Christian Lindner (FDP), Bild: Wikimedia Commons/ Dirk Vorderstraße

Frechheit siegt: FDP zahlt einfach Mil­lio­nen­schulden nicht — und kommt davon

Hand­werks­be­triebe gehören erstaunlich oft Frauen. Das ist aber kein Zeichen beson­derer Eman­zi­pation, sondern in der Regel davon, dass der Hand­werks­meister selbst eine Insolvenz hin­gelegt hat, eine „Ver­mö­gens­aus­kunft“ (früher Offen­ba­rungseid) abgelegt hat und seine Ehefrau, die nicht invol­viert war, eine neue Firma gründet, die mit den Schulden der insol­venten Firma ihres Mannes nichts zu tun hat. Nun gerät auch ein braver Hand­werks­meister leicht unter die Räder, wenn er bei­spiels­weise den Zuschlag für ein Groß­projekt erhält, viel Geld und Arbeits­kraft hin­ein­in­ves­tiert, der Auf­trag­geber sich aber ver­kal­ku­liert hat und den Hand­werks­be­trieb am Ende auf großen Ver­lusten sitzen lässt. So ein toller, großer Auftrag kann auch — voll­kommen unver­schuldet — der Fang­schuss sein.
Aber die Methode ist schon prak­tisch, und genauso hat es die FDP auch durchgezogen.
Aus­ge­rechnet die Partei, die sich selbst das Profil wirt­schaft­licher Kom­petenz ver­leiht, ist bis über die Hals­krause ver­schuldet, bedient aber ihre Schulden nicht, sondern setzt eiskalt auf das Motto „dann greift mir doch mal in die leere Tasche“. Beim letzten Wahl­kampf warben die Libe­ralen dennoch unver­drossen mit Ver­spre­chungen wie dieser:
„Eine Politik, die rechnen kann, achtet auf Ein­nahmen und Aus­gaben. Was für jeden Bürger selbst­ver­ständlich ist, muss auch für Staat und Politik gelten: nicht mehr Geld aus­geben, als man hat. Handeln wir wieder danach!“
Das gilt aber offenbar nicht für die Blau­gelben selbst. Seit Jahren weigert sich die FDP schlicht, ihre Mil­lio­nen­schulden zu bezahlen. Neben fast neun Mil­lionen Schulden bei diversen Gläu­bigern hat die FDP auch noch etwa sechs Mil­lionen Schulden bei der Rhei­ni­schen Zusatzversorgungskasse.
Und das kam so: Bei der Bun­des­tagswahl im Sep­tember 2013 ver­fehlte die FDP mit 4,8 % der Wäh­ler­stimmen den Sprung über die 5%-Hürde und musste den Bun­destag ver­lassen. Es gab keine FDP-Fraktion mehr. Die Abge­ord­neten der kleinen Partei waren von heute auf morgen von den Fleisch­töpfen auf Steu­er­zahlers Kosten abge­schnitten. Die Staat­liche Par­tei­en­fi­nan­zierung  entfiel, machte zwei Mil­lionen weniger. Fünf Mil­lionen Spenden blieben aus. Mit­glieder liefen davon, macht eine Million weniger Mitgliedsbeiträge.
Der Rechen­schafts­be­richt der FDP aus 2013 weist zwar immer noch üppige Gesamt­ein­nahmen von mehr als 33 Mil­lionen Euro aus, aber ein Defizit von 4,5 Mil­lionen Euro. Im selben Jahr kostete die „Spen­den­affäre Möl­lemann“ die FDP zwei Mil­lionen Strafe. Der beim Fall­schirm­ab­sprung tödlich ver­un­glückte FDP-Poli­tiker Jürgen Möl­lemann hatte jah­relang Spenden verschleiert.
Damit aber war noch nicht genug des Unge­machs. Die FDP musste wegen des Ver­lustes des Frak­ti­ons­status’ ca. 100 Mit­ar­beiter ent­lassen. Diese Ange­stellten hatten bei der Rhei­ni­schen Zusatz­ver­si­cherung für ihre Beschäf­ti­gungszeit Ren­ten­an­sprüche erworben, wie andere, ehe­malige Mit­ar­beiter der Partei auch.
Die lau­fenden Renten und künf­tigen Renten der Mit­ar­beiter der FDP hätten anteilig auch vom Arbeit­geber, der FDP bezahlt werden müssen.
Indes, dies geschah nicht. Mit Zah­lungsziel am 31. Dezember 2013 stellte die Rhei­nische Zusatz­ver­sor­gungs­kasse (RZVK) daher der FDP-Fraktion eine Rechnung für eine Aus­gleichs­zahlung von 5,8 Mil­lionen Euro. Die Frist ver­strich ergebnislos.
Es gab Appelle von Poli­tikern anderer Frak­tionen, die RZVK schrieb dring­liche Briefe. Schuld­nerin war die FDP-Fraktion, und die gab es nicht mehr, wenn­gleich sie auch nicht offi­ziell auf­gelöst war. Jah­relang zog sich das hin. „Im Bun­des­tags­ge­bäude Unter den Linden 50, eine knappe Vier­tel­stunde Fuß­marsch vom Reichstag ent­fernt, sitzen noch die Liqui­da­toren sowie zwei 450-Euro-Kräfte, sie unter­schreiben Briefe und E‑Mails mit der Formel “FDP-Fraktion i. L.”, in Liquidation“
Die FDP-Fraktion i.L. mauerte beharrlich. Die For­derung der RZVK wurde nicht einmal anerkannt.
Es ist üblich, dass man Rück­lagen bildet, und gerade von der FDP hätte man das erwarten dürfen, die ja stets das Image der fel­sen­festen Soli­dität, des wirt­schaft­lichen Sach­ver­standes und der prag­ma­ti­schen Ver­nunft pre­digte. Aus­ge­rechnet die FDP, die sich so gern als boden­ständig und seriös pro­fi­lierte und die „grie­chische Wirt­schaft“ anpran­gerte. Das „schlampige“ Athen, das mit immer neuen For­de­rungen nach Kre­diten, über­bor­denden Staats­schulden und seiner Sabotage aller Reformen nach Ansicht der FDP skru­pellos auf Kosten der EU-Soli­dar­ge­mein­schaft schluderte.
Aber es gab keine Rück­lagen. Der damalige Frak­ti­onschef Rainer Brü­derle hatte alle War­nungen in den Wind geschlagen. Statt­dessen drosch die FDP im Wahljahr 2013 mehr Geld für Wer­be­maß­nahmen raus, als alle anderen Frak­tionen zusam­men­ge­rechnet: Sechs Mil­lionen Euro.
„Die FDP im Bun­destag ist unzu­ver­lässig“, sagt SPD-Frak­ti­ons­ge­schäfts­führer Carsten Schneider. „Sie zahlt ihre Schulden für die Alters­vor­sorge der eigenen Mit­ar­beiter nicht, hat damals aber mehr Geld für die Öffent­lich­keits­arbeit als alle anderen Frak­tionen zusammen aus­ge­geben“, klagt der Sozi­al­de­mokrat. „Christian Lindner hat die Kon­kurs­masse der FDP ver­wertet, auf den Schulden sollen andere sitzen bleiben“, so Schneider.
Seit den der Bun­des­tagswahl 2017 gibt es ja wieder eine FDP-Fraktion. Aber, der geneigte Leser rät es schon, die hat null­kom­ma­gar­nichts mit der Rechts­vor­gän­gerin, der FDP-Bun­des­tags­fraktion bis 2013 zu tun (andere Par­teien benehmen sich da anstän­diger). Die Juristen bei der RZVK wissen, es würde juris­tisch schwierig, die For­derung ein­zu­klagen. Die RZVK teilte daher fol­ge­richtig mit, man werde von einer gericht­lichen Durch­setzung des Anspruches absehen.
Die RZVK sieht darin keinen Erlass der Mil­lio­nen­schuld. Die For­derung habe weiter Bestand. Man werde sie nur nicht vor Gericht durch­setzen. Nichts­des­to­trotz kom­men­tierte FDP-Frak­ti­ons­jus­tiziar das Geschehen lapidar und auf eine Weise, als habe die Kasse die Mil­lio­nen­schulden erlassen:
„Die RZVK hat uns mit­ge­teilt, dass sie ihre Ansprüche nicht mehr geltend machen wird. Damit hat sich der Vorgang erledigt.“
De facto hat er aber recht. Da die RZVK auch die Ver­jährung ihrer For­derung gegen die FDP-Fraktion auch nicht auf­halten will, kommt das schon einem Ver­zicht gleich. Mora­lisch wäre die FDP ver­pflichtet, die Schulden frei­willig zu bezahlen, fühlte sie sich denn ihren so gern und oft pos­tu­lierten Grund­sätzen ver­pflichtet. Denn was die Partei hier macht, ist genau das, wogegen sie ins­be­sondere bei Grie­chenland so wort­ge­waltig wet­terte: Auf Kosten der Soli­dar­ge­mein­schaft leben und zwar dreist. Denn die ehe­ma­ligen und zukünf­tigen Mit­ar­beiter, die durch ihr Ange­stell­ten­ver­hältnis bei der FDP Ren­ten­an­sprüche bei der RZVK erworben haben, bekommen ihre Ren­ten­an­sprüche natürlich aus­ge­zahlt, aller­dings auf Kosten der Soli­dar­ge­mein­schaft der Ein­zahler. Mit anderen Worten: Die Gemein­schaft der Ein­zahler in die RZVK muss die Ren­ten­kosten tragen. Sie finan­ziert damit direkt die FDP.
Auch das voll­mundige Wahl­pro­gramm-Ver­sprechen der letzten Bun­des­tagswahl, „Was für jeden Bürger selbst­ver­ständlich ist, muss auch für Staat und Politik gelten“, ist damit als Heu­chelei und blanker Hohn ent­larvt. Würde ein Bürger seine Bei­träge zur Ren­ten­kasse einfach nicht bezahlen, stünde recht bald der Gerichts­voll­zieher vor der Tür oder das Finanzamt pfändete das Konto.