Eva Herman: “Goodbye, Daniel Küb­lböck, ich schicke Dir viel Liebe…”

Daniel Küb­lböck ist offenbar tot. Es heißt, er sei wohl von einem Luxus-Kreuz­fahrt­schiff ins Meer gesprungen. Die Such­ar­beiten wurden ein­ge­stellt. Man hatte über 4000 Qua­drat­ki­lo­meter des Meeres abge­sucht, doch man fand ihn nicht. Ich habe Daniel Küb­lböck per­sönlich ken­nen­ge­lernt und mir ein eigenes Bild von ihm gemacht.

Daniel konnte das Mobbing nicht mehr verkraften

Während die Bou­le­vard­blätter nun Daniels Leben hoch und her­un­ter­schreiben, während sie Inter­views führen und ober­flächlich spe­ku­lieren, aber dennoch nicht in die Tiefe kommen, während manche erfolg­reiche Musik­ex­perten sich öffentlich gar lustig über den Ver­schol­lenen machen, und so manche Fans wirklich um ihn trauern, wird immer deut­licher, dass der junge Mann sehr unglücklich gewesen sein muss. Von Mobbing in seinem beruf­lichen und pri­vaten Umfeld ist die Rede, welches der sen­sible Künstler offenbar nicht mehr ver­kraften konnte.

Daniel lud mich als erster nach der ZDF-Kerner-Sendung ein

Daniel Küb­lböck war aus meiner Sicht ein hoch emp­find­samer Mensch. Aus­ge­rechnet er war der erste Mode­rator gewesen, der mich – nach dem ZDF-Kerner-Eklat 2007 – in seine Wies­ba­dener Internet-Talkshow Küb­lböcks Tal­knight einlud. Wenige Wochen vorher war er zu einem per­sön­lichen Vor­ge­spräch zu mir nach Hamburg gereist, wo ich ihn zu Hause emp­fangen hatte. Es gab lecker Schnittchen, für die er sich so oft bedankt hatte. Ob ich die wirklich extra für ihn gemacht hätte?

Daniel stellte viele Fragen zur Mutter-Kind-Bindung

Daniel Küb­lböck stellte mir viele Fragen zur Mutter-Kind-Bindung. Er war hoch inter­es­siert an den Folgen einer müt­ter­lichen Ver­nach­läs­sigung: Konnte ein Mensch wirklich noch glücklich werden im Leben ohne die Liebe seiner Mutter? Welche Aus­wir­kungen hatte eine früh­kind­liche Mut­terab­lehnung? Warum spricht man nicht öffentlich über die Wich­tigkeit dieses Themas, wollte er wissen?

Daniel war hundert Mal besser vor­be­reitet als so mancher »Qua­li­täts­jour­nalist«

Daniel Küb­lböck hatte sich minutiös in das Thema unseres Inter­views hin­ein­ge­ar­beitet. Er las mehrere meiner Bücher, hatte zahl­reiche Fach­lek­türen inter­na­tio­naler Bin­dungs­for­scher durch­ge­ar­beitet. Er war hundert Mal besser vor­be­reitet als so mancher »Qua­li­täts­jour­nalist« es in den öffentlich-recht­lichen Talk­shows zu sein pflegt.
Als ich dann zur Sendung nach Wies­baden kam, war er ein bisschen auf­geregt. Auch des­wegen, weil manche Leute ihn im Vorfeld gewarnt hatten, Eva Herman ein­zu­laden. Die ist doch Nazi, oder so? All dies war Daniel jedoch egal gewesen. Er bestand darauf, in der Öffent­lichkeit über die so wich­tigen ersten Lebens­jahre eines Kindes zu sprechen. Er wollte auf­klären. Und konnte nicht ver­stehen, warum die Par­tei­en­po­li­tiker sich für hun­dert­tau­sende Krip­pen­plätze ent­schieden hatten, während es für die Kleinen doch viel besser wäre, in den ersten Jahren bei ihren Müttern bleiben zu dürfen.

Warum betrachtete man die Mütter daheim als Schande für die Gesellschaft?

Warum gab man den Müttern nicht einfach mehr Geld, damit sie die Chance für ein Mit­ein­ander mit den kleinen Kindern hätten? Warum stig­ma­ti­sierte man jene Frauen sogar, die bei ihren Kindern zu Hause blieben? Betrachtete sie als Schande für die Gesellschaft?
Ich gestehe, dass ich sehr ver­wundert war über das packende Enga­gement von Daniel Küblböck.

Daniels Kindheit war offenbar ein Albtraum

Heute lese ich, was Daniel über seine Kindheit gesagt hat. In seiner 2003 ver­öf­fent­lichten Auto­bio­grafie Ich lebe meine Töne, schil­derte er bedrü­ckende Erin­ne­rungen aus seinen Kin­der­jahren. Vor allem musste der Junge offenbar die Liebe seiner Mutter gründlich ver­misst haben. Sie habe ihn neben den stän­digen Män­ner­be­suchen im Rausch ver­prügelt: »Ich springe auf mein Bett. Ich will ihr aus­weichen, aber wohin? Sie legt die Finger um meinen Hals. Beginnt mich zu schütteln und zu würgen. Mama schreit: Du bist nicht mein Kind! Du sollst nicht mein Kind sein!« Auch soll die Mutter immer wieder zu ihrem Sohn gesagt haben: »Du bist und du wirst auch nichts werden.« Ein Albtraum.
Mögen Deine Engel Dich ins Licht führen. Ich schicke Dir viel Liebe…
Daniel Küb­lböck scheint nicht mehr zu leben. Er hat diese innere Leere einfach nicht mehr aus­ge­halten. Daniel hatte sich offenbar selbst nie richtig finden können, durfte sich einfach nicht mögen.
Lieber Daniel, niemand weiß, wohin Dich Deine Reise jetzt führt. Mögen Deine Engel Dich lie­bevoll an der Hand nehmen und Dich ins Licht geleiten. Ich bete für Dich. Und ich schicke Dir, wie ganz gewiss viele andere Men­schen auch, mas­senhaft Liebe…


Quelle: Eva Herman