Trennung – Scheidung – Kin­deswohl: Mit Gut­achten Kasse machen

Darf ein Gut­achten 23.673,50 EURO kosten? „Ja, es darf, wenn der Aufwand trans­parent ist, wenn die Betrof­fenen auf die Kosten hin­ge­wiesen werden, wenn das Gut­achten wis­sen­schaft­lichen Stan­dards ent­spricht und zur Ent­schei­dungs­findung bei­trägt“, meint der ISUV-Vor­sit­zende Rechts­anwalt Klaus Zimmer. Der Inter­es­sen­verband Unterhalt und Fami­li­en­recht (ISUV) kri­ti­siert eine zuneh­mende Flut an Gut­achten in Sorge- und Umgangs­ver­fahren, die Qua­lität recht­fertige oft nicht den Preis.

Wie schlüsselt die Gut­ach­terin diese Summe auf?

Unab­hängig davon, was sie macht, sie berechnet einen Stun­densatz von 100 EURO. Für 10 Stunden „Fahr­zeiten“ fallen daher 1000 EURO an, ent­spre­chend 1400 EURO für 14 Stunden „test­psy­cho­lo­gische Dia­gnostik“. Für die Gut­ach­ten­er­stellung werden 60 Stunden benötigt, also stehen 6000 EURO zu Buche. Die Gut­ach­terin stellt 60 Stunden „Akten­studium“, also 6000 EURO in Rechnung. Unsere Recherchen bei meh­reren Gutachterinnen/Gutachtern ergaben, dass sich das Akten­studium in der Regel zwi­schen zwei und acht Stunden bewegt. Für die Gut­ach­ten­er­stellung werden ein­heitlich 20 – 30 Stunden genannt. –
Tat­sächlich lässt sich der Zeit­aufwand nur schwer trans­parent nach­weisen. Des­wegen sind die Stan­des­ver­tre­tungen bemüht mehr Trans­parenz zu schaffen, indem sie Stan­dards und ein Cur­ri­culum ein­führen und durch­setzen wollen, an die sich Gutachter/innen halten müssen.
Dieses Gut­achten ist nicht nur im Preis über­di­men­sional, sondern auch in Bezug auf die Sei­tenzahl. Es umfasst 242 Seiten, die der Richter lesen soll. Man fragt sich: Liest ein Richter ein derart langes Gut­achten oder „muss“ er es aus zeit­lichen Gründen über­fliegen? – Die uns vor­lie­genden Gut­achten haben im Schnitt eine Länge zwi­schen 30 und 40 Seiten.
Der Preis dieses Gut­achtens ist extrem hoch, das wird auch von Gutachter/innen bestätigt. Uns liegen Gut­achten in einer Preis­spanne von 1840 bis 13 280 EURO vor. Ent­scheidend ist: Wurde der Betroffene oder wurden die Betrof­fenen recht­zeitig vor den hohen Kosten gewarnt?

Kritik

Gemäß § 407a ZPO müssen Gut­achter auf erhöhte Kosten hin­weisen: „ErwachsenvoraussichtlichKosten,dieerkennbaraußerVerhältniszumWertdesStreitgegenstandes ste­he­no­de­r­ei­nen­an­ge­for­derten Kos­ten­vor­schuss­er­heblich übersteigen,sohatderSachverständige recht­zeitig hier­auf­hin­zu­weisen.“ – Nach Aus­sagen des Betrof­fenen wurde weder ein Kos­ten­vor­schuss bezahlt noch auf die über­di­men­sional hohen Kosten hin­ge­wiesen. „Betroffene sollten sich grund­sätzlich nicht scheuen nach den Kosten zu fragen, ins­be­sondere dann, wenn sich die Erstellung des Gut­achtens über viele Monate hin­zieht“, fordert ISUV-Pres­se­sprecher Josef Linsler auf.
Der Hinweis des Gut­achters auf die hohen Kosten ist insofern sehr wichtig, weil dadurch die Bereit­schaft der Betrof­fenen zur Einigung ange­stoßen wird. „Hohe Kosten fördern auch bei hoch­strei­tigen Paaren gar nicht so selten die Bereit­schaft einen Pro­zess­ver­gleich abzu­schließen“, stellt Linsler fest.
Von Betrof­fenen wird kri­ti­siert, dass „einfach Stunden auf­ge­schrieben werden“ können, kon­trol­liert werde das nicht. Tat­sächlich lässt sich der Aufwand und Wert eines Gut­achtens immer nur schwer beziffern. „Umso wich­tiger ist es, dass der Gut­achter immer und ganz selbst­ver­ständlich seinen Aufwand und seine Vor­ge­hens­weise mit den Betrof­fenen bespricht, sie in jedem Fall infor­miert, immer Kos­ten­trans­parenz her­stellt“, fordert Linsler.
Es ist ein grund­sätz­liches Problem, manche Gut­achter urteilen aus einer empa­thielos selbst­herr­lichen Arroganz. So manchem Gedanken- und Verhaltensanalytiker/in ist die kri­tisch-iro­nische Selbst­di­stanz und der ein­fühlsame Respekt gegenüber Betrof­fenen fremd. Eine Gut­ach­terin darf nicht wie in diesem Fall ego­zen­trisch auf dem Cha­rakter und den wirt­schaft­lichen Ver­hält­nisse des Betrof­fenen her­um­trampeln – und damit Kon­flikte ver­schärfen oder gar trau­ma­ti­sieren. Kommt sie mit dem Cha­rakter eines Betrof­fenen nicht klar, so muss sie den Auftrag in aller Beschei­denheit wieder ans Fami­li­en­ge­richt zurück­geben. „Das kommt so gut wie gar nicht vor. Es ist dieser selbst­herr­liche Anspruch jeden Men­schen beur­teilen zu können, der sachlich und fachlich vielfach nicht gerecht­fertigt ist, der Betroffene auf­be­gehren lässt“, stellt Linsler fest.
Die Kritik an fami­li­en­psy­cho­lo­gi­schen Gut­achten ver­stummt seit Jahren nicht. Es wird kri­ti­siert, dass immer die gleichen Gut­achter bestellt werden, dass einige wenige Gesell­schaften den Markt beherr­schen, von Mono­pol­stellung der „Gesell­schaft für wis­sen­schaft­liche Gerichts- und Rechts­psy­cho­logie“ (GWG) ist die Rede. Kri­ti­siert wird zu wenig Kon­kurrenz, Abhän­gigkeit der Fami­li­en­ge­richte vom Gut­achter, man­gel­hafte Aus­bildung bei gleich­zeitig über­di­men­sional hohem Ein­kommen der Gutachter/innen. Tat­sächlich haben Gut­achter Macht bei Gericht. Formal ent­scheidet der Richter, fak­tisch aber der Gut­achter. Das ergibt sich aus der ein­fachen Sach­logik, der Richter soll über psy­cho­lo­gische Zusam­men­hänge ent­scheiden, wovon er keine Ahnung hat. Um dem abzu­helfen, wird schon seit Jahren all­seits ent­spre­chende Rich­ter­fort­bildung gefordert.
Kritik an fami­li­en­psy­cho­lo­gi­schen Gut­achten gibt es schon seit vielen Jahren, geändert hat sich wenig. Am Ende zahlen immer die Betrof­fenen, die durch Trennung & Scheidung schon finan­ziell stark stra­pa­ziert sind. Sie müssen in der Regel zahlen, ob das Gut­achten etwas taugt oder nicht, obwohl sie auf die Auswahl der Gutachter/innen keinen Ein­fluss haben.
Auch die Stel­lung­nahme eines ange­se­henen Sach­ver­stän­digen, der das vor­lie­gende Gut­achten als „unver­wertbar“ bezeichnet und fordert, dass es bei der „Ent­schei­dungs­findung des Gerichts“ nicht berück­sichtigt werden darf, hilft dem Betrof­fenen nicht. Das Ober­lan­des­ge­richt treibt, trotz nach­weis­licher Mängel des Gut­achtens und Unter­las­sungen der Gut­ach­terin die über­di­men­sional hohen Kosten rück­sichtslos ein. Betroffene sind in dieser Situation auf sich gestellt, denn den „Fach­anwalt für Gut­ach­ter­recht“ gibt es nicht. „Damit Betroffene nicht am Ende auf so hohen Rechnung sitzen bleiben, müssen sie selbst recht­zeitig die Reiß­leine ziehen und von sich aus das Ver­fahren abbrechen. Das Beste ist jedoch immer, sich selbst zu einigen, dann kommen Sach­ver­ständige gleich gar nicht zu Wort“, rät Linsler.


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