Vor ein paar Tagen habe ich die Risiken steigender LIBOR-Raten für das Weltfinanzsystem diskutiert. Jetzt kam der neueste „Global Shadow Banking Monitoring Report“ der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich auf den Markt. Nachricht: Die Finanzassets wachsen weltweit schnell wie immer – was ja nicht überraschen kann, wachsen doch auch die Schulden. Die Studie zeigt aber auch die Dimensionen des „unregulierten Bereiches“, die zudem anfällig für „Runs“ sind. Die Zahlen machen Sorgen!
Quelle: FSB
45 Billionen Dollar halten die „Shadow Banks“ (die dieses „Geld auch zum Teil geschaffen haben). Mindestens 72 % (!!) davon sind „susceptible to runs“. Klartext: Wenn dort die Investoren Geld abziehen, droht eine Kettenreaktion. Die Notenbanken müssten „retten“, obwohl es gar keine Banken sind. Immerhin 32,4 Billionen US-Dollar (nimmt man die 16 % die vom „short-term funding“ abhängig sind, dazu, kommen wir auf 39,6 Billionen). Das Wachstum der Notenbankbilanzen der letzten zehn Jahre war rund 15 Billionen. So viel zur Einordnung des Problems. Wir sind einfach so hoch geleveraged wie noch nie in der Geschichte und es droht der ultimative Margin Call.
Es gibt Skeptiker an den Märkten, die es auch schaffen, trotz ihrer Skepsis Geld zu verdienen. Der Hedge-Fund-Manager Mark Spitznagel soll dazugehören. In einem Interview mit der NZZ hat er sich recht interessant geäußert. Wie immer bei bto nur die Highlights:
- „Die Kursentwicklung an den Finanzmärkten ist in den vergangenen Jahren durch die Interventionen der Zentralbanken massiv verzerrt worden. (…) Ich gehe davon aus, dass es an den internationalen Finanzmärkten in allen Bereichen zu einem «Repricing» kommt. Alles, was aufgrund der willkürlichen Zinsmanipulation der Zentralbanken an Wert gewonnen hat, wird einen grossen Teil davon wieder abgeben müssen. Wann das sein wird, lässt sich kaum sagen, es ist aber nur eine Frage der Zeit.“
– Fazit: Wer könnte da widersprechen? Die Frage ist neben dem Timing auch die Größenordnung und vor allem nach den realwirtschaftlichen Konsequenzen. - (Zurzeit) „(…) fliegen all die verrückten Anlagestrategien auf, die unter der irrationalen Annahme verfolgt wurden, die Volatilität bleibe ewig tief und die Bewertungen blieben hoch. Die Märkte scheinen zu realisieren, dass es doch zu Inflation kommen könnte und wie unhaltbar Positionen sind, die im Unglaube daran eingegangen wurden.“
– Fazit: was in der Tat das Grundproblem zusammenfasst. Alles ist zur Perfektion bepreist. - „Wenn es irgendwann eine grössere Kursbewegung nach unten gibt, kann man nicht die Wetten auf tiefe Volatilitäten an sich dafür verantwortlich machen, sondern die unglaublichen Verwerfungen in den Märkten aufgrund der Geldpolitik. Die Anleger sind auf der verzweifelten Suche nach Rendite noch viel grössere und verrücktere Wetten eingegangen. (…) Sobald sich das ändert, worauf die jüngsten Turbulenzen hindeuten können, versuchen alle gleichzeitig auszusteigen. Das muss zusammen mit schwindender Liquidität zu dem führen, was man gemeinhin als Crash bezeichnet.“
– Fazit: So laufen die gemeinhin ab, getrieben auch vom gestiegenen Leverage. - „Ein Börsencrash ist historisch gesehen immer die Folge von monetärem Interventionismus. Wir leben in einer Zeit, in der es in einem Ausmass zu geldpolitischen Manipulationen gekommen ist wie noch nie zuvor. So gesehen, würde es mich auch nicht überraschen, wenn es zu einem Crash kommen würde, wie es ihn noch nie zuvor gegeben hat. Ob nun an einem Tag wie 1987 oder nicht – das ist nicht so wichtig. Die Finanzwelt ist so verrückt wie nie zuvor, und das wird sich eines Tages rächen.“
– Fazit: was allerdings zu der Frage führt: Wie kann ich mein Vermögen schützen? - „(…) alles, was die Anleger in den vergangenen Jahren gewagt haben, beruht (auf dem Glauben an den Fed Put). Wir werden aber irgendwann an einen Punkt kommen, an dem er nicht mehr wirkt – wie in der letzten Finanzkrise zum Beispiel. (…) Ich warne aber dringend davor, auf die Diversifikation zu vertrauen. Diese hilft in Krisen nicht. (…) Denn in der Krise gehen die Korrelationen durch die Decke (…).“
– Fazit: Das ist wirklich so. Ich empfehle ja auch immer Diversifikation allerdings auch mit einer entsprechenden Cashquote. - „Würde ich eine weit aus dem Geld liegende Verkaufsoption von einer Bank kaufen, so wäre das, wie wenn ich eine Versicherung gegen den Untergang der Titanic erwerben würde von jemandem, der selbst auf der Titanic mitfährt. Sie rechnen mit Bankenpleiten? Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt. Sicher ist aber, dass die Notenbanken die Investoren gezwungen haben, wirklich verrückte Dinge zu machen. Ich fürchte, in unserem Wirtschaftssystem wird zu viel Fremdkapital eingesetzt, um noch etwas Rendite herauszukitzeln.“
– Fazit: Und dies seit mehr als 30 Jahren! - „Man braucht nur auf die Margin-Kredite an der Börse zu schauen, auf die Unternehmensverbindlichkeiten, auf die Schulden der privaten Haushalte und der Staaten usw. Alle diese Positionen sind so gross wie noch nie, was uns wirklich Angst machen sollte.“
– Fazit: auch mir, wie dieser Blog beschreibt. - „Ich bin ein Anhänger der Österreichischen Schule. Diese blickt auf das Wachstum des Geldangebots. Das kann sich in verschiedenen Formen zeigen, zum Beispiel in enormer Vermögenspreisinflation wie in den vergangenen Jahren. Fallen diese Preise, kommt es genau zu jener Deflation, die das Fed so fürchtet. In meinen Augen sind sinkende Preise gut, weil sie für eine gesunde, sich entwickelnde Volkswirtschaft stehen.“
– Fazit: Das stimmt! Deflation ist gut und ist – wie wir wissen – systemimmanent in einer Eigentumsökonomie/Debitismus. - „Ziehen die Renditen an den Bondmärkten aufgrund der steigenden Inflation an, kann man mangels Persönlichkeiten vom Kaliber Paul Volckers nichts mehr dagegen unternehmen. Das ist ein Szenario, das offensichtlich derzeit herumspukt. Zweitens können die Märkte einfach nur unter dem Gewicht der Gesamtverschuldung zusammenbrechen, wenn das deflationäre Umfeld weiter besteht und die Zinsen tief bleiben.“
– Fazit: was aber mit dem Timing schwer ist. - „Ich beobachte die Entstehung dieser Kursblase schon eine Weile und wiederhole mich: Erstens wird sie in einem Desaster enden. Zweitens kann man nicht dagegen wetten, weil in der Zwischenzeit auf dem Weg nach oben die verrücktesten Dinge passieren können. Für mich ist das Verhältnis von Ertrag zu Risiko solcher Manöver nicht attraktiv.“
– Fazit: ernüchternd. Leider.
→ NZZ: „Die Finanzwelt ist so verrückt wie noch nie zuvor – das wird sich eines Tages rächen“, 22. Februar 2018
Hier der Link zum Report des Financial Stability Boards:
→ Global-Shadow-Banking-Monitoring-Report-2017
Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com