Handwerksbetriebe gehören erstaunlich oft Frauen. Das ist aber kein Zeichen besonderer Emanzipation, sondern in der Regel davon, dass der Handwerksmeister selbst eine Insolvenz hingelegt hat, eine „Vermögensauskunft“ (früher Offenbarungseid) abgelegt hat und seine Ehefrau, die nicht involviert war, eine neue Firma gründet, die mit den Schulden der insolventen Firma ihres Mannes nichts zu tun hat. Nun gerät auch ein braver Handwerksmeister leicht unter die Räder, wenn er beispielsweise den Zuschlag für ein Großprojekt erhält, viel Geld und Arbeitskraft hineininvestiert, der Auftraggeber sich aber verkalkuliert hat und den Handwerksbetrieb am Ende auf großen Verlusten sitzen lässt. So ein toller, großer Auftrag kann auch — vollkommen unverschuldet — der Fangschuss sein.
Aber die Methode ist schon praktisch, und genauso hat es die FDP auch durchgezogen.
Ausgerechnet die Partei, die sich selbst das Profil wirtschaftlicher Kompetenz verleiht, ist bis über die Halskrause verschuldet, bedient aber ihre Schulden nicht, sondern setzt eiskalt auf das Motto „dann greift mir doch mal in die leere Tasche“. Beim letzten Wahlkampf warben die Liberalen dennoch unverdrossen mit Versprechungen wie dieser:
„Eine Politik, die rechnen kann, achtet auf Einnahmen und Ausgaben. Was für jeden Bürger selbstverständlich ist, muss auch für Staat und Politik gelten: nicht mehr Geld ausgeben, als man hat. Handeln wir wieder danach!“
Das gilt aber offenbar nicht für die Blaugelben selbst. Seit Jahren weigert sich die FDP schlicht, ihre Millionenschulden zu bezahlen. Neben fast neun Millionen Schulden bei diversen Gläubigern hat die FDP auch noch etwa sechs Millionen Schulden bei der Rheinischen Zusatzversorgungskasse.
Und das kam so: Bei der Bundestagswahl im September 2013 verfehlte die FDP mit 4,8 % der Wählerstimmen den Sprung über die 5%-Hürde und musste den Bundestag verlassen. Es gab keine FDP-Fraktion mehr. Die Abgeordneten der kleinen Partei waren von heute auf morgen von den Fleischtöpfen auf Steuerzahlers Kosten abgeschnitten. Die Staatliche Parteienfinanzierung entfiel, machte zwei Millionen weniger. Fünf Millionen Spenden blieben aus. Mitglieder liefen davon, macht eine Million weniger Mitgliedsbeiträge.
Der Rechenschaftsbericht der FDP aus 2013 weist zwar immer noch üppige Gesamteinnahmen von mehr als 33 Millionen Euro aus, aber ein Defizit von 4,5 Millionen Euro. Im selben Jahr kostete die „Spendenaffäre Möllemann“ die FDP zwei Millionen Strafe. Der beim Fallschirmabsprung tödlich verunglückte FDP-Politiker Jürgen Möllemann hatte jahrelang Spenden verschleiert.
Damit aber war noch nicht genug des Ungemachs. Die FDP musste wegen des Verlustes des Fraktionsstatus’ ca. 100 Mitarbeiter entlassen. Diese Angestellten hatten bei der Rheinischen Zusatzversicherung für ihre Beschäftigungszeit Rentenansprüche erworben, wie andere, ehemalige Mitarbeiter der Partei auch.
Die laufenden Renten und künftigen Renten der Mitarbeiter der FDP hätten anteilig auch vom Arbeitgeber, der FDP bezahlt werden müssen.
Indes, dies geschah nicht. Mit Zahlungsziel am 31. Dezember 2013 stellte die Rheinische Zusatzversorgungskasse (RZVK) daher der FDP-Fraktion eine Rechnung für eine Ausgleichszahlung von 5,8 Millionen Euro. Die Frist verstrich ergebnislos.
Es gab Appelle von Politikern anderer Fraktionen, die RZVK schrieb dringliche Briefe. Schuldnerin war die FDP-Fraktion, und die gab es nicht mehr, wenngleich sie auch nicht offiziell aufgelöst war. Jahrelang zog sich das hin. „Im Bundestagsgebäude Unter den Linden 50, eine knappe Viertelstunde Fußmarsch vom Reichstag entfernt, sitzen noch die Liquidatoren sowie zwei 450-Euro-Kräfte, sie unterschreiben Briefe und E‑Mails mit der Formel “FDP-Fraktion i. L.”, in Liquidation“
Die FDP-Fraktion i.L. mauerte beharrlich. Die Forderung der RZVK wurde nicht einmal anerkannt.
Es ist üblich, dass man Rücklagen bildet, und gerade von der FDP hätte man das erwarten dürfen, die ja stets das Image der felsenfesten Solidität, des wirtschaftlichen Sachverstandes und der pragmatischen Vernunft predigte. Ausgerechnet die FDP, die sich so gern als bodenständig und seriös profilierte und die „griechische Wirtschaft“ anprangerte. Das „schlampige“ Athen, das mit immer neuen Forderungen nach Krediten, überbordenden Staatsschulden und seiner Sabotage aller Reformen nach Ansicht der FDP skrupellos auf Kosten der EU-Solidargemeinschaft schluderte.
Aber es gab keine Rücklagen. Der damalige Fraktionschef Rainer Brüderle hatte alle Warnungen in den Wind geschlagen. Stattdessen drosch die FDP im Wahljahr 2013 mehr Geld für Werbemaßnahmen raus, als alle anderen Fraktionen zusammengerechnet: Sechs Millionen Euro.
„Die FDP im Bundestag ist unzuverlässig“, sagt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider. „Sie zahlt ihre Schulden für die Altersvorsorge der eigenen Mitarbeiter nicht, hat damals aber mehr Geld für die Öffentlichkeitsarbeit als alle anderen Fraktionen zusammen ausgegeben“, klagt der Sozialdemokrat. „Christian Lindner hat die Konkursmasse der FDP verwertet, auf den Schulden sollen andere sitzen bleiben“, so Schneider.
Seit den der Bundestagswahl 2017 gibt es ja wieder eine FDP-Fraktion. Aber, der geneigte Leser rät es schon, die hat nullkommagarnichts mit der Rechtsvorgängerin, der FDP-Bundestagsfraktion bis 2013 zu tun (andere Parteien benehmen sich da anständiger). Die Juristen bei der RZVK wissen, es würde juristisch schwierig, die Forderung einzuklagen. Die RZVK teilte daher folgerichtig mit, man werde von einer gerichtlichen Durchsetzung des Anspruches absehen.
Die RZVK sieht darin keinen Erlass der Millionenschuld. Die Forderung habe weiter Bestand. Man werde sie nur nicht vor Gericht durchsetzen. Nichtsdestotrotz kommentierte FDP-Fraktionsjustiziar das Geschehen lapidar und auf eine Weise, als habe die Kasse die Millionenschulden erlassen:
„Die RZVK hat uns mitgeteilt, dass sie ihre Ansprüche nicht mehr geltend machen wird. Damit hat sich der Vorgang erledigt.“
De facto hat er aber recht. Da die RZVK auch die Verjährung ihrer Forderung gegen die FDP-Fraktion auch nicht aufhalten will, kommt das schon einem Verzicht gleich. Moralisch wäre die FDP verpflichtet, die Schulden freiwillig zu bezahlen, fühlte sie sich denn ihren so gern und oft postulierten Grundsätzen verpflichtet. Denn was die Partei hier macht, ist genau das, wogegen sie insbesondere bei Griechenland so wortgewaltig wetterte: Auf Kosten der Solidargemeinschaft leben und zwar dreist. Denn die ehemaligen und zukünftigen Mitarbeiter, die durch ihr Angestelltenverhältnis bei der FDP Rentenansprüche bei der RZVK erworben haben, bekommen ihre Rentenansprüche natürlich ausgezahlt, allerdings auf Kosten der Solidargemeinschaft der Einzahler. Mit anderen Worten: Die Gemeinschaft der Einzahler in die RZVK muss die Rentenkosten tragen. Sie finanziert damit direkt die FDP.
Auch das vollmundige Wahlprogramm-Versprechen der letzten Bundestagswahl, „Was für jeden Bürger selbstverständlich ist, muss auch für Staat und Politik gelten“, ist damit als Heuchelei und blanker Hohn entlarvt. Würde ein Bürger seine Beiträge zur Rentenkasse einfach nicht bezahlen, stünde recht bald der Gerichtsvollzieher vor der Tür oder das Finanzamt pfändete das Konto.
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