Fotocollage: Niki Vogt, Bilder Hans und Sophie Scholl: Flickr.com, FotoTractatus, Bildlizenz (CC BY-NC-SA 2.0)

Vor 75 Jahren: Die Geschwister Scholl starben für Deutschland

Es ist Morgen, und obwohl die junge Frau in der Zelle weiß, dass sie wahr­scheinlich heute hin­ge­richtet werden wird, hat sie doch in der Nacht geschlafen. Und sie hatte einen Traum. Sie sieht sich, ein Kind im weißem Tauf­kleid im Arm, einen steilen Berg hin­auf­klettern. Urplötzlich steh sie an einer tiefen Glet­scher­spalte und schaut in den Abgrund. Sie rettet das Kind, indem sie es auf die anderen Seite der Glet­scher­spalte legt. Sie selbst stürzt in den Abgrund.
Ein paar Stunden später, am 22. Februar 1943 steht die junge Frau, Sophie Scholl, vor dem gefürch­tetsten Richter der Zeit des Natio­nal­so­zia­lismus‘: Roland Freisler. Man kann sich kaum einen grö­ßeren Gegensatz an Cha­rak­teren vor­stellen: Hinter dem Rich­ter­tisch ein gna­den­loser Ideologe und Macht­mensch, der in jedem, der seiner NS-Ideo­logie ent­ge­gen­stand, einen per­sön­lichen Feind und Unter­men­schen sah, der die Ange­klagten ein­schüch­terte, ernied­rigte und nie­der­brüllte. Einer, der einen Brief an den „Großen Führer Adolf Hitler“ mit „In Treue, Ihr poli­ti­scher Soldat Roland Freisler“ unterschrieb.
Zur Eröffnung des Pro­zesses schrie er den Ange­klagten, den Mit­gliedern der „Weißen Rose“ ent­gegen, dass der Natio­nal­so­zia­lismus gegen solche „Ver­räter“ über­haupt kein Straf­ge­setzbuch benötige. Er werde „ganz ohne Recht“ kurzen Prozess machen. Freisler bemerkte wohl, dass er sich selbst damit verriet und kor­ri­gierte sich: „ganz ohne Gesetz“. Als ihm ein Bei­sitzer trotzdem wortlos das Straf­ge­setzbuch reichte, schleu­derte er es sofort weiter in Richtung der Ankla­gebank, wo sich Ange­klagten weg­ducken mussten, um nicht am Kopf getroffen zu werden.
Tat­sächlich stand das Todes­urteil für die Mit­glieder der „Weißen Rose“ schon von vor­ne­herein fest. „Der Gau­leiter bittet, die Abur­teilung in den nächsten Tagen hier und die Voll­stre­ckung alsbald darauf vor­zu­nehmen“, hieß es in einer Anweisung des Gerichtes. Ideo­logen geht es nie um echte Gerech­tigkeit, sondern immer um die Ernied­rigung und Aus­merzung ihrer Feinde. So gerierte sich der vor­sit­zende Richter Freisler auch während des ganzen Pro­zesses „tobend, schreiend, bis zum Stimm­über­schlag brüllend, immer wieder explosiv auf­springend“.
Auf der anderen Seite, auf der Ankla­gebank sitzen blut­junge Men­schen, die Geschwister Hans und Sophie Scholl und ihre Freunde und Mit­kämpfer. Andere Freunde wie Willi Graf, Hans und Susanne Hirzel, Heinz Kucharski, Traute Lafrenz, Hans Conrad Leipelt, Christoph Probst, Mar­ga­retha Rothe und der Uni­ver­si­täts­pro­fessor Kurt Huber stehen eben­falls hier vor Gericht. Sie standen gegen den Natio­nal­so­zia­lismus auf aus tiefster, innerer Über­zeugung, weil ihnen ihr Gewissen und ihre Ver­ant­wortung vor Gott das auftrug, weil sie bereit waren, für die Freiheit und ihren christ­lichen Glauben und für die Ehre ihres Vater­landes zu sterben. Sie waren auf­richtige, tiefe Patrioten, die Ihr Vaterland zutiefst liebten.
In einem ihrer Flug­blätter stand: „Der deutsche Name bleibt für immer geschändet, wenn nicht die deutsche Jugend endlich auf­steht, rächt und sühnt zugleich, ihre Pei­niger zer­schmettert und ein neues, geis­tiges Europa aufrichtet.“
Willi Graf schrieb in seiner Todes­zelle, wenige Tage vor seiner Hin­richtung, in einem Brief: „Aber die Liebe zu Deutschland wächst von Tag zu Tag, und ich nehme schmerz­vollen Anteil an seinem Geschick und seinen großen Wunden.“
Der Kom­missar Robert Mohr, der Sophie Scholl stun­denlang verhört hatte, erinnert sich an die Aus­sagen Sophie Scholls in ihren letzten Stunden: „Sie ent­schuldige sich ihrer Tränen, indem sie mir mit­teilte: ‘Ich habe mich gerade von meinen Eltern ver­ab­schiedet, und sie werden begreifen. (…) Ich kann nur wie­der­holen, dass dieses Mädel, wie auch ihr Bruder, eine Haltung bewahrt hat, die sich nur durch Cha­rak­ter­stärke, aus­ge­prägte Geschwis­ter­liebe und eine seltene Tief­gläu­bigkeit erklären lässt.“
Die Ver­tei­digung und Liebe zu diesen fun­da­men­talen Werten der Hei­mat­liebe, der Men­schen­liebe und des tiefen, christ­lichen Glaubens gaben diesen jungen Leuten die Cha­rak­ter­stärke, erho­benen Hauptes auch dafür in den Tod zu gehen.
„Es lebe die Freiheit!“ sagte Hans Scholl, als er am Nach­mittag des 22. Februar 1943, einige Minuten nach fünf Uhr auf der Hin­rich­tungs­stätte stand. Dann legte er seinen Kopf unter das Fallbeil. Wenige Minuten vorher war seine Schwester Sophie ebenso hin­ge­richtet worden. Es folgten weitere Enthauptungen.
„Freiheit“ war auch das Wort, das Sophie Scholl auf die Rück­seite ihrer Ankla­ge­schrifts­org­fältig, in großen Lettern geschrieben hatte. Hans’ und Sophies Schwester Inge Aicher-Scholl erinnert sich an die Schil­derung ihrer Eltern, als diese sich von den beiden zum Tode ver­ur­teilten ver­ab­schie­deten: „Da war diese wun­dersame Bereit­schaft, mit der sich Sophie von ihrem Leben löste, und ihr strah­lendes Lächeln, als schaue sie in die Sonne“. Und weiter schreibt die Schwester: „Nach dem Abschied gingen sie dann ganz furchtlos, gelassen und von einem tiefen Enthu­si­asmus erfüllt.“ 
“Ich habe noch nie jemanden so sterben sehen”, sagte der Henker Johann Reichhart, der 3000 Men­schen in der Nazizeit köpfte, nach dem Krieg staunend über Sophie Scholl.
Bei der Beer­digung der Geschwister segnete der Gefäng­nis­pfarrer Karl Alt Sophie und Hans mit den Worten des Johannes-Evan­ge­liums aus: „Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben hingibt für seine Freunde.“ 
Die Helden der „Weißen Rose“ werden heute auf ihren anti­fa­schis­ti­schen Aspekt und den Wider­stand gegen die Natio­nal­so­zia­listen redu­ziert. Zahl­reiche Straßen, Plätze, Schulen sind nach ihnen benannt. Zu Recht.
Dieser Wider­stand war aber nicht ein Wert an sich, sondern eine Kon­se­quenz aus den tief­emp­fun­denen Werten, die das Leben und den Cha­rakter der Geschwister Scholl und ihrer Freunde bestimmten und aus denen sie die Kraft schöpften, gegen Unter­drü­ckung, Ras­sismus, Faschismus, Mord, Krieg und Unfreiheit aufzustehen.
Gerade die „Weiße Rose“ und die Geschwister Scholl zeigen klar auf, dass Patrio­tismus nichts, aber auch gar nichts mit Faschismus zu tun hat. Denn die tief emp­fundene Liebe zum eigenen Volk, zur Heimat, zur eigenen Kultur, Religion, Sprache, Musik, Land­schaft, ihren Men­schen, die all dies leben und wei­ter­geben, trägt ja schon in sich, dass jeder, der so emp­findet, die­selben Emp­fin­dungen auch bei allen anderen Völkern achtet und mit Respekt betrachtet.
Der 2006 ver­storbene Hans Hirzel war einer der Kame­raden aus dem Umfeld der „Weißen Rose“. In einem Interview sagte er: „Bei meiner ersten Begegnung mit Hans Scholl, im Februar 1942, sprachen wir über die – unserer Ein­schätzung nach – Deutschland bevor­ste­hende Kata­strophe. Und auch über die Frage, ob junge Leute wie wir deshalb im „hitler-geg­ne­ri­schen“ Sinn etwas unter­nehmen sollten, und wenn ja, was. [ … ] Unser Wider­stand war aus­ge­sprochen patrio­tisch: Über meine Motive habe ich schon gesprochen, denken Sie aber auch an Willi Grafs vor­letzten Brief, in dem er von seiner „Liebe zu Deutschland“ sprach.“
Anti­fa­schismus und Anti­ras­sismus sind kein Wert an sich. Denn ohne die wahren, dem Faschismus und Ras­sismus ent­ge­gen­ste­henden, tie­feren Werte wie Liebe zu den Men­schen, zu Gott und seiner Schöpfung, zur Heimat, zur Familie, zur Freiheit, sind Anti­fa­schismus und Anti­ras­sismus ja eben­falls nur Ideo­logien und „Bewe­gungen“, die ihre einzige Legi­ti­mation aus der Defi­nition des Feind­bildes und dessen Ver­nichtung her­leiten. Und um den Feind zu zer­schmettern, bedient man sich genau des­selben Instru­men­ta­riums, wes­wegen man den Feind ja so ver­ur­teilt: Gewalt, Hass, Aus­grenzung, Ent­wür­digung, Terror, Unter­drü­ckung, Benach­tei­ligung oder Bevor­zugung auf­grund von Haut­farbe, Vor­ver­ur­teilung, Intoleranz.
Genau das führen uns die Antifa und extremen Linken ja vor. Die Ideo­logie, die sich heute Anti­fa­schismus nennt, verhält sich ja lupenrein faschis­tisch und das, was im Namen des Anti­ras­sismus geschieht ist einfach nur umge­kehrter, anti-weißer Rassismus.
Men­schen mit Werten, wie sie die Geschwister Scholl lebten, brauchen keine Ideo­lo­gie­kon­strukte wie „Antras­sismus“, „Anti­fa­schismus“ oder „Anti­ka­pi­ta­lismus“, weil sie von ihren Über­zeu­gungen, ihren Werten und ihrem Glauben her gar nicht ras­sis­tisch, kapi­ta­lis­tisch oder faschis­tisch sein können.
Das Problem des Zustandes unserer heu­tigen Gesell­schaft liegt darin, dass wir keine echten Werte mehr leben, sondern uns in einem Pseudo-Wer­te­system der Poli­tical Cor­rectness ein­ge­richtet haben. Die PC hat Recht, Gesetz, Moral, Werte, Phi­lo­sophie und Religion, ja, sogar Gott ersetzt. Sie ist die D‑Produktion des mensch­lichen Geistes. Sie ist eine billige Plas­tik­ver­schalung, die eine Bruchbude als solides Zie­gel­steinhaus erscheinen lässt. Sie ist von echten Werten soweit weg, wie eine auf­blasbare Sex­puppe von der lie­benden und geliebten Frau.
Wäre der durch­schnitt­liche, junge Mensch heute noch bereit, für seine Werte zu sterben? Und welche sind die?
Die Shell Jugend­studie, durch­ge­führt von TNS Infratest Sozi­al­for­schung 2015 befragte 12–25 jährige Deutsche, was ihre Prio­ri­täten sind.  (Nach Werten fragt man heute offenbar nicht mehr.) Was würde man erwarten?
Liebe zu Gott und seiner Schöpfung?
Dem eigenen Land zu dienen?
Jedermann gegenüber hilfs­bereit und gerecht zu sein?
Einen lie­benden Men­schen als Lebens­partner zu finden?
Eine Familie zu gründen und für sie da zu sein?
Edel zu sein, hilf­reich und gut?
Die zehn Gebote zu beachten?
Sich weiter zu entwickeln?

 
Das sind keine Werte. Das meiste ist eher ego­zen­trisch. Eine hübsche Mischung aus Ego­ismus, guten Vor­sätzen, per­sön­lichen Ambi­tionen, Träumen, Life­style und PC.
Sophie Scholl hat das Kind im weißen Tauf­kleid auf die anderen Seite des Abgrundes der Zeit unter Hingabe ihres eigenen Lebens gerettet. Es ist ihr Ver­mächtnis, die Zukunft, die Unschuld, unser aller Kind, ein neuer Anfang.
Gehen wir zu ihm und heben es in Liebe auf.
 
 

Ich bin nach wie vor der Meinung,
das Beste getan zu haben, was ich gerade jetzt für mein Volk tun konnte.
Ich bereue deshalb meine Hand­lungs­weise nicht
und will die Folgen, die mir aus meiner Hand­lungs­weise erwachsen
auf mich nehmen.

(Sophie Scholl)