Wer an das Budget des ARD-Konzerns von 9,6 Mrd. € denkt, muss zum Schluss kommen, die Gründung eines Unabhängigen Fernsehens wird an der Finanzierung scheitern. Dabei zeigt das Beispiel der hierzulande unbeachteten Bürgersender, dass Fernsehen machen gar nicht so teuer sein muss. Kann ein erfolgreicher Anbieter aus dieser Senderkategorie als Kostenvorbild für ein börsefinanziertes Unabhängiges Fernsehen dienen?
Die Abschaffung der GEZ-Gebühren bringt noch kein besseres Fernsehprogramm
Die 4,9 Millionen Gebührenverweigerer sind eine mächtige Bewegung, die durch spektakuläre Prozesse, Dutzende Youtube-Beiträge und eine gute Vernetzung von sich Reden macht. Dennoch: Ein noch so erfolgreicher GEZ-Boykott bringt noch kein Unabhängiges Fernsehen, weil der Staat die ARD- Finanzierung auf Steuermittel umstellen kann. Wie die Betriebswirtschaftlehre lehrt, wird ein schlechtes Produkt nicht automatisch dann besser, wenn ein Austausch der Produktionsfinanzierung stattfindet. Auch private Fernsehnbieter probieren dauernd neue Programme aus, wenn die Einschaltquoten sinken. Die Finanzierung ist nicht das Problem, sondern die Produktakzeptanz durch die Konsumenten. Unsere ARD wird ihre Nachrichteninhalte nicht reformieren, solange ihr kein Wettbewerber – ein von der Politik Unabhängiges Fernsehen – die Einschaltquoten vermasselt. Ideen wie die neuen Inhalte aussehen sollen, gibt es en masse, an Konzepten woher der neue Wettbewerber die Gründungs- und Betriebskostenmittel nehmen soll, mangelt es dagegen. Hier kommt schnell das altbekannte Kostenargument in die Diskussion.
Die vergessene „dritten Säule“ der Medienlandschaft, die Bürgermedien, als Kostenvorbild?
Dabei wären die Kosten für die Gründung und den Betrieb der Grundversion eines Nachrichtenfernsehens eher moderat. Das belegt das Beispiel der bei wenig beachteten Bürgermedien. Wer dank Kabel und Satellit in den über Tausend Kanälen herumswitscht, staunt oft, wie viele neue deutschsprachige Fernsehkanäle er dort findet. Neben den Bezahlsendern stoßt er auf einige Dutzende überregionaler und regionaler privat- und öffentlich-rechtlicher Sender mit einem sehr bunten Spartenangebot, wie Doku, Kinder, Einkaufe, Familie, Nachrichten, Musik, Unterhaltung, Filme, Religion, Sport oder Vollprogramme. Er findet dort auch Offene Kanäle und Bürgerfernsehen, die beide zur Kategorie der sog. Bürgermedien zugerechnet werden. Auf Wikipedia findet sich hierzu eine ausführliche Liste: de.wikipedia.org/wiki/Liste_deutschsprachiger_Fernsehsender
Allein in Deutschland gibt es hiervon 46 solcher Stationen – die Zahl schwankt -, die vorwiegend in den 1980er Jahren gegründet wurden, in einer Zeit als im Zuge des Trends zur Bürgerbeteiligung in den Medien die „Dritten Säule“ entstanden war. Die damals halbherzig, als Alibi gedachten Einrichtungen frist(et)en ein Schattendasein, gelangten schnell in Vergessenheit und werden heute oft geschlossen. Schuld waren (sind) sowohl ihre Mini-Budgets (2% des anteiligen ARD-Gebühreaufkommens!) als auch die „professionelle“ Aufsicht der sie finanzierenden Landesmedienanstalten, die Sendelizenzen vergeben, Medienkompetenz einfordern und bestimmen, wann diese vorliegt. Ein systemfremder Newcomer hat hier keine Chance auf Förderung. De facto mutier(t)en die „Säulen-Anstalten“ zu schlecht ausgestatteten Niederlassungen des öffentlich-rechtlichen ARD-Konzerns, zur Spielwiese für lokale Idealisten, die gerne Aufmerksamkeit gewinnen möchten. „Wer die Musik bestellt, bezahlt die Kapelle“ – heißt ein altes Sprichwort.
Exkurs: Analog verlaufen viele Bürgerbeteiligungen in der deutschen Kommunalpolitik. Die Steuerzahler dürfen Ideen äußern, was dennoch gemacht wird, bestimmt allein die Verwaltung auf Weisungen der Politik. Ein Vetorecht gibt es nicht, wie die jüngsten Proteste gegen den Bau von Flüchtlingsheimen zeigen. In Putins Russland gibt es auch Bürgerinitiativen, die genau so viel zu sagen haben, wie bei uns.
Die politikaffinen Bürgerfernsehen können im Lichte obiger Fakten – ungeachtet ihrer regionalen Empfangsbeschränkung – somit kein echtes Vorbild für ein Unabhängiges Fernsehen sein. Was bleibt, ist die nützliche Information, wie billig „Fernsehen machen“ sein kann. Es handelt sich hier nur um wenige Hundert Tausende Euro für die Gründung und den Betrieb einen Senders in der Grundversion.
Das Beispiel von oldenburgeins: Was ein Fernsehsender kosten könnte (Hinweise)
Auf den Webseiten der Bürgermedienanstalten – diese haben meisten die Rechtsform eines Vereins – wird über vieles berichtet, nicht jedoch über die Finanzierung. Politischen Parteien hätten allerdings das Recht hierüber Auskunft von der Landesmedienanstalt (LMA) zu erfragen. Dem Leser bleiben vorläufig nur Schätzungen übrig. Eine solche könnte für den lokalen Hörfunk und TV-Anbieter Oldenburg Eins – wie folgt aussehen (http://www.nlm.de/fileadmin/dateien/pdf/F%C3%B6Ri_B%C3%BCrgerrundfunk2017-02.pdf)
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maximaler Zuschuss der LVA Niedersachsen 378.000€ Sockelbetrag (nach Eigenanteil)
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maximaler Bonus von etwa 156.000€, wenn gleich hohe Eigenmittel bereitgestellt werden
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hinzu kommen 20% von der Gesamtsumme von 133.000 €, die von Dritten gesponsert werden
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ergänzend: einmalige Förderung der Investition und der Geschäftsausstattung in Höhe von 90% des Rechnungsbetrages, maximal 619.000 €
Wieviel von den Mitteln auf den reinen TV-Sender und ferner auf das Personal und die sonstigen Kosten entfallen, ist erneut schwer zu schätzen. Laut der Homepage werden inklusive der Geschäftsführung 12 Personen beschäftigt und wöchentlich 96 Stunden eigenes Radio-Live-Programm und 12 Stunden TV-Erst-Programm erstellt. Die wenigen „Spuren“ erlauben die Aussage: Für den Betrieb eines Nachrichtensenders im Kleinformat reichen im ländlichen Deutschland eine einmalige Investition von knapp 1 Mill. € und 60.000€ pro Monat für laufende Kosten aus, wenn viele Ehrenamtliche „mitmachen“, wozu die Webseiten auch ausführlich einladen. Diese Kosten sind mit denen, im vorherigen Beitrag vorgestellten unabhängigen Senders „Republika“ in Polen, vergleichbar.
Schlussfolgerungen für die Idee des börsefinanzierten Unabhängigen Fernsehens
Bevor ein Unabhängiges Fernsehen an die Börse geht, wäre überlegenswert, ob es aus Kostengründen nicht zuerst in der „modifizierten Versionen“ der Bürgersender am Fernsehmarkt Erfahrungen sammeln sollte. Folgende drei Modifizierungen wären notwendig: Ersatz der politikaffinen Themen und Personen durch bürgernahe, Gründungsfinanzierung der als Aktiengesellschaft geführten Einrichtung aus privaten Investorengeldern und last but not least Einbindung von Ex-Medienprominenten, die heute in Opposition zu den Systemmedien stehen, in das Management und die Fachberatung. In der Anfangsphase käme es sehr stark darauf an, welche bekannte Namen bereit wären die Initiatorenrolle zu übernehmen, um den Multiplikatoreffekt für weitere Interessenten in den Gang zu bringen.
Dr. Viktor Heese – Dozent und Fachbuchautor; börsenwissen-für-anfänger.de