Das neue, baye­rische Poli­zei­auf­ga­ben­gesetz: “Macht­be­fug­nisse, wie es sie seit 1945 nicht gegeben hat!”

Der neue Entwurf zur Aus­weitung des baye­ri­schen Poli­zei­auf­ga­ben­ge­setzes umfasst mehr als 100 Seiten. Es soll in den nächsten Tagen im Baye­ri­schen Landtag ver­ab­schiedet werden. Die Polizei wird mit wesentlich weit­rei­chen­deren Befug­nissen aus­ge­stattet als je zuvor. Die Freiheit des ein­zelnen Bürgers wird mas­sivst ein­ge­schränkt. Man kann schon sagen, dass die Mög­lich­keiten, die das neue Gesetz der Polizei bietet, ein­deutig in Richtung Repression abrutschen.
Am 07. Februar wurde das neue Poli­zei­auf­ga­ben­gesetz (PAG) im Landtag in erster Lesung beraten. Die zweite Lesung und Ver­ab­schiedung steht kurz bevor. Wird das Gesetz so beschlossen, wie es jetzt vor­liegt, wäre es das här­teste Poli­zei­gesetz in Deutschland seit 1945.
Was besonders ins Auge sticht: Die so genannte „Ein­schreit­schwelle“ für die Polizei wird deutlich abge­senkt. Hierbei geht es in erster Linie um die Prä­vention, also ein­zu­greifen, bevor jemand eine Straftat begangen hat, um die mög­liche Straftat zu verhindern.
Im Juli 2017 hatte der Baye­rische Landtag das so genannte Gefähr­der­gesetz ver­ab­schiedet. Damit war der Begriff des „Gefährders“ offi­ziell ein­ge­führt. Das heißt, ein Mensch kann wegen der Wahr­schein­lichkeit, dass von ihm Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum anderer ausgeht, unter Beob­achtung gestellt werden oder via elek­tro­ni­scher Fuß­fessel über­wacht, auch dann, wenn er noch nie eine Tat begangen hat, denn es reicht, wenn eine dro­hende Gefahr fest­ge­stellt wird.
Neu: Drei Monate Prä­ven­tivhaft mit unend­licher Ver­län­gerung möglich
Das mag eine Mög­lichkeit sein, poten­tielle isla­mis­tische Ter­ro­risten oder links- wie rechts­ra­dikale, gewalt­be­reite Indi­viduen von sehr wahr­scheinlich geplanten Taten abzu­halten. Aber letzt­endlich ist die ganze Begriffs­de­fi­nition sehr schwammig gehalten. Bei einer solchen „dro­henden Gefahr“ konnte ein „Gefährder“ auch bisher in Prä­ven­tivhaft genommen werden, musste aber nach 14 Tagen wieder auf freien Fuß gesetzt werden.
Nach den neuen Bestim­mungen soll es möglich sein, einen Gefährder drei Monate prä­ventiv zu inhaf­tieren, und ihn, wenn es ange­raten erscheint und er nicht dar­legen kann, dass er jetzt kein Gefährder mehr ist, weitere und weitere drei Monate in Haft zu halten … im Prinzip wäre es lebenslang möglich. Ohne eine begangene Tat, ohne Gerichts­ver­fahren, ohne Revi­si­ons­mög­lichkeit. Es liegt im Ermessen der Polizei, ob jemand in Prä­ven­ti­onshaft kommt oder nicht.
Filmen bei Demonstrationen
Während bisher Demons­tra­tionen nur dann gefilmt werden durften, wenn Straf­taten zu erwarten waren (was auch Ermes­sens­sache ist und leicht zu kon­stru­ieren), darf die baye­rische Polizei das in Zukunft in Form von „Über­sichts­auf­nahmen“ grund­sätzlich machen. Statt nur bei Straf­taten können zukünftig auch schon bei Ord­nungs­wid­rig­keiten die Bild­daten mit anderen, archi­vierten Bild­da­teien abge­glichen werden, um den Betref­fenden zu iden­ti­fi­zieren – und zwar unter bestimmten Vor­aus­set­zungen auch unter Zuhil­fe­nahme von „Sys­temen zur auto­ma­ti­schen Erkennung und Aus­wertung von Mustern“ von Gesichtern, Gegen­ständen und Ver­hal­tens­weisen der Zielpersonen.
Das bezeichnet der Rechts­anwalt Hartmut Wächter als ver­fas­sungs­widrig. Seiner Meinung nach stehen solche grund­sätz­lichen Über­wa­chungs-Video­auf­nahmen im Gegensatz zum Grund­gesetz. Eine solche Gene­ral­über­wa­chung und will­kür­liche Iden­ti­fi­zierung schüchtert den Bürger ein und ver­ängstigt ihn. Mög­liche Repres­salien würden den Bürger davon abhalten, zu demons­trieren. Selbst dann, wenn er gar nicht die Ziel­person ist, aber zufällig neben einer solchen Ziel­person mit erfasst und gesehen wird, gerät er in den Fokus kann emp­find­liche Nach­teile erleiden.
Wacht­meister oo7: Aus­spio­nieren von infor­ma­ti­ons­tech­ni­schen Systemen
Droht eine Gefahr, darf die baye­rische Polizei zukünftig auch prä­ventiv auf die ver­schie­densten elek­tro­ni­schen Daten zugreifen. Sie kann Pass­wörter, Zugangs­daten und alle auf dem Gerät gespei­cherte Daten abgreifen, auch ver­deckt. Das gilt auch für Clouds. Bei drin­gender Gefahr hat die Polizei das Recht, Daten zu löschen oder zu verändern.
Mit der­selben Begründung darf sie auch in jede Art von Tele­kom­mu­ni­kation ein­greifen. Sie darf die Kom­mu­ni­kation unter­brechen oder ver­hindern. Sie darf die per­sön­liche Briefpost beschlag­nahmen. Ist dabei „Gefahr im Verzug“ braucht dies nicht einmal eine Rich­ter­liche Erlaubnis.
Das allein eröffnet der baye­ri­schen Polizei im Prinzip schon das Feld der Geheim­dienst­me­thoden. Aber es geht noch viel tiefer in die Welt der Secret Services:
Die baye­rische Polizei darf nach diesen Bestim­mungen mit ver­deckten Ermittlern und fal­schen Iden­ti­täten arbeiten. Solange die Ermittlung nicht vopn vor­ne­herein auf eine anvi­sierte Ziel­person gerichtet ist (wer will das über­prüfen?). Diese neue Bestimmung ist dazu da, dass Ermittler sich unter fal­scher Iden­tität in Online-Foren, soziale Netz­werke und Chat­rooms ein­schleusen und mit­hören. Auch die Teil­nahme von V‑Männern bzw. ‑Frauen der Polizei bei Treffen von poli­ti­schen Gruppen ist hier beabsichtigt.
Die Polizei kann bestimmen wohin Du gehen darfst und wohin nicht
Die Sou­ve­rä­nität des freien Bürgers kann hier dras­tisch ein­ge­schränkt werden. Ist jemand als „Gefährder“ ein­ge­stuft, kann er nicht mehr bestimmen, wo er sein will oder wohin er geht. Auch hier muss die Polizei keinen Richter fragen. Sie kann kann bestimmen, wo der Gefährder sich auf­halten muss, zum Bei­spiel in seiner Wohnung, die er dann nicht ver­lassen darf oder wohin er nicht gehen darf. Die Polizei darf das über­wachen. Zuwi­der­handlung sind strafbar.
Rechts­anwalt Hartmut Wächter ist besorgt. In einem kurzen Radio-Interview erläutert er das neue Gesetz:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzep­tieren Sie die Daten­schutz­er­klärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden