaftsgärtner‘ entsprechende Umwege einfallen. Zu diesem Zweck wird das Geld nicht direkt vom Spender an die Partei oder den Politiker gezahlt, sondern zunächst in die Staatsbürgerliche Vereinigung in Koblenz, ein bereits in den 1950er Jahren von Industrievertretern mit Hilfe der CDU gegründeter gemeinnütziger Verein. Dieser fördert bereits ab 1964 den 34-jährigen Helmut Kohl mit zig tausend DM. Die Staatsbürgerliche Vereinigung war in Wahrheit kein gemeinnütziger Verein, sondern eine Geldwaschanlage zur illegalen Parteienfinanzierung.
Von Koblenz wird das Geld zunächst auf Schweizer Konten transferiert. So kann die Herkunft der Gelder noch besser verschleiert werden. In die Schweiz werden dann Geldboten geschickt, die das Geld dort abhoben, im Kofferraum verstecken und nach Deutschland einschleusen. Ein solcher Geldbote ist Uwe Lüthje (im Bild links), ein enger Vertrauter des CDU-Schatzmeisters Walther Leisler Kiep (im Bild rechts).
Auch ein römisch-katholischer Orden hilft mit bei der Geldwäsche
Im Lauf der Jahre landen nicht nur Hunderttausende DM auf den Schwarzkonten der CDU, sondern viele Millionen. Alles vorbei am Finanzamt, an der deutschen Öffentlichkeit, den deutschen Bürgern, dem Souverän.
Aber nicht nur die Staatsbürgerliche Vereinigung hilft bei der Geldwäsche und Steuerhinterziehung, sondern auch die Gesellschaft für Gemeinwohl mbH namens Soverdia, ein Wirtschaftsunternehmen des Ordens der Steyler Missionare.
Das Ganze funktioniert wie folgt. Der Flick-Konzern spendet offiziell z.B. eine Million an Soverdia und lässt sich darüber eine Spendenquittung ausstellen. Dies führt zu einer Steuervergünstigung von ca. 50 Prozent, also rund eine halbe Million. Aus eigener Tasche hat Flick also nur 500.000 DM gespendet, die anderen 500.000 DM zahlt das Finanzamt, also die Allgemeinheit. Anschließend gibt Soverdia 80 Prozent, also im Beispiel 800.000 DM wieder zurück an Flick. Somit hat der Konzern sogar einen Gewinn erzielt von 300.000 DM und der Orden hat immerhin 200.000 DM erhalten. Die insgesamt 500.000 DM zahl das Finanzamt, also der deutsche Steuerzahler bzw. Staatsbürger. Und das machte man nicht mit einer Million, sondern mit 12,7 Millionen. So füllt Flick seine schwarze Kassen für die ‚Landschaftspflege‘.
Wer ist involviert und wer hilft mit?
Viele Politiker stehen auf der Empfängerliste aus Flicks schwarzen Kassen, weit oben der CDU-Chef. Doch nicht nur Uwe Lüthje fungiert als Geldbote, der regelmäßig in die Schweiz fährt, sondern auch Kohls langjährige Büroleiterin Juliane Weber (siehe Bild). Zu dieser pflegte Kohl ein sehr enges und vertrauensvolles Verhältnis. Nachdem er 1976 als Fraktionsvorsitzender des Deutschen Bundestages nach Bonn geht, wohnt er mit ihr und dem Fahrer dort unter einem Dach, während Ehefrau Hannelore in Ludwigshafen-Oggersheim bleibt.
Es sind nur einige in der CDU, die wissen, wie genau das System der schwarzen Kassen funktioniert und von wo das Geld kommt: Kohl selbst, Biedenkopf, Leisler Kiep, Lüthje, Juliane Weber und einige mehr. Aber die anderen wissen, dass da irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Ihnen muss ja auffallen, dass, wenn Geld in größeren Summen gebraucht wurde, Kohl dies immer im Nu von irgendwoher beschaffen kann und zwar nicht aus der offiziellen Parteikasse. Von wo kommt denn das Geld? Man fragt aber wohlweislich lieber nicht nach.
Die Staatsanwaltschaft kommt dem Flick-Konzern auf die Schliche
Dann, 1980, fliegt ein Teil des Systems der schwarzen Kassen auf. Die Staatsanwaltschaft beginnt gegen den Flick-Konzern wegen Steuerhinterziehung zu ermitteln. Dort findet man eine Liste mit Namen von über tausend Personen mit vielen Notizen wie „trinkt gerne“, „spielt gerne“, „hat eine Schwächen für Frauen“ etc.
Als erstes knicken die Ordensbrüder von Soverdia ein und geben den ganzen Schwindel zu. Nun kommt immer mehr raus. Alle der damals im Bundestag vertretenen Parteien haben die Hand aufgehalten. Die Staatsanwälte interessieren sich jedoch vor allem für Politiker der FDP. Jahre später werden sie wegen Steuerhinterziehung und Beihilfe dazu verurteilt. Wirtschaftsminister Graf Lambsdorf (FDP) wird zurücktreten.
Während die Untersuchungen laufen, wird Kohl Ende 1982 Bundeskanzler. Kurz zuvor, Anfang September 1982, ruft er Uwe Lüthje, den Geldboten und einen der wesentlichen Drahtzieher der schwarzen Kassen zu sich. Der baldige Kanzler hat eine große Bitte an Lüthje. Jetzt erst erfährt dieser, was selbst er bisher nicht wusste, dass nicht nur enorme Summen an Schwarzgeldern in die CDU-Kasse geflossen sind, sondern auch Hunderttausende DM an Kohl. Der will jetzt, dass Lüthje sich was einfallen lassen soll, das Ganze zu vertuschen. Das darf auf keinen Fall rauskommen, dass er, Kohl, selbst auch Geld bekommen hat!
Weshalb Barzel Kohl den Weg plötzlich frei machte
Dann, 1984, kommt noch etwas anderes ans Tageslicht: Wieso Barzel damals, 1973, Kohl plötzlich den Weg frei machte zum Parteivorsitzenden. Rainer Barzel, inzwischen Fraktionsvorsitzender von CDU/CSU, erhielt vom Flick-Konzern (natürlich über Schweizer Umwege) – enorme Summen, um ihm den Rückzug etwas zu erleichtern:
- 1974: 250.000 DM
- 1975: 250.000 DM
- 1976: 250.000 DM
- 1977: 250.000 DM
- 1978: 250.000 DM
- 1979: 250.000 DM
- 1980: 62.000 DM
- insgesamt: 1,562 Millionen.
Als dies im Rahmen der Ermittlungen bekannt wird, tritt Barzel als CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender zurück.
Und dabei ist der Flick-Konzern nur einer von mehreren, wenn nicht vielen, von denen regelmäßig schwarze Gelder an die Parteien und einzelne Politiker fließen. Was hier über viele Jahre, ja Jahrzehnte abläuft, sind, wie der Steuerfahnder Frank Wehrmann es formuliert, Mafia-Methoden. Es wurden massenhaft Straftaten begangen. Aber ab den 1980er Jahre wird das System allmählich stückchenweise aufgedeckt.
Kohls angeblicher Blackout
Die Staatsanwaltschaft kann zunächst folgende Sachverhalte sicher ermitteln: Die Staatsbürgerliche Vereinigung, die Hauptgeldwaschanlage, hat zwischen 1969 und 1980 über 227 Millionen DM eingenommen. Davon flossen fast 200 Millionen DM auf Festgeldkonten in der Schweiz.
1985 muss sich Helmut Kohl dann vor zwei Untersuchungsausschüssen verantworten. Und hier lügt der CDU-Vorsitzende und Kanzler, dass sich die Balken biegen. Er habe von der Funktion der Staatsbürgerliche Vereinigung als Geld- und Spendenbeschaffungs-Anlage überhaupt nichts gewusst. Jahre später meinte er, er habe nicht gelogen, sondern nur unüberlegt geantwortet und habe die Frage auch gar nicht verstanden. Otto Schily, der spätere Bundesinnenmister, erstattet daraufhin Strafanzeige gegen Kohl wegen vorsätzlicher falscher uneidlicher Aussage. Heiner Geißler, der CDU-Generalsekretär, versucht den CDU-Vorsitzenden zu exkulpieren, dieser habe in diesem Moment der Falschaussage womöglich einen Blackout gehabt. Das könne ja mal passieren, wenn der Tag lang ist.
Lüthje lügt für Kohl nach Strich und Faden und rettet ihm Kopf und Kragen
1986 lädt die Staatsanwaltschaft Koblenz dann Uwe Lüthje aus der CDU-Schatzmeisterei vor, einen der wichtigsten Geldboten in die Schweiz. Lüthje ist hin und her gerissen zwischen der Pflicht wahrheitsgemäß auszusagen und der Loyalität seinem Parteivorsitzenden gegenüber. Was soll er tun?
Auch Lüthje lügt, dass sich die Balken biegen. Kohl hätte von den Machenschaften der Staatsbürgerliche Vereinigung nichts gewusst. Jahre später gibt Lüthje alles zu. Kohl habe ihn 1986 sogar gefragt, ob er nichts sicherheitshalber zurücktreten solle, ehe das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ihn dazu zwingen würde. Lüthje hält Kohl davon ab und lügt für ihn, wo er nur kann. Er rettet Kohl die politische Karriere. Später wird Kohl ihn, als es für ihn selbst erneut eng wird, eiskalt fallen lassen. Das Ermittlungsverfahren gegen den CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzler wird nach den Aussagen von Lüthje eingestellt.
Die CDU macht genau so weiter
Derweil liegen in der Schweiz noch immer riesige Summen auf schwarzen Konten und das ganze Spiel geht genau so weiter wie zuvor. Trotz der Flick-Affäre, trotz der Untersuchungsausschüsse, trotz der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Jetzt werden auch schwarze Konten in Liechtenstein angelegt. Kohls Image aber ist nach drei bis vier Jahren Kanzlerschaft am Tiefpunkt angelangt, Anfang 1987 stehen aber Bundestagswahlen an. Was tun?
Die CDU will im Wahlkampf nochmals alles mobil machen und ruft zur großen Abschlusskundgebung in die Dortmunder Westfalenhalle. Man sorgt für ein großes Unterhaltungsprogramm, aber Kohl ist inzwischen so unbeliebt, dass man fürchtet, die Halle werde halb leer bleiben. Aber wie sieht das denn aus, wenn der CDU-Vorsitzende nicht einmal die eigenen Leute motivieren kann, zu einer Abschlusskundgebung zu kommen? Das geht unmöglich. Man braucht die Bilder eine vollen Halle und Standing Ovations. Also beschafft man sich Claqueure in ausreichender Anzahl. 60.000 Teilnehmer schafft man nach Dortmund, chartert 15 Sonderzüge und über 330 Busse. Alles auf Parteikosten. Man zahlt den Leuten aus ganz Deutschland einen hübschen Ausflug nach Dortmund. Der Finanzmehrbedarf, der dadurch entsteht – nicht Gesamtbedarf, sondern nur der Mehrbedarf! -: über 5 Millionen DM. Und woher nimmt man das zusätzliche Geld? Nun raten Sie mal.
Jedes CDU-Mitglied bekommt einen Brief von Kohl persönlich
Die CDU verliert bei der Bundestagswahl 1987 fast 5 Prozentpunkte, Kohl bleibt aber mit einer schwarz-gelben Koalition im Amt. Seine Beliebtheit innerhalb der Partei sinkt jedoch weiter. Kohl entschließt sich zu einer sehr ungewöhnlichen Maßnahme. Über 800.000 CDU-Mitglieder bekommen jeder Einzelne einen persönlichen Brief vom Parteivorsitzenden, der so wirkt, als habe Kohl ihn selbst mit Füllfederhalter unterschrieben. Kosten der Aktion: 800.000 DM.
Als es dann Vorwürfe innerhalb der Partei gibt, wie man denn nur das Geld der Partei so aus dem Fenster werfen könne, beruhigt Kohl die Parteimitglieder, sie müssten sich keine Sorgen machen, das Problem mit den Kosten habe er anders gelöst. Das werde die Partei nichts kosten. Plötzlich liegt ein Scheck genau in der fehlenden Höhe auf dem Tisch. Woher das Geld kommt? Ich denke, Sie wissen es. Das System der schwarzen Konten, jetzt in Schweiz und Liechtenstein, läuft munter weiter. Die Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung hatten ja nur einen Teil entdeckt.
Kohl ist auch weiterhin nicht bereit, auf die dunklen Geldkanäle zu verzichten
Nun will der Hauptabteilungsleiter Organisation im Konrad-Adenauer-Haus in Bonn, Rüdiger May, aber wissen, wo das Geld herkam. Er muss es ja ordnungsgemäß verbuchen. Man sagt ihm, er solle es unter „Sonstiges“ einordnen. Das könne er bei so einer großen Summe unmöglich machen, erwidert May. Das müsse schon ordentlich verbucht werden. Er werde den Rechenschaftsbericht so nicht unterschreiben, wenn das nicht geklärt werde.
Wenige Monate später wird sein Vertrag mit der CDU aufgelöst. Nach zehn Jahren Tätigkeit im Amt scheidet er 1989 aus der CDU-Parteizentrale aus. Helmut Kohl ist nicht bereit, auf das Geld aus den dunklen Kanälen, welches seit Jahrzehnten fließt, zu verzichten und er wird es auch in die 1990er Jahre hinübernehmen. Er macht immer weiter. Nun kommt die Deutsche Einheit und da sind solche Fragen ohnehin nicht mehr von Belang. Kohl sitzt jetzt fester im Amt als je zuvor.
Der Rüstungslobbyist Schreiber und seine gut gefüllten Geldkoffer
Doch dann kommt es zum nächsten Verfahren. Leisler Kiep und Lüthje müssen sich 1990 in Düsseldorf erneut vor Gericht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verantworten. Kommt jetzt endlich das gesamte System der schwarzen Kassen ans Tageslicht? Nachdem die Staatsbürgerliche Vereinigung aufgeflogen ist, wird das CDU-Geld jetzt einfach woanders versteckt, insbesondere in der Norfolk-Stiftung. Der neue Geldbote ist nun der Wirtschaftsprüfer Horst Weyrauch, der unzählige Male in die Schweiz reist, um Bargeld zu holen.
Aber in der Schweiz liegt nicht nur altes gebunkertes Geld. Es kommt auch neues hinzu. 1991 reisen Leisler Kiep (Bild oben rechts), der CDU-Schatzmeister, und Weyrauch, der CDU-Wirtschaftsprüfer, in die Schweiz, um dort konspirativ den Waffenhändler und Rüstungslobbyisten Karlheinz Schreiber (Bild unten) zu treffen.
Schreiber gibt den beiden CDU-lern eine Million DM in bar. Das Ganze geschieht übrigens, während Leisler Kiep noch vor Gericht steht in der Flick-Affäre. Während des Berufungsverfahrens begeht er also bereits die nächsten Straftaten und zwar genau die gleichen. Das dürfte an krimineller Energie kaum noch zu überbieten sein!
Die Million von Schreiber teilen Leisler Kiep, Weyrauch und Lüthje unter sich auf. Außerdem holen sie noch 1,5 Millionen aus der Norfolk-Stiftung. Als Kohl später selbst in der Klemme steckt, wird er diese Informationen gegen Lüthje benutzen, der ihm einst mit seinen Lügen Kopf und Kragen gerettet hat. Und Kohl kommt wieder in die Klemme.
Der Dicke wird abgewählt und das ganze Schwarzgeldsystem droht aufzufliegen
1998 verliert er seine letzte Bundestagswahl mit Pauken und Trompeten. Die sechzehnjährige Kanzler-Ära ist zu Ende. Das System der schwarzen Kassen bleibt zunächst unentdeckt. Aber Ende 1999 steht Leisler Kiep erneut vor Gericht. Jetzt wegen der Million, die er mit Weyrauch von Schreiber angenommen hat. Kiep weiß sich nicht mehr zu helfen und gibt nun die Geldannahme zu. Fliegt nun das ganze System endlich auf?
Jetzt bricht Panik aus. Weyrauch und Lüthe treffen sich auf einer Autobahnraststätte zwischen Koblenz und Bonn. Niemand soll mitbekommen, worüber die beiden reden. Lüthjes größte Sorge: ein Teil wurde entdeckt, aber die anderen Anderkonten dürfen auf keinen Fall entdeckt werden, sonst wird deutlich, dass das Ganze System hat. Wenn das Gesamtsystem des CDU-Kohl-schen Finanzierungssystems auffliegt, wird dies eine Katastrophe mit unabsehbaren Folgen geben. Just diese Katastrophe will auch Helmut Kohl vermeiden.
Kohl will ein Interview beim ZDF
Laut Terminkalender von Kohls Büroleiterin Juliane Weber bespricht der Ex-Kanzler sich im Dezember 1999 gleich viermal mit dem CDU-Abgeordneten und Rechtsanwalt Ronald Pofalla, der später unter Merkel CDU-Generalsekretär und Kanzleramtschef werden wird. Die beiden besprechen wohl, wie Kohl strategisch geschickt vorgehen soll. Der Druck steigt immer mehr.
Dann meldet sich Kohl beim ZDF. Er will ein Interview. Dort erzählt er nichts von all dem Geld von Flick, das er und die CDU bekommen haben, nichts von dem geschmierten Barzel, nichts von der Staatsbürgerlichen Vereinigung, nichts von geheimen Konten in der Schweiz und in Liechtenstein. Stattdessen erzählt Kohl jetzt eine völlig abstruse Geschichte.
Ich habe meinen Ehrenwort gegeben
Er hätte zwischen 1993 und 1998 Spenden entgegengenommen in einer Höhe von 1,5 bis 2 Millionen DM. Diese Spenden hätte er in der Tat nicht angegeben – und jetzt kommt’s -, weil die Spender ihn ausdrücklich darum gebeten hätten. Auf die Frage, wer denn diese Spender gewesen seien, sagt Kohl, dass er die Namen nicht verraten werde, weil er ihnen sein Ehrenwort gegeben hätte, ihre Namen nicht zu nennen. In Wahrheit ist diese ganze Geschichte natürlich frei erfunden.
Das Ganze ist ein einziges Ablenkungsmanöver. Die Ermittler sollten sich an seiner Geschichte die Zähne ausbeißen. Alle Welt diskutiert jetzt, ob ein Ehrenwort (welches in Wahrheit niemals ergangen war) über dem Gesetz stehen könne und wer denn die Spender wohl waren. Damit lenkte Kohl ab vom Eigentlichen. Die falsche Fährte ist gelegt und man springt auf sie an. Die Flick-Gelder und die Staatsbürgerlichen Vereinigung, vor allem all die Anderkonten im Ausland sind jetzt außen vor. Genau das war das Ziel.
Kohl lügt immer weiter, bis zum Schluss
Es kommt zum Unterschuchungsausschuss gegen Helmut Kohl, aber die CDU-Abgeordneten aus dem Ausschuss treffen sich vorher mit Kohl und seinem Anwalt, briefen diesen und spielen sogar die Fragen und Antworten zusammen durch. Das heißt, nicht nur Kohl selbst, nein die CDU versucht, den ganzen Sachverhalt gemeinsam zu verdunkeln.
Kohl selbst bleibt stur. Er lügt und lügt und lügt, bleibt bei seiner erfundenen Geschichte mit den Spendern, ist sich nicht mal sicher, ob es vier oder fünf waren, verplappert sich teilweise, dass er sie gar nicht kenne, ääähhh, benennen könne, meine er natürlich.
Im Frühjahr 2000 wird dann ein Redemanuskript von Lüthje, dem Hauptgeldboten, der Kohl einst gerettet hatte, publik, in welchem er 1997 auf der Geburtstagsfeier von Weyrauch damit prahlte, wie er und Weyrauch Kohl in der Flick-Affäre mit ihren Lügen gerettet hätten. Jetzt streitet Kohl auch das alles ab und sagt Lüthje hätte sich selbst bereichert und gelogen, was den schwerkranken Mann, der nicht mehr lange zu leben hat, schwer trifft.
2015 gibt Schäuble die schwarzen CDU-Kassen endlich zu
Nach Kohls Abwahl Ende 1998 wird Wolfgang Schäuble neuer CDU-Vorsitzender und Angela Merkel seine Generalsekretärin. Auch ihnen gegenüber sagt Kohl nicht die Wahrheit. Die neue Führung merkt aber schnell, dass da einiges nicht stimmen kann. Als Schäuble dann aber selbst einen Koffer vom Rüstungslobbyisten Schreiber mit 100.000 DM annimmt und dies herauskommt, muss auch er zurücktreten. Jetzt, im Jahre 2000, wird Angela Merkel neue CDU-Vorsitzende. Sie ist zu der Zeit die Einzige, die den Mut hat, sich offen gegen Kohl zu stellen. Doch auch die Merkel-CDU wird in den kommenden 17 Jahren das Schwarz-Geld-System der CDU niemals voll aufklären.
Helmut Kohl wird später behaupten, er habe doch alles gesagt bis auf die vier oder fünf Namen der geheimen Spender (die es nie gab), denen er sein Ehrenwort gegeben habe. Er wird bis zum Schluss lügen. 2015 gibt Schäuble endlich zu, dass er diese Geschichte mit den anonymen Spendern und dem Ehrenwort niemals geglaubt, dass es diese nie gegeben hat. Dass es seit der Flick-Zeit schwarze CDU-Kassen gegeben hat. Dies zuzugeben, damit ließ sich Herr Schäuble 15 Jahre Zeit. Heute ist er übrigens Bundestagspräsident.
Und Merkel?
Wenn Sie jetzt glauben, unter Merkel wäre seither alles anders, was die Aufrichtigkeit von CDU-Politikern dem Volk gegenüber anbelangt, dann lesen Sie bitte – auch wenn es hier nicht um schwarze Kassen geht, die den Machterhalt sichern sollen – Robin Alexanders Buch Die Getriebenen, insbesondere was von Merkels Aussage zu halten ist, es wäre gar nicht möglich, die deutschen Grenzen zu sichern, oder bezüglich der Einflussnahme des Großkapitals heute und bezüglich der Islamisierung Europas von Bat Ye’or Europa und das kommende Kalifat.
Dieser Beitrag stammt von dem sehr empfehlenswerten Blog von Jürgen Fritz — juergenfritz.com
Bilder: Youtube-Screenshots aus dem sehr empfehlenswerten Film Bimbes – Die schwarzen Kassen des Helmut Kohl