Der Datenkrake Facebook kann einen auch ganz schön in die Patsche reiten. Es wird zwar immer wieder von Datenschützern gewarnt, dass man im „Fratzenbuch“ sein Privatleben sehr öffentlich macht, aber die meisten nehmen das nicht so richtig ernst.
Dass man sich damit ein Riesenei auf die Schiene nageln kann, musste nun ein Nigerianer erfahren. Er kam in die Schweiz, hatte keinerlei Papiere — wie das ja so üblich ist — und erzählte, er werde in seiner afrikanischen Heimat verfolgt. Es sei daher per Flugzeug in die Schweiz geflohen und begehre hier Asyl. Die Schweizer Behörden witterten jedoch Unrat, denn der Mann verwickelte sich bei seinen Angaben zu seiner Identität ständig in Widersprüche und auch seine angebliche Reiseroute änderte sich ständig.
Die Beamten beschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen und recherchierten auf Facebook, ob da etwas zu diesem Mann zu finden sei.
Der Bericht zu dieser Begebenheit erwähnt zwar nicht, wie die Schweizer Beamten auf die wahre Identität des Nigerianers stießen, aber man kann vermuten, dass es entweder Angaben aus seinem Handy waren, möglicherweise Adressen und Namen von Freunden, mittels derer man ihn in Facebook verorten konnten, oder man ließ ein Foto von durch Google oder Facebook laufen um ähnliche Bilder zu finden … jedenfalls wurden die Beamten fündig:
Seine Frau hatte auf Facebook recht hübsche Fotos gepostet, die den armen, verfolgten Flüchtling als stolzen Eigentümer vor seinem Geschäft in Palma de Mallorca zeigen. Dummerweise fiel bei der dann folgenden Kommunikation mit den spanischen Behörden auf, dass der raffinierte Nigerianer schon in Spanien einen Asylantrag gestellt und dort unter falschem Namen seinen Laden betrieben hatte. Nun wird der Oberschlaumeier nicht nur aus der Schweiz nach Spanien abgeschoben, sondern in Spanien erwartet ihn dann auch noch Ärger mit den Behörden. Das Schweizer Staatssekretariat ordnete jedenfalls seine Ausweisung nach Spanien an.
Der Anwalt des mallorcinischen Ladenbesitzers sieht die Rechte seines Mandanten verletzt und reichte Beschwerde gegen den negativen Asylbescheid aufgrund einer Facebook-Recherche ein, allerdings erfolglos. Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht urteilte, die Facebookrecherche sei „keineswegs zu bemängeln“.
Das Staatssekretariat will nun grundsätzlich klären, ob und in welchem Umfang die sozialen Medien mit ihren vielfältigen, öffentlichen Informationen zur Recherche und zur Identifizierung von Asylsuchenden verwendet werden dürfen. Ein Sprecher des Staatssekretariats, Martin Reichlin, sagte der NZZ: „Aus den Angaben, die Asylsuchende auf sozialen Netzwerken veröffentlichen, lassen sich unter Umständen Rückschlüsse ziehen, die für das Asylverfahren von Bedeutung sein können, zum Beispiel Hinweise auf familiäre Beziehungen.“ Es muss nun durch eine interne Arbeitsgruppe abgeklärt werden, ob es für Recherchen auf Facebook, Twitter, Instagram und anderen sozialen Netzwerken und sozialen Medien einer speziellen Rechtsgrundlage bedarf und ob die gefundenen Informationen auch zur Findung von Entscheidungen verwendet werden dürfen.
Ein Sprecher einer Flüchtlingshilfe sieht auch die Notwendigkeit von Regeln für solche Überprüfungen auf sozialen Medien. Zum Beispiel dürften nur öffentliche Informationen verwendet werden. Eine Pflicht der Asylsuchenden, alle ihre privaten Daten zum Beispiel auf Handys offenzulegen, „gehe zu weit“: „Jeder Mensch, ob Schweizer oder Flüchtling, hat ein Anrecht auf Privatsphäre.“
Barbara Steinemann von der Schweizer Volkspartei hat dazu eine andere Meinung: „Wer hier Schutz sucht, der sollte alles tun, um seinen Fall zu belegen. Wer sich weigert, hat etwas zu verbergen.“ Natürlich gebe es auch eine Privatsphäre für Flüchtlinge, aber ein Handy zu kontrollieren, sei für sie ein verhältnismäßiger Eingriff.
Was Recherchen auf Facebook betreffe, so würden auch die Schweizer Sozialämter die Angaben bei Ausländern, sowie bei Schweizern auf Facebook zum Beispiel darauf überprüfen, ob die angegebene Kopfzahl der Familie zutreffend sei. So komme man Schweizer Sozialhilfebetrügern genauso, wie Asylbetrügern auf die Schliche und im Fall des Nigerianers habe ja immerhin dessen Frau selbst die Fotos öffentlich auf Facebook geladen. Hier könne man nun wirklich nicht von Privatsphäre reden.
In Deutschland ist es bereits seit letztem Jahr rechtlich möglich, dass Mitarbeiter des BAMF die Handys von Asylbewerbern auslesen dürfen, um deren Identität besser feststellen zu können. Diese Möglichkeit wurde „zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ geschaffen. Bis dahin war das BAMF auf die Einwilligung des Asylbewerbers angewiesen, es sei denn es bestand ein Verdacht auf Straftaten. Wie wir mittlerweile wissen, ist das Interesse des BAMF, die echte Identität von Asylbewerbern zu ermitteln jedoch äußerst überschaubar.
Interessant: Das Bundesinnenministerium geht davon aus, dass im Jahr 2015 etwa 50 – 60% der Asylbegehrenden für ein Auslesen ihres Handys „in Betracht gekommen wären. Das wären etwa 150.000 Menschen gewesen. Nach Behördenangaben kommt es vor, dass Flüchtlinge falsche Personalien angeben, um eine Abschiebung zu verhindern oder bei Sozialleistungen betrügen zu können.“ schrieb der Stern im Februar 2017. So erfahren wir ganz nebenbei, wie viele wahrscheinlich gar nicht Asylberechtigte schon 2015 einfach hereingelassen, nicht überprüft und mit unbekannter Identität in Deutschland sind.
In der Schweiz wird darüber diskutiert, ob man die Nationalität eines Migranten überprüfen darf, indem man ihre Handys beschlagnahme und auslese. „Mobiltelefone gehen, im Gegensatz zu Ausweispapieren, erstaunlicherweise seltener verloren“, so Nationalrat Gregor Rutz von der SVP. Man solle aber nur auf diese Maßnahme zurückgreifen, wenn sich die Identität des Asylbewerbers nicht auf andere Weise feststellen lasse.
Natürlich hagelt es Kritik aus dem linken Lager: Es stehe zu befürchten, dass alle Bürger beim kleinsten Anlass ihr Handy zur Durchsuchung abgeben müssten. Nationalrat Rutz findet das belustigend: Die Kritik komme gerade von jenen, die das Bankkundengeheimnis abschaffen und alle Steuerdaten offenlegen möchten und damit überhaupt keinen Schutz der Privatsphäre akzeptierten. “In diesem Fall geht es aber um Menschen, die vom Staat etwas möchten, und da gibt es Spielregeln.”
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