Gender-Main­streaming als neue Tugend

Die CDU hat schon bessere Tage erlebt. Der Streit mit der Schwester hat dem Image geschadet und mit Daniel Günther werden Stimmen laut, die sogar mit der Links­partei eine Koalition anstreben. Was ist aus der CDU geworden, wo bleibt das Christ­liche? Statt christ­licher Tugenden werden Multi-Kulti und Gender-Main­streaming zum Religionsersatz.
Die Ära der Kanz­ler­schaft von Angela Merkel prägt eine gepflegte Lethargie – zumindest wenn es um den Wert des Christ­lichen geht. Nir­gends anecken, pro­fillos regieren. Die ganze Regent­schaft gleicht einem Zick-Zack-Kurs bequemer Anbie­derung und Gleich­ma­cherei und droht dabei zugleich ihren Mar­kenkern auf dem Spiel­platz der poli­ti­schen Macht und Eitel­keiten wie ein bei­läu­figes Gut zu ver­schenken. Vom C ist unter der Phy­si­kerin Merkel nicht mehr viel zu spüren, der einstige Glanz, der sich damit verband, ist zu einer Klar­sicht­folie geworden, die nur dann auf­ge­pustet, wenn die Flücht­lings­po­litik als huma­ni­tärer Akt her­auf­be­schworen wird. Mit Merkel hat das C end­gültig Konkurs ange­meldet, ein zweck­ra­tio­na­li­sierter Wer­te­kanon regiert, der in seiner Belie­bigkeit immer mehr von dem preisgibt, was den eins­tigen Mar­kenkern der CDU unter Konrad Ade­nauer und den Anfängen der Bun­des­re­publik bildete. Geblieben ist ein Wer­te­re­la­ti­vismus, dem jeder kon­ser­vative Tiefgang fehlt. Das christlich-liberale, das durch den Geist der Auf­klärung hin­durch, eine selbst­kri­tische Kor­rektur vor­ge­nommen hat, ist zur ergrauten Macht geworden, die als Belie­big­keits­formel zum leb­losen Bodensatz glo­baler Insze­nie­rungen ver­nutzt wird.
Eine „Dik­tatur des Rela­ti­vismus“ regiert
Merkels CDU der Mitte, die allzu gern nach links schwenkt, die dem grünen Zeit­geist huldigt, der SPD die Inhalte klaut, hat das C ent­kernt und damit einer Säku­la­ri­sierung Tor und Tür geöffnet, die gleichsam in einer – wie schon Papst Benedikt der XVI. kri­ti­sierte – „Dik­tatur des Rela­ti­vismus“ kul­mi­niert. Das Christ­liche wird so zum bunten Einer- oder Allerlei und ver­liert in Claudia Roth’schen Regen­bo­gen­farben jeg­liche Kontur und wird – sobald es um Wäh­ler­gunst und Wahl­stimmen geht – beliebig verändert.
In Zeiten des Any­thing Goes, wo Gender-Main­streaming und die Geschlechts­neu­tra­lität zu den neuen hei­ligen Kathe­dralen des Indi­vi­dua­lismus sti­li­siert werden, ver­kommt das hohe C eben zum hohlen C. Dabei war das C einst Erwe­ckungs­zeichen einer ganzen Gene­ration nach dem Krieg, verlieh unend­liche Energien- und Beschleu­ni­gungs­kräfte, doch die Abrieb­kräfte aus dem Vakuum der Mitte zer­stören zuse­hends die sozialen Errun­gen­schaften, die Sozi­al­lehre, die Soziale Markt­wirt­schaft, die Freiheit des Ein­zelnen und die Eigen­ver­ant­wortung. Was dagegen bleibt, ist ein sich arran­gie­render Multi-Kulti-Kurs, der zumindest dem Wunsch vieler Bun­des­bürger dia­metral ent­ge­gen­ge­setzt ist.
Die Ver­leugnung des Eigenen
Im Unter­schied zur CSU zeigt sich bei der CDU eine gewisse Ängst­lichkeit zu regieren, Angst vor der Kritik ist eine per­manent anwe­sende Größe, quasi eine Pro­fil­neurose. Und so bleibt die CDU unter Merkel eine in Sachen christ­licher Religion ruhig gestellte Partei, ohne Wenn und Aber, ohne Ent­weder-Oder, die sich lieber der reli­giösen Plu­ra­lität öffnet, den Islam zum Teil Deutsch­lands erklärt und bei der Inte­gration mus­li­mi­scher Ein­wan­derer ihr Gol­denes Kalb ent­deckt. Dieses Auf-Sich-Fahren und die eigene Unfä­higkeit, sich klar zum kon­ser­va­tiven Mar­kenkern zu bekennen, wird so immer mehr zur Probe ihrer poli­ti­schen Glaubwürdigkeit.
Auch 2018 ist Deutschland ein säku­la­ri­siertes und reli­gi­ons­freies Land, an dessen Got­tes­ferne die christ­lichen Par­teien maß­geblich mit­ver­ant­wortlich sind. Die eigene Religion wird klein­ge­redet, die anderen in den kul­turell-poli­ti­schen Fokus gerückt, auf­ge­blasen und insze­niert. Das Christ­liche ver­dunstet dabei buch­stäblich in der Waren­kette im Super­markt, ver­dampft zum bloßen Lip­pen­be­kenntnis und erweist sich leid­glich als alt­ba­ckener Zopf, während fremde Kul­turen hier­zu­lande ein Wohl­fühl­becken finden, das sie in aller Belie­bigkeit aus­füllen können. Zwar zeigt die Union damit, wie mul­ti­kul­turell und eth­nisch offen sie ist, aber dem eigenen Bürger schmeckt dieser Cocktail einfach nicht. Im CDU-Grund­satz­pro­gramm von 2007 heißt es: „Wir brauchen eine kon­trol­lierte Zuwan­derung von gut aus­ge­bil­deten, leis­tungs­be­reiten und inte­gra­ti­ons­wil­ligen Men­schen. (…) Inte­gration bedeutet die Akzeptanz kul­tu­reller Ver­schie­denheit auf der Basis all­gemein geteilter und gelebter Grund­werte. Inte­gration bedeutet, Ver­ant­wortung zu über­nehmen für unser Land. (…) Deutsch­kennt­nisse sind der Schlüssel zur Inte­gration. (…) Wer sich der Inte­gration ver­weigert, muss mit Sank­tionen rechnen.”
Ein Blick in die No-Go-Areas der Bun­des­re­publik, der Fall Sami A., die vielen Gewalt­ver­brechen belehren eines anderen. Grund­satz­pro­gramm und Rea­lität bleiben mei­lenweit von­ein­ander entfernt.
Die neue Unübersichtlichkeit
Dabei wächst in Zeiten neuer Unüber­sicht­lich­keiten, sei es durch die Glo­ba­li­sierung oder die Digi­ta­li­sierung, auf Seiten der Wäh­ler­schaft gerade wieder der Wunsch nach Ver­bind­lich­keiten und einem Wer­te­profil, nach einem ver­bind­lichen Tugend­kanon, der sich nicht dauernd im Aus­nah­me­zu­stand befindet. Dagegen aber wird die abend­län­disch-christ­liche Leit­kultur, die das tra­di­tio­nelle Bild vom Men­schen als in Freiheit geschaf­fener Ver­nunft samt Lebens­schutz zu ihrem Fun­dament erklärt, als kon­ser­va­tives und ver­häng­nis­volles Kli­scheebild abge­schüttelt sowie das Kon­ser­vative zugunsten plu­raler Mehr­heits­fä­higkeit abge­wählt. Der Kon­ser­vative wird mit Arkusaugen betrachtet, in aller Belie­bigkeit in die rechte Ecke ver­schoben, tot­ge­schwiegen oder gemobbt. Dabei eignet seiner Wesens­natur kei­neswegs das bloß Reak­tionäre, Per­sön­lich­keiten wie Ade­nauer und Erhard zeigten dies deutlich, sondern Toleranz, Welt­of­fenheit, Beson­nenheit, Kämp­fertum und Gesunder Men­schen­ver­stand. Der Kon­ser­vative beäugt den poli­ti­schen Diri­gismus kri­tisch, sieht in der neuen repres­siven Toleranz eine Gefahr für die Freiheit und für das christ­liche Men­schenbild. Ihm ist ein Drittes Geschlecht eben nicht Ausweis, sondern Verlust von Toleranz. Und im Gender-Main­streaming sieht er letzt­endlich eine pure Ideo­lo­gi­sierung am Werk, die auf Gleich­ma­cherei und Geschlechts­leugnung hin­aus­läuft. Mit einer der­ar­tigen Poli­ti­sierung des Geschlecht­lichen ver­leugnet die Union ihr eins­tiges Ideal eines sich frei ent­schei­denden Men­schen, ohne zu erkennen, dass Gender ein Total­an­griff auf eben diese Freiheit ist.
Wenn das kon­ser­vative, wert­sta­bi­li­sie­rende Element fehlt, erobert sich die Neu­tra­lität einer falsch ver­stan­denen poli­ti­schen Aktion das Feld. Das Ergebnis sind aus­tauschbare poli­tische Gebilde und die Wahl­pro­gramme. Die inhalt­liche Leere poli­ti­scher Reden bleibt Aus­druck von Stand­lo­sigkeit, die dann zur poli­ti­schen Ort­lo­sigkeit wird, da eine der­artige Akti­vität schnell in poli­tisch blinden Aktio­nismus umschlägt, der nicht nur der Politik schadet, sondern der bereits der Kunst immer schon geschadet hat. Denn: Wie in der modernen Kunst auf die Ort­lo­sigkeit die Wesen­lo­sigkeit folgte, so auf den Aktio­nismus die Lähmung.
Wo das Kon­ser­vative fehlt, wächst die Rechte
Wer dem kon­ser­va­tiven Kern keinen Raum mehr gibt, diesen ideo­lo­gisch als Son­dermüll des Poli­ti­schen deklas­si­fi­ziert, braucht sich nicht zu wundern, wenn das Wahlvolk sein heils­ge­schicht­liches Glück in der alter­na­tiv­losen AfD zu finden glaubt. Ebenso erweisen sich poli­tische Plän­kel­spiele mit der SED-Nach­fol­ge­partei, der DIE LINKEN, wie sie der Minis­ter­prä­sident von Schleswig-Hol­stein, Daniel Günther, als reines Para­digma poli­ti­scher Macht­er­haltung durch­spielt und dabei sehr viel vom Innersten der CDU preisgibt, treibt immer mehr CDU-Wähler aus den eigenen Reihen. Wie lose das Wert­gefüge in der CDU wirklich ist, hatte die Wer­te­Union deutlich erkannt und for­derte genau eine Besinnung auf die ehe­ma­ligen CDU-Tugenden. Doch schon dafür hagelte es aus der liberal-grünen Mitte der Partei mit har­scher Kritik. Es bleibt dabei: Die Zukunft der CDU fällt mit ihrer Kanz­lerin. Sollte Merkel immer mehr gen links treiben, hat sie das poli­tische Erbe Ade­nauers ver­spielt und ihre eigene Partei inhaltlich aus­ver­kauft. Merkel, der ideo­lo­gie­freien Wis­sen­schaft­lerin, bleibt ihr Chris­tentum ein bunter Lego­kasten, den sie mit x‑beliebigen Teilen ersetzt und umbaut. Und damit erweist sie sich kei­neswegs als Reprä­sen­tantin libe­raler, christlich-sozialer und kon­ser­va­tiver Werte, sondern als Kar­rie­ristin, die letzt­endlich das Profil der CDU schlucken wird.
„Anpas­sungs­in­tel­ligenz“, wie es Martin Lohmann einst for­mu­lierte, bleibt der Schick­sals­be­griff der Stunde. Wer mal liberal, mal christlich sozial, mal kon­ser­vativ sein will, „wer also an der Spitze meint, aus dem Und ein Oder machen zu können, verrät nicht nur etwas über die eigene Wand­lungs­fä­higkeit im Umgang mit Teil­pro­filen, sondern offenbart auch macht­volle Defizite im Kern-Ver­ständnis der eigenen Partei.“ Deutsch­lands Kanz­lerin bleibt eine tak­tische Poli­ti­kerin, die vom puren Willen zur Macht getrieben wird und bei Bedarf auch ihre poli­ti­schen Grund­satz­po­si­tionen um 180 Grad dreht. Der Aus­verkauf der Partei geht weiter.