Gestern Morgen habe ich die neue Studie von McKinsey zur Produktivitätsentwicklung näher betrachtet. Darin gibt es die Hoffnung, dass mit höherem Wachstum und besserer Beschäftigung auch die Produktivität wieder mehr zunimmt. Die Studie beinhaltet zahlreiche interessante Aspekte. So die Erklärung der Ursachen für die Veränderung des Produktivitätswachstums in den letzten Jahren. Dies beinhaltet eine – wie ich finde – eindeutige Warnung für Deutschland. Erneut wird klar, dass wir uns in einer Wohlstandsillusion befinden, weil billiger Euro und tiefe Zinsen uns eine Wettbewerbsfähigkeit vorgaukeln, die wir gar nicht mehr in dem Maße haben.
Zunächst die allgemeine Kommentierung von McKinsey zu den Ursachen für den Rückgang der Produktivitätszuwächse:
- „First, the recovery from the financial crisis has been characterized by low ‚numerator‘ (value added) growth accompanied by robust ‚denominator‘ (hours worked) growth, creating a job-rich but productivity-weak recovery.“
– Fazit: Glücklicherweise kann man da nur sagen, wäre doch sonst die Arbeitslosigkeit noch höher gewesen. - „Second, looking across more than two dozen sectors, we find few ‚jumping‘ sectors today, and the ones that are accelerating are too small to have an impact on aggregate productivity growth. (…) The distinct lack of jumping sectors we have found across countries is consistent with an environment in which digitization and its benefits for productivity are happening slowly and unevenly.“
– Fazit: Es gab also keine Basisinnovationen, die ganz neue, rasch produktiver werdende Sektoren begründet haben. Hier dürften auch die Zombies eine Mitschuld tragen. - „Third, since the Great Recession, capital intensity, or capital per worker, in many developed countries has grown at the slowest rate in postwar history. An important way productivity grows is when workers have better tools such as machines for production, computers and mobile phones for analysis and communication, and new software to better design, produce, and ship products, but this has not been occurring at rates that match those recorded in the past.“
– Fazit: Warum sollten Unternehmen auch investieren? Habe ich doch heute Morgen schon hinterfragt.
Doch nun zu der wirklich interessanten Analyse der Ursachen für die Veränderung gegenüber früheren Zeiträumen:
Quelle: McKinsey
- Nehmen wir mal Deutschland. Im Zeitraum 2000 bis 2004 wuchs die Arbeitsproduktivität um 1,7 Prozentpunkte. Im Zeitraum 2010 bis 2014 nur um 0,9 Prozentpunkte. Der Rückgang von 0,8 Prozentpunkten lässt sich nach McKinsey so erklären: die Kapitalausstattung pro Kopf der Beschäftigten ging zurück (-0,7-%-Punkten), die Qualität der Mitarbeiter wurde schlechter (-0,4-%-Punkten), der Mixeffekt (also welche Industrien welchen Anteil haben) verschlechterte sich (-0,1-%-Punkten). Positiv war die Veränderung des „Total Factor Productivity“ Wachstums mit +0,5-%-Punkten, was dann zum Saldo von ‑0,8 führt.
- Wichtig ist, was Total Factor Productivity (TFP) bedeutet: „often used as a proxy for technological progress, reflects the output of goods and services produced from inputs including labor, capital, energy, materials, and purchased services. It is calculated as a residual, after the impact of other factors of production has been taken into account. TFP is calculated either as the residual of value added, after the effects of capital and labor quality have been accounted for, or as the residual of gross output, after the effects of capital, labor quality, and the intermediate inputs of energy, materials, and purchased services have been accounted for.“
- Was bedeutet es denn für Deutschland? Es zeigt für mich nochmals, in was für einer Wohlstandsillusion wir uns befinden: Wir sind nicht besser geworden. Wir haben eine schlechtere Kapitalausstattung, abnehmende Arbeitskräftequalität und nur geringe technologische Fortschritte. Wir wachsen zudem in den weniger produktiven Sektoren. All dies wäre nicht möglich, hätten wir die Deutsche Mark noch. Der Euro wirkt wie ein Subventionsprogramm für die (Export-)Industrie und deshalb können wir trotz dieser Verschlechterung weiter große Handelsüberschüsse erzielen. Das unterstreicht meine These, dass der Euro uns in Wahrheit schwächt, weil er die Wettbewerbsfähigkeit erodiert.
Es bleibt offen, ob der Optimismus McKinseys gerechtfertigt ist. Mit Blick auf Deutschland zeigen die Daten ein wenig erfreuliches Bild. Die Qualität des Arbeitskräfteangebots dürfte weiter gesunken sein und weiter sinken, investieren tun unsere Unternehmen am liebsten im Ausland und es ruhen sich zu viele in der Wohlstandsillusion aus, die der billige Euro und tiefen Zinsen schaffen.
→ McKinsey: „Solving the productivity puzzle“, Februar 2018
Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com