Grie­chische Sommer(alp-)träume: Kauft die EZB im Sommer den Markt für grie­chische Staats­an­leihen leer?

Wenn im Sommer das Hilfs­pro­gramm für Grie­chenland aus­läuft, könnte die EZB in kür­zester Zeit den Markt für grie­chische Staats­an­leihen leer­kaufen. Grie­chenland bräuchte dann de facto keinen Markt mehr, um sich zu refi­nan­zieren, nur die EZB.
(Von Prof. Dr. Bernd Lucke)
Das Anlei­he­kauf­pro­gramm PSPP der EZB
Zwi­schen März 2015 und Dezember 2017 hat das Euro­päische System der Zen­tral­banken (ESZB) unter der Regie der Euro­päi­schen Zen­tralbank (EZB) monatlich Anleihen im Wert von 60 Mil­li­arden Euro im Rahmen des Expanded Asset Purchase Pro­gramme (EAPP, bis­weilen auch als Quan­ti­tative Easing (QE) bezeichnet) auf­ge­kauft. Seit Januar 2018 liegen die monat­lichen Käufe nunmehr bei 30 Mil­li­arden Euro. Der Löwen­anteil des Pro­gramms ent­fällt mit etwa 80% auf das Public Sector Purchase Pro­gramme (PSPP) und auf Käufe von Anleihen der öffent­lichen Hand, die am Sekun­där­markt erworben werden. Bis Januar 2018 wurden Staats­an­leihen für etwa 1,91 Bil­lionen Euro auf­ge­kauft. Das Pro­gramm läuft noch offi­ziell bis Sep­tember 2018, eine Ver­län­gerung ist jedoch kei­nes­falls ausgeschlossen.
Der Beschluss des EZB-Rats sah eigentlich vor, dass die Anlei­he­käufe gemäß den Kapi­tal­an­teilen der Euro-Mit­glieds­staaten erfolgen. Diese Leit­linie an sich war bereits eine Bevor­zugung der hoch­ver­schul­deten Staaten der Eurozone, denn bei den Kapi­tal­an­teilen werden neben dem Brut­to­in­lands­produkt (BIP) auch die Bevöl­ke­rungs­größe berück­sichtigt. Dadurch wird ein höherer Anteil an Anleihen hoch­ver­schul­deter Staaten gekauft, als dies bei rein BIP-ori­en­tierten Käufen der Fall gewesen wäre.
Die Abwei­chungen der Käufe vom Kapi­tal­schlüssel der EZB
Schlimm genug, dass eine Ver­zerrung des Pro­gramms bereits in seiner Aus­richtung angelegt und somit geld­po­li­tisch nicht neutral ist. Zwei Studien von Friedrich Hei­nemann vom Zentrum für Euro­päische Wirt­schafts­for­schung haben nun aber gezeigt, dass sich die EZB auch nicht an diese selbst­ge­steckte Regel hält. Käufe von bel­gi­schen, öster­rei­chi­schen, fran­zö­si­schen, ita­lie­ni­schen und spa­ni­schen Anleihen wurden demnach in 2017 über­ge­wichtet. Wegen der zuneh­menden Knappheit auf­kauf­fä­higer Titel anderer Staaten liegt der Schluss nahe, dass diese Ver­zerrung künftig noch zunehmen wird und die Käufe somit noch stärker vom Kapi­tal­schlüssel abweichen werden. Die Ver­zerrung bei den neuen Käufen wird sich mit­tel­fristig zwangs­weise in den Beständen des ESZB wie­der­spiegeln. Dieser Rück­schluss gilt auch, wenn man berück­sichtigt, dass grie­chische Staats­an­leihen bislang über­haupt nicht erworben wurden.
Das Ende des grie­chi­schen Hilfsprogramms
Dieser Umstand könnte sich ab Sommer 2018 ändern. Im August 2018 läuft das dritte Ret­tungs­pro­gramm für das Land aus. Anschließend müsste sich Grie­chenland an den Märkten wieder selber frische Kredite besorgen. Das könnte dem Land mit Hilfe der EZB aber leichter fallen, als es zunächst aus­sieht. Denn wenn min­destens eine der vier großen Rating­agen­turen (Standard and Poor’s, Moody’s, Fitch und DBRS) die Anleihen des Lands wieder als inves­ti­ti­ons­würdig ein­stuft, würden sie sich für das PSPP qualifizieren.
Ange­sprochen auf die Abwei­chungen der Käufe vom Kapi­tal­schlüssel der EZB hat der Prä­sident der EZB, Mario Draghi, kürzlich klar­ge­stellt, dass er darin kein Problem sieht, sofern die Bestands­größen nicht deutlich vom Kapi­tal­schlüssel abwichen. Das lässt den Rück­schluss zu, dass die EZB ab Sommer mas­senhaft grie­chische Staats­an­leihen kaufen könnte.
Kauf die EZB im Sommer nur noch grie­chische Anleihen?
Im August 2018 wird das ESZB Anleihen für 2,53 Bil­lionen Euro gekauft haben. Davon werden 80% auf das PSPP ent­fallen, also etwa 2,02 Bil­lionen Euro. Berück­sichtigt man, dass Nicht-Euro-Staaten eben­falls Kapi­tal­an­teile an der EZB halten, die nicht berück­sichtigt werden, liegt der grie­chische Kapi­tal­anteil bei 2,9%. Das bedeutet, dass theo­re­tisch 59 Mil­li­arden der Anlei­he­käufe auf grie­chische Anleihen ent­fallen müssten. Da im Rahmen des PSPP aber bislang keine einzige grie­chische Staats­an­leihe gekauft wurde, müsste das ESZB in kurzer Zeit und in großem Ausmaß grie­chische Anleihen auf­kaufen, um den grie­chi­schen Anteil am Kapi­tal­schlüssel zu erreichen. Da die Käufe seit Januar 2018 auf monatlich 30 Mil­li­arden Euro redu­ziert wurden und nach Draghis Lesart des Pro­gramms bei den Käufen kurz­fristige Abwei­chungen vom Kapi­tal­schlüssel der EZB keine Rolle spielen, würden in den ver­blei­benden zwei Monaten aus­schließlich grie­chische Staats­an­leihen gekauft werden. Wird das PSPP über Sep­tember hinaus ver­längert, könnten die Anteile grie­chi­scher Anleihen ent­spre­chend geringer aus­fallen. Dafür würde sie im Gegenzug über einen län­geren Zeitraum hinweg aufgekauft.
Das würde bedeuten, dass Grie­chenland nach Ende des Pro­gramms keinen Markt brauchen würde, um sich zu refi­nan­zieren. Die Inves­toren könnten am Pri­mär­markt grie­chische Staats­an­leihen kaufen, nur um sie unmit­telbar danach am Sekun­där­markt an die EZB wei­ter­zu­ver­kaufen. Es wäre ein wei­terer Beleg dafür, dass es sich bei dem Pro­gramm mit­nichten um eine rein geld­po­li­tische Ope­ration, sondern um monetäre Staats­fi­nan­zierung handelt.
 


Von Prof. Dr. Bernd Lucke für TheEuropean.de