(U.S. Air Force photo by Staff Sergeant Kat McDowell)

DHL-Stel­len­an­zeige: Aus­schließlich Flücht­linge als Paket­zu­steller gesucht – ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz?

Wenn die DHL mit ihren kana­ri­en­gelben Fahr­zeugen und rotem Schriftzug vor dem Haus auf­taucht, kommt ein Päckchen oder Paket. Meistens ein Grund zur Freude, denn ent­weder hat man’s bestellt und wartet drauf oder es ist ein Geschenk, was noch schöner ist. Manchem ist schon auf­ge­fallen, dass relativ oft ein offen­sichtlich nicht Bio­deut­scher der Aus­lie­ferer ist.
Nun, es ist ja erfreulich, dass man dann meistens mit sehr freund­lichen und dienst­eif­rigen jungen Herren zu tun bekommt, adrett in der DHL-Uniform gekleidet.Gegen jemanden, der anständig ist und arbeitet, hat ja keiner etwas. Eine prima Sache also. Will­kommen, neuer Mitbürger.
Die DHL hat sich auch lobens­wer­ter­weise viel Mühe dabei gegeben, die ein­ge­wan­derten Arbeits­kräfte zu inte­grieren. Das war nicht immer einfach, wie jeder weiß, sind bei sowas viele behörd­liche Hin­der­nisse zu über­winden. Außerdem bringen auch die Ein­wan­derer bis­weilen einiges an Schwie­rig­keiten mit sich:
In der Rekru­tie­rungs­phase zeigte sich, dass stan­dar­di­sierte Ein­stel­lungs­ver­fahren, die auf Effi­zienz aus­gelegt sind, für diese Ziel­gruppe nur sehr ein­ge­schränkt funk­tio­nieren. Statt­dessen muss beachtet werden, dass nur wenig ein­schlägige Berufs­er­fahrung oder Nach­weise vor­handen sind und dass zudem jeder Bewerber in seiner Lebens­si­tuation indi­vi­duell betrachtet werden muss, um ihn best­möglich unter­stützen zu können. Das gilt für admi­nis­trative Abstim­mungen mit Behörden wie für zusätz­liche Sprach­för­de­rungs­maß­nahmen. Die Wohn­sitz­auflage hat sich im Ein­stel­lungs­ver­fahren als Hürde erwiesen, da es sich um ein bun­des­weites Pro­gramm handelt und die Bewerber nicht immer den Stand­orten zuge­wiesen wurden, an denen die Stellen ange­boten werden konnten.“ 
Es scheint, wenn den Beschrei­bungen aus der Pres­se­meldung zu trauen ist, dass hier ein guter und erfolg­reicher Weg für inte­gra­ti­ons­willige Ein­wan­derer eröffnet worden ist.
Das, was aber an der ganzen Sache befremdet ist, dass die Art und Weise der „Rekru­tierung“ gegen das Gesetz ver­stoßen könnte. Die Stel­len­an­zeige von der Bun­des­agentur für Arbeit für Fach­kräfte in Kurier‑, Express- und Post­dienst­leis­tungen ist nämlich so abge­fasst, dass sie gegen das All­ge­meine Gleich­be­hand­lungs­gesetz ver­stoßen könnte:
 

 
 
Das im Jahr 2006 wirksam gewordene „All­ge­meine Gleich­be­hand­lungs­gesetz“ (AGG) soll nach §1 AGG dazu dienen, Benach­tei­li­gungen im Berufs­leben zu ver­meiden. Gründe einer solchen Benach­tei­ligung können laut AGG in der eth­ni­schen Her­kunft (z.B. Haut­farbe oder natio­naler Ursprung), des Geschlechts, der Religion, des Alters, einer Behin­derung oder der sexu­ellen Iden­tität einer Person liegen. Solch eine Benach­tei­ligung ist nach §7 AGG verboten.
Dies könnte durch die Formulierung
„Nur für ANER­KANNTE FLÜCHT­LINGE; keine EU-Bürger oder Dritt­staatler oder Deutsche“
gegeben sein.
Bewerber auf eine Stel­len­an­zeige sollen durch die Vor­schrift des §6 AGG vor Benach­tei­li­gungen aller Art geschützt werden. Die Chan­cen­gleichheit ALLER Bewerber muss gegeben sein. Niemand darf grund­sätzlich durch die Stel­len­aus­schreibung von vor­ne­herein aus­ge­schlossen werden.
Hier wird nicht nur eine ganz bestimmte Gruppe aus­schließlich und mit Groß­buch­staben gedruckt über­haupt nur zuge­lassen, sondern sogar die Gruppen genannt, die aus­drücklich keine Chance haben. Das ist unmissverständlich.
Es gibt im AGG aller­dings Aus­nahmen. Hat ein Arbeit­geber von den beruf­lichen Auf­gaben her ein bestimmtes Anfor­de­rungs­profil, müssen diese den Aus­nah­me­re­ge­lungen der §§8–10 AGG ent­sprechen. Durch diese Regelung werden an sich unzu­lässige Benach­tei­li­gungen rechtlich zulässig, wenn die zu beset­zende Stelle unbe­dingt und unver­meidbar ganz bestimmte Vor­aus­set­zungen erfordert.
Eine solche, an sich ver­botene, Benach­tei­ligung wird also nach §8 AGG zulässig, wenn ansonsten das Anfor­de­rungs­profil dieser Stelle nicht aus­ge­füllt werden kann. Wenn also bei­spiels­weise eine Wer­be­agentur, die Mode­auf­nahmen für einen Beklei­dungs­ka­talog für Damen machen möchte, weib­liche Models im Alter von 16 bis 30 Jahren mit bestimmten Maßen sucht, darf das in der Stel­len­aus­schreibung stehen. Die Wer­be­agentur muss keine Bewerbung eines sech­zig­jäh­rigen Mannes mit Klei­der­größe XXXL berück­sich­tigen. Wird ein Arbeiter für eine Betä­tigung gesucht, die große Kör­per­kraft und Aus­dauer für enorm kraft­auf­wändige Tätig­keiten erfordert , darf in der Stel­len­be­schreibung auch stehen, dass diese Arbeit nur für Männer mit beson­derer phy­si­scher Kraft geeignet ist. Eine zart gebaute Sech­zig­jährige ist für diese Arbeit nicht geeignet.
Eine andere Mög­lichkeit der zuläs­sigen Bewer­bungs­be­nach­tei­ligung ist bei Reli­gi­ons­ge­mein­schaften oder welt­an­schaulich gebun­denen Tätig­keiten nach §9 AGG gegeben. Vor­aus­setzung ist, dass die im Anfor­de­rungs­profil gefor­derte Religion/Weltanschauung für die Aus­übung der beruf­lichen Stellung relevant ist. So muss zum Bei­spiel eine Rei­ni­gungs­kraft für den Kölner Dom nicht unbe­dingt katho­lisch sein, ein Reli­gi­ons­lehrer für katho­lische Religion hin­gegen schon. Ein Muslim oder Bud­dhist wäre da die falsche Besetzung.
Das Alter darf eigentlich auch kein Aus­schluss­kri­terium für eine Bewerbung sein. Ist ein bestimmtes Alter (Model, Schau­spieler, kör­per­liche Belast­barkeit) jedoch unab­dingbar zu Aus­übung der aus­ge­schrie­benen Stelle, so ist auch hier nach §10 AGG ein Aus­schluss nicht pas­sender Bewerber gerechtfertigt.
Ein­gedenk dieser sehr genau defi­nierten Aus­nah­me­re­ge­lungen ist aller­dings aus der DHL-Stel­len­be­schreibung für eine Fach­kraft in Kurier‑, Express- und Post­dienst­leis­tungen nicht ersichtlich, warum sich kein Deut­scher, Dritt­staatler oder EU-Bürger – männlich oder weiblich — dafür bewerben darf. Welches Kri­terium in der Aus­übung dieser Arbeit den Aus­schluss von Deut­schen, Dritt­staatlern und EU-Bürgern zwingend erfor­derlich macht, wäre erklärungsbedürftig.
Die Rechts­folgen einer unbe­grün­deten Benach­tei­ligung, die nicht von den Para­graphen 8–10 des All­ge­meinen Gleich­stel­lungs­ge­setzes erlaubt ist, sind keine Baga­telle. Da kann der von der Benach­tei­ligung Betroffene einen Scha­dens­ersatz nach §15 AGG geltend machen, wobei hier das AGG zwi­schen einem mate­ri­ellen und einem imma­te­ri­ellen Schaden unterscheidet.
Eine Nicht­an­stellung auf­grund eines Ver­stoßes gegen das All­ge­meine Gleich­stel­lungs­gesetz ist grund­sätzlich ein imma­te­ri­eller Schaden. Der Bewerber kann das ent­gangene Gehalt bis zu drei Monats­ge­hältern ein­klagen. Das Arbeits­ge­richt befindet in der Regel im Ein­zelfall über die exakte Summe. Zwar führt die Klage nicht zu einer Ver­pflichtung des Arbeit­gebers, den aus­ge­schlos­senen Bewerber nach­träglich doch noch ein­zu­stellen, der zu zah­lende Scha­dens­ersatz soll jedoch nach dem Willen des Gesetz­gebers eine für die Zukunft abschre­ckende Lektion für den Arbeit­geber darstellen.
Die DHL-Stel­len­an­zeige hätte wahr­scheinlich die Aus­schluss­kri­terien nicht nennen dürfen, aber dennoch aus­drücklich AUCH aner­kannte Flücht­linge ermu­tigen dürfen, sich zu melden. Diese hätten dann in einer Art Vor­aus­bil­dungskurs alles das absol­vieren können, was in dem offenbar gut funk­tio­nie­renden Pro­gramm an Maß­nahmen vor­ge­sehen ist.
Das Fazit der Sache: So lobenswert die Kam­pagne der DHL ist und so sehr man den inte­gra­ti­ons­wil­ligen Ein­wan­derern auch die beruf­liche Ein­stiegs­chance gönnt: Es stößt sauer auf, dass einmal mehr ein (mög­licher) Geset­zes­bruch mit dem doch so wohl­mei­nenden, guten Willen gerecht­fertigt und Kritik sofort als ras­sis­tisch oder rechte Hetze ver­un­glimpft wird. Das selbst­be­weih­räu­chernde „Gut­meinen“ als sakro­sankte Gene­ral­er­laubnis, Gesetze mal eben ganz lässig aus mora­li­schen Gründen will­kürlich aus­zu­hebeln unter­höhlt den Rechts­staat. Das beob­achten die Bürger mit wach­sender Unzufriedenheit.
Die hier behan­delte Stel­len­aus­schreibung ist übrigens auf der Web­seite der Bun­des­agentur für Arbeit nicht mehr zu finden. Bedeutet das, dass die Juristen auf den roten Alarm­knopf gedrückt haben? Oder haben schon benach­tei­ligte Bewerber geklagt?