Mit Mitte 50 ist es höchste Zeit für das Alter vorzusorgen. Da bleiben nur noch wenige Jahre, um Reserven für einen hoffentlich langen Ruhestand anzulegen. Zeit, die Sparquote zu erhöhen, die Ersparnisse sicher und ertragreich anzulegen und an der eigenen Fitness zu arbeiten. Schließlich will man ja möglichst lange etwas von den Ersparnissen haben.
Was für jeden Einzelnen von uns gilt, gilt auch für das Land. Deutschland altert rapide und der deutliche Rückgang der Erwerbsbevölkerung setzt gerade ein. Der geburtenstärkste Jahrgang, der 1964er, hat nur noch zehn bis 15 aktive Jahre vor sich. Jahre, in denen wir das ganze Land fit machen müssten für die Phase des Entsparens in einem hoffentlich guten Alter.
Vordergründig steht Deutschland gut da. Die Wirtschaft wächst so schnell wie lange nicht. Die Arbeitslosigkeit befindet sich im Rekordtief und die Bundesregierung erwartet schon bald Vollbeschäftigung. Die Exportwirtschaft boomt. Blickt man hinter die Kulissen, erkennt man jedoch schnell, dass es Deutschland ergeht wie einem Mittfünfziger, der seine Hausaufgaben nicht macht. Wir überschätzen die Sicherheit unseres Arbeitsplatzes (= Konjunktur), wir überschätzen die reale Kaufkraft unseres Einkommens (= schwacher Euro), wir überschätzen die Reserven fürs Alter (= schlechte Anlage der Ersparnisse).
Deutschland droht eine massive Altersarmut, nicht nur, weil die individuelle Vorsorge unzureichend ist, sondern weil wir als Land von der Hand in den Mund leben und uns an der irrigen Vorstellung beseelen, reich zu sein. Wir sind es nicht! Es droht ein Albtraumszenario, wenn die demografische Entwicklung mit voller Wucht einsetzt und wir aus unseren Träumen erwachen. Zeitgleich mit dem Eintritt in das Rentenalter werden wir feststellen, dass unsere Ersparnisse verloren sind und wir um die Früchte unserer Arbeit gebracht wurden.
Schuld daran ist eine Kombination verschiedener Faktoren: vor allem des Euros, der EZB-Politik und der Unfähigkeit unser Politiker.
Der Euro macht träge
Die Politik wird nicht müde, die Mär vom Nutzen des Euros für Deutschland zu betonen. Nur dank des Euros hätte die Industrie kein Wechselkursrisiko, nur dank des Euros könnten wir so viel exportieren. Vordergründig scheint das auch zu stimmen. Blickt man genauer hin, erkennt man, dass der Euro Deutschland schwächt, nicht stärkt.
So liegen die Produktivitätszuwächse seit Einführung des Euros deutlich unter dem Niveau der Jahre zuvor. Zwar handelt es sich um eine weltweite Entwicklung, dennoch lässt sich konstatieren, dass der Euro und vor allem der schwache Außenwert – der Euro ist deutlich tiefer bewertet, als es die D‑Mark wäre, so es sie noch gäbe – dazu führt, dass sich die Exportwirtschaft weniger anstrengen muss. Wie wertvoll eine starke Währung ist, kann man an der Schweiz sehr gut beobachten und konnte es auch in Deutschland bis 1999. Konstanter Druck hält eine Wirtschaft fit und macht sie zugleich krisenresistenter. Kommt es zu einer Auflösung des Euros würden diese Versäumnisse offensichtlich, und viele Industrien, die heute mit Exporten glänzen, wären über Nacht nicht mehr wettbewerbsfähig.
Der Euro verteilt von Steuerzahler zu Exportwirtschaft
Im Kern ist der Euro ein Subventionsprogramm für die exportorientierte Industrie, für das alle Steuerzahler aufkommen. Verbunden damit ist ein Export unserer Ersparnisse in das Ausland, denn wer mehr Waren exportiert als importiert, exportiert zwangsläufig auch mehr Geld, als er importiert. (Den Zusammenhang habe ich hier erklärt.) In einer Welt mit zu vielen Schulden ist es keine gute Idee, Gläubiger zu sein. Doch genau das sind wir. Der Euro führt dazu, dass wir einen immer größeren Teil unserer Ersparnisse im Ausland anlegen, statt bei uns und dabei vor erheblichen Verlusten stehen.
Der Euro macht erpressbar
Der Euro wird zugleich als politische Waffe gegen uns genutzt. Angesichts der Handelsüberschüsse und der irrtümlichen Annahme, dass wir die Nutznießer des Euro seien, nehmen die Forderungen nach Umverteilung innerhalb der Eurozone zu. Es genügt nicht, dass wir den anderen Ländern schon mehr als 10.000 Euro pro Kopf der Bevölkerung zins- und tilgungsfreien, unbesicherten Kredit in Form der Target2-Forderungen gewähren. Ein Kredit, der uns und unsere Politiker erpressbar macht. Zerfällt der Euro, sind diese Forderungen wertlos. Eigentlich sind sie es heute auch schon, nur können wir alle noch so tun, als wäre es nicht so.
Zusätzlich sollen die deutschen Steuerzahler direkt Zahlungen in die Krisenländer leisten. Dies, obwohl die deutschen Privathaushalte zu den ärmsten in der EU gehören.
Die Tatsache, dass uns nun eine Neuauflage der Großen Koalition droht, stimmt nicht optimistisch. Eine prinzipienlose CDU dürfte einer SPD folgen, die unter „pro-europäisch“ nur mehr Umverteilung in die Krisenländer versteht. Der französische Präsident Macron bedrängt Martin Schulz nicht zufällig, steigen doch seine Chancen, an deutsches Geld zu kommen, deutlich. Dabei wäre gegen mehr „Solidarität“ – also Umverteilung von Steuern und Schulden – nichts einzuwenden, würden sich die Probleme des Euro so lösen lassen. Dem ist jedoch nicht so. Es würde lediglich Zeit gekauft. Ein Überleben des Euros setzt voraus, dass die faulen Schulden abgeschrieben und die europäischen Banken saniert werden. Länder, die nicht im Euro wettbewerbsfähig werden können, sollten aus der Währungsunion austreten. Länder, die nicht im Euro wettbewerbsfähig werden können, sollten aus der Währungsunion austreten. Alles andere ist eine Illusion, die Schaden und Leiden nur unnötig vergrößert.
Der Euro wird zu erheblichen Verlusten führen
Schon heute dürften Forderungen von weit über drei Billionen Euro in der Eurozone uneinbringlich sein. Mit jedem Tag wächst dieser finanzielle Schaden für die Gläubiger – allen voran Deutschland – weiter an. Dabei sind nicht nur die bereits erwähnten Target2-Forderungen gemeint, sondern vielfältige Kredite, die unsere Kapitalsammelstellen (Banken und Versicherungen) in unserem Namen im Ausland anlegen. Die Schuldner können nur dank Tiefstzinsen die Illusion aufrechterhalten, die Verbindlichkeiten noch zu bedienen. In Wahrheit haben wir es mit Zombies zu tun. Wie im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ tun Banken so, als wären die Forderungen werthaltig und die Bankenaufsicht, als wären die Banken noch solvent. Von Portugal, Griechenland und Italien ganz zu schweigen.
Irgendwie müssen und werden diese faulen Schulden verschwinden. Über Pleiten, geordnete Restrukturierungen oder über massive Inflation. Egal, auf welchem Wege es auch erfolgt: Die Verluste für die Gläubiger, also uns, sind vorprogrammiert. Gerade dann, wenn wir uns darauf freuen unseren Ruhestand mit unseren Ersparnissen zu bestreiten, werden wir feststellen, dass die Ersparnisse verloren sind. Verloren für ein politisches Projekt namens „Euro“.
Die EZB verteilt um, ohne Mandat
Ohne die EZB wäre der Euro schon längst Geschichte. Um den Euro und damit sich selbst zu „retten“, hat die EZB begonnen, in erheblichem Maße und ohne jegliche demokratische Legitimierung Vermögen zwischen den Mitgliedsländern zu verschieben. Die Subventionierung der Zinsen hilft den Schuldnern und schadet den Gläubigern. Daran ist – angesichts der sonst unlösbaren Überschuldungssituation – nichts auszusetzen. Zu bemängeln ist, dass diese Umverteilung sehr ungerecht verläuft. Nicht die großen Profiteure des Euros müssen die Zeche zahlen, sondern der normale Sparer. Wer immer genug Kapital besitzt, um in Sachwerte zu investieren oder an der Party an den Börsen teilzunehmen, profitiert vom billigen Geld und der Vermögensblase, die entsteht. Wer das nicht kann, dem bleiben Nullzins und Sparformen, die weit überteuert sind. Damit legt die EZB die Grundlage für erhebliche soziale Spannungen. Vor allem leistet sie einen erheblichen Beitrag dazu, dem alternden Deutschland, die Reserven fürs Alter zu nehmen.
Die EZB fördert die Kapitalflucht
Damit nicht genug. Mit ihrem Aufkaufprogramm für Wertpapiere fördert die EZB die Kapitalflucht aus den Krisenländern. Nicht, dass man es den dortigen Sparern und Spekulanten verdenken könnte. Sie verkaufen ihre Anleihen mit Gewinn an die EZB und bringen den Erlös nach Deutschland. Neben den Exportüberschüssen sind diese Transfers ein wesentlicher Grund für den Anstieg der Forderungen der Deutschen Bundesbank im Rahmen des Target2-Systems. Das Problem ist jedoch, dass damit die wertlosen Forderungen der Bundesbank und damit die Deutschlands weiter ansteigen. Die Cleveren bringen ihr Geld in Sicherheit und übertragen das Risiko an den deutschen Steuerzahler, der für die Verluste aus den Target2-Forderungen am Ende geradestehen muss. Bis jetzt mit mehr als 10.000 Euro pro Kopf der Bevölkerung und jeden Tag ein bisschen mehr.
Anschreiben ohne je zu bezahlen
Man muss sich das so vorstellen: Jeden Abend kommen Gäste in die Kneipe und schreiben Bier und Korn beim Wirt an. Der Wirt reicht die Forderungen gegen seine Gäste bei der Bank ein und bekommt dafür Geld. Zahlen die Gäste später nicht, so ist es nicht mehr das Problem des Wirtes, sondern der Bank, die die Forderungen angekauft hat. Im Target2-System sind die Exportindustrie und die Banken, denen die Fluchtgelder aus den Krisenländern zufließen, die Wirte. Die Bank, bei der die Forderung über Umwege landet, ist die Bundesbank, die innerhalb des Eurosystems die Kredite gewähren muss. Es gibt gar keine rechtliche Möglichkeit, dies zu verhindern. Zins- und tilgungsfrei gewährt so die Bank, deren Eigentümer wir alle sind, Kredit an schwache Schuldner, ohne Sicherheit und ohne Aussicht, jemals wieder das Geld zurückzubekommen. Dem Wirt mag das egal sein. Uns Steuerzahlern sollte es nicht egal sein, vor allem weil wir die Verluste just dann realisieren werden, wenn wir unsere Ersparnisse bräuchten, um einen sorglosen Ruhestand zu genießen. „Altersarmut für alle“ lautet das Programm der EZB in ihrem verzweifelten und letztlich aussichtslosen Versuch, den Euro zu „retten“. Sie kauft Zeit zulasten des deutschen Sparers.
Die Politik versteht nicht den Unterschied zwischen Bestands- und Flussgrößen
Wäre das nicht alles schon schlimm genug, haben wir es auch noch mit einer Politik in Deutschland zu tun, die die grundlegenden ökonomischen Dinge nicht versteht und nicht verstehen wird. Das beginnt mit der eigentlich einfachen Unterscheidung zwischen Einkommen (= Flussgröße) und Vermögen (= Bestandsgröße). Obwohl sämtliche Studien zeigen, dass die deutschen privaten Haushalte zu den ärmsten in der Eurozone gehören – weit hinter Portugal, Spanien, Italien und ganz zu schweigen von Frankreich –, sind unsere Politiker übereifrig dabei, uns zu den Rettern Europas zu erklären, die mit ihren Steuern den anderen aus der Patsche helfen. Dabei wären beispielsweise die Probleme des italienischen Staates problemlos über die Besteuerung der erheblichen Privatvermögen zu lösen. Doch weshalb sollte das eine italienische Regierung tun, gibt es doch die Möglichkeit, die Deutschen zur Kasse zu bitten.
Unser Einkommen mag vielleicht – begünstigt von tiefen Zinsen und schwachem Euro – zurzeit hoch sein. Unser Vermögen ist es jedoch nicht. Die Ursachen dafür sind vielfältig: zwei verlorene Kriege, die Kosten der Wiedervereinigung, die geringe Eigentumsquote an Immobilien und nicht zuletzt, die völlig verfehlte Politik, die Sparen in Form von Lebensversicherungen und staatlicher Rente propagiert hat.
Liebe Politiker, ein hohes Einkommen bedeutet nicht, dass man „reich“ ist.
Wir brauchen die Bestandsgröße
Das Problem ist nur, dass wir von den Bestandsgrößen, also unserem Vermögen, zehren müssen, wenn wir alt sind. So wie die Rentner ihre Ersparnisse aufbrauchen für einen vergnüglichen Lebensabend, müssen auch wir als Land unsere angesparten Forderungen gegen das Ausland in Zukunft dazu nutzen, um Waren zu importieren, die wir dann nicht mehr selbst herstellen können. Umso ärgerlicher ist es, dass die Politik nicht nur tatenlos zusieht, wie unsere Ersparnisse, falsch angelegt, erodieren, sondern auch noch bereitwillig die Ersparnisse opfert, um ein vorhandenes Geschäftsmodell zu stützen.
Während Länder wie die Schweiz, Singapur und Norwegen gezielt werthaltige Forderungen und Vermögenswerte kaufen, sind wir bereitwillig die Finanziers von Schuldnern, die uns am Ende im Regen stehen lassen. Spätestens seit 2009 ist diese simple Mechanik allen nüchternen Beobachtern klar. Doch unsere Politik sieht zu und lässt es geschehen.
Auch die sichere Rente ist eine Illusion. Während sich die Politik für die „Schwarze Null“ feiert, die auch nur die Folge der tiefen Zinsen und nicht besonderer Sparanstrengungen ist, explodieren die verdeckten Schulden des Staates förmlich. Berücksichtigt man die ungedeckten Zusagen für künftige Renten‑, Pensions- und Gesundheitszahlungen, liegt die deutsche Staatsverschuldung mit 161 Prozent vom BIP deutlich über der italienischen. Diese Lücke kann nur über höhere Abgaben und Leistungskürzungen geschlossen werden.
Unsere Ersparnisse genügen nicht für einen angenehmen Lebensabend.
Wir brauchen auch in Zukunft eine Flussgröße
Versagen wir schon bei der eigentlich einfachen Aufgabe, ordentlich vorzusorgen (staatliche Versorgung) und unsere hart erarbeiteten Ersparnisse gut anzulegen, sollten wir wenigstens die Grundlage auch für ein hohes Einkommen in Zukunft legen. Voraussetzungen dafür wären Investitionen in Infrastruktur und Bildung, verbundenen mit einer Einwanderungspolitik, die sich an unseren ökonomischen Erfordernissen orientiert. Eine Gesellschaft von Rentnern, die ihre Ersparnisse verloren hat, kann nichts weniger gebrauchen als schlechte Infrastruktur, Unternehmen, denen qualifizierte Mitarbeiter fehlen und Migranten, die von Transferzahlungen leben.
Doch genau hier versagt unsere Politik ebenfalls eklatant. Straßen verfallen, schnelles Internet kennt man nur aus anderen Ländern und das Bildungsniveau befindet sich im Sturzflug. Migration in die Sozialkassen wird zu einer dauerhaften Belastung, abgesehen von den Folgen für sozialen Zusammenhalt und innere Sicherheit.
In Zukunft werden weniger Einkommen entstehen. Ein guter Teil davon wird verwendet werden müssen, um die zum Folgen der Migration zu bewältigen und damit an anderer Stelle fehlen.
In den nächsten zehn Jahren prallt alles zusammen
Damit stehen wir vor enormen Herausforderungen. Unsere Wirtschaftskraft wird, allein bedingt durch die demografische Entwicklung, in den kommenden Jahren sinken. Die Belastungen für die alternde Gesellschaft werden steigen, während die Art der Zuwanderung, wie wir sie heute zulassen und befördern, die Belastungen zusätzlich erhöht. Zeitgleich dürften in den kommenden Jahren die Verluste aus Europolitik und falscher Exportorientierung nicht nur in der Theorie bestehen, sondern Realität werden – auf welchem Weg (Ausfälle, Restrukturierung, Inflation) auch immer.
Tritt dies ein, sind politische Verwerfungen in einem Ausmaß denkbar, wie wir sie uns heute nicht vorstellen können. Die CDU dürfte dasselbe Schicksal erleiden, wie die Democrazia Christiana in Italien und die SPD wie die Sozialisten in Frankreich: den völligen Untergang, sind es doch die beiden Parteien, die uns das Schlamassel, auf das wir zusteuern, eingebrockt haben. Gewinner werden die radikalen Kräfte zur linken wie zur rechten sein.
Wer wirklich Sorge wegen AfD und Linkspartei hat, der sollte heute umsteuern und dringend handeln. Wir brauchen eine Politik, die unsere Einkommen nachhaltig stärkt und unsere Ersparnisse sichert. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Dr. Daniel Stelter / www.think-beyondtheobvious.com
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