Atom­krieg: Die Drohung mit dem gemein­samen Selbstmord

Auf der ganzen Welt gibt es – laut der Seite Sta­tista — ins­gesamt 14.465 Atom­spreng­köpfe. Die meisten davon sind im Besitz der USA und Russ­lands. Das Argument, das diese fürch­ter­lichen Waffen recht­fer­tigen soll, heißt „Abschre­ckung“. Die Bot­schaft lautet: „Wer mich angreift ist sofort tot“. Was in dieser Glei­chung Angriff = Selbstmord nicht mit berück­sichtigt wird, ist der Faktor der glo­balen kli­ma­ti­schen Aus­wir­kungen von Atomwaffen.
Ein Team US-Ame­ri­ka­ni­scher Wis­sen­schaftler hat sich dar­an­ge­macht, aus­zu­rechnen, was denn pas­sieren würde auf der Welt, wenn eine Atom­macht auf den roten Knopf drückt. David C. Den­ken­berger von der Ten­nessee State Uni­versity und Joshua M. Pearce von der fin­ni­schen Uni­ver­sität Aalto haben sich dieser Aufgabe gestellt. Unter dem Titel „A National Prag­matic Safety Limit for Nuclear Weapon Quan­tities“ gibt es die Arbeit als PDF zum Download.
Atom­bomben wirken bekann­ter­maßen nicht nur bei der Explosion ver­heerend, sondern ver­giften und töten alles im Umkreis durch ihren radio­ak­tiven Fallout. Sie machen durch die sich nur langsam abbauende Strahlung auf lange Zeit ganze Regionen unbe­wohnbar. Werden gleich ganze Städte durch große Atom­bomben ver­nichtet, wurden nicht nur Mil­lionen Men­schen­leben, Tiere und Pflanzen aus­ge­löscht. Riesige Ruß- und Staub­wolken aus bren­nenden Städten würden auf­steigen und den Himmel ver­dunkeln: der soge­nannte atomare Winter, der die Welt ver­dunkelt und mit radio­ak­tiven Nie­der­schlägen ver­seucht. Diese Wolke bleibt aber nicht sta­tionär über dem getrof­fenen Gebiet, sondern zieht mit den Winden um den Globus. Das Ausmaß der Aus­wir­kungen hängt natürlich von der Anzahl der ein­ge­setzten Atom­spreng­köpfe ab. Bei einem grö­ßeren Einsatz von Atom­bomben breitet sich ein dichter, radio­ak­tiver, dunkler Staub­schleier um die Erde aus, durch den Son­nen­licht und ‑wärme nur mühsam hin­durch­dringt. Radio­ak­tiver Regen ver­giftet die Felder für viele Jahre. Weite Teile der Natur und der Tiere sterben ab. Die Lebens­mit­tel­ver­sorgung bricht zusammen und Hun­gersnöte raffen die Men­schen dahin.
Die beiden Wis­sen­schaftler Den­ken­berger und Pearce haben sich mit dem Sze­nario „Nukle­ar­krieg zwi­schen USA und China“ beschäftigt. Sie berech­neten, wie groß die oben beschrie­benen Aus­wir­kungen anhand eines „Groß­schadens“ von 7.000 Nukle­ar­spreng­köpfen wären, ein „mit­tel­großer Atom­krieg“ mit 1000 Atom­bomben und ein „kleines Sze­nario“ beim Einsatz von 100 solcher Bomben.
Dabei gehen sie bei den Berech­nungen nicht einmal von einem Gegen­schlag des getrof­fenen Landes aus. Zusätzlich nehmen sie den Ide­alfall an, dass die vor­han­denen Lebens­mit­tel­re­serven der Welt nach diesem Atom­schlag effektiv ratio­niert, ver­teilt und ver­waltet werden. Ebenso lassen sie Ver­tei­lungs­kämpfe in der Bevöl­kerung um Nahrung außen vor, was schon eine sehr opti­mis­tische Annahme ist. Auch die Aus­wir­kungen des radio­ak­tiven Fallouts bleiben unberücksichtigt.
Den­ken­berger und Pearce waren ver­blüfft, wie düster die Pro­gnosen aus­fielen, selbst unter den optimal ange­nom­menen Vor­aus­set­zungen. Schon der „kleine Atom­krieg“ mit „nur“ 100 Bomben brächte sieben Mil­lionen Tonnen Ruß und Staub in die Atmo­sphäre, was 20% des Son­nen­lichtes absor­bieren würde. Die Erde würde stärker abkühlen als beim Vul­kan­aus­bruch des Tambora im April 1815 in Indo­nesien. Im Jahr 1816 war es dar­aufhin in Deutschland so kalt, dass sogar die Brunnen gefroren. Es gab keine Ernte und der Hunger war überall groß.
Die For­scher gehen opti­mis­ti­scher­weise davon aus, dass die USA mit ihren rie­sigen Agrar­flächen die Aus­wir­kungen des „kleinen Sze­narios“ relativ gut über­stehen würde und es nicht zu Hun­gers­nöten käme. Es gab 1816 zwar keinen echte Hunger in Nord­amerika, aber schwere Ern­te­ein­bußen und enormen Preis­stei­ge­rungen bei Lebens­mitteln. In Europa brachen aber tat­sächlich Hun­gersnöte aus.
Bei allen Modellen mit dem Einsatz von mehr als 100 Atom­bomben, so die Berech­nungen der For­scher, seien die welt­weiten Schäden so gra­vierend, dass in fast allen Ländern der Erde die Lebens­mit­tel­ver­sorgung zusam­men­brechen und die Men­schen zu weiten Teilen ver­hungern würden. Chaos und Hun­ger­kriege täten ein Übriges.
Generell ist die Schluss­fol­gerung der Studie, dass es für kein Land der Welt sinnvoll sei, mehr als 100 Atom­waffen zu haben. Alles andere sei im Ein­satzfall eine Overkill für den ganzen Pla­neten, den nur sehr wenige über­leben würden.