Es leiden wieder die Ärmsten der Armen: Diesel-Fahr­verbot gefährdet Essener Tafel

Es sind oft kleine Anlässe, die ein Fass zum Über­laufen bringen. In Frank­reich gehen Hun­der­tau­sende gegen Emmanuel Macron auf die Straße, drei Viertel der Fran­zosen stehen hinter den Pro­testen, Mil­lionen kün­digten an, sich selbst an den Pro­testen zu beteiligen.
(Von Dirk Maxeiner)

Es geht um den Kauf­kraft­verlust und ständige Steuer- und Abga­ben­er­hö­hungen. Eine Straf­steuer auf den Kraft­stoff, der auch in unserem Nach­barland besonders beliebten Die­sel­autos, war dann eine Erhöhung zu viel. Da fruchtete auch der Hinweis auf angeb­liche Bemü­hungen um die Luft­reinheit nicht mehr. Die 51 Jahre alte Jacline Mouraud pro­tes­tierte mit einem Video auf Facebook gegen die hohen Sprit­preise und wurde zum Protest-Kult. Das Erken­nungs­zeichen der Bewegung sind die gelben Warn­westen „Gilets jaunes“.
Den Deut­schen ist so ein anar­chi­scher Aus­bruch wohl nicht zuzu­trauen, aber das Murren hier­zu­lande wird all­mählich auch lauter. Auch bei uns werden Ein­schrän­kungen, Gän­ge­lungen und immer neue Belas­tungen stets so begründet, dass der­jenige, der dagegen pro­tes­tiert, sich mora­lisch ins Unrecht setzt. Wer kann schon was gegen saubere Luft in den Städten haben? Die Deutsche Umwelt­hilfe, ein Abmahn­verein, der mit dieser Begründung gerade Deutschland lahm legt, strotzt nur so vor mora­li­scher Selbst­ge­rech­tigkeit. Diese Leute haben kei­nerlei Bezug mehr dazu, was sie tat­sächlich anrichten – und welches mora­lische Urteil später einmal darüber gefällt werden dürfte.
Und wieder ist es eine kleine, scheinbar neben­säch­liche Episode, die den ganzen Irrsinn wie in einer Nuss­schale kon­zen­triert – und die Ver­hält­nisse zum Tanzen bringen könnte. „Aus für Essener Tafel wegen Diesel-Fahr­verbot?“ fragte die Bild-Zeitung vor zwei Tagen. Die Essener Tafel machte vor einiger Zeit Schlag­zeilen, weil Ihr cou­ra­gierter Chef, Jörg Sartor, nicht länger hin­nehmen wollte, dass bei der Essens­ver­teilung zunehmend das Recht des Stär­keren Einzug hielt – und aus diesem Grund bis auf wei­teres keine wei­teren Zuwan­derer mehr akzep­tieren wollte. Bis hinauf zur Bun­des­kanz­lerin ging dar­aufhin Ent­rüstung durch die Reihen der Abge­ho­benen in diesem Lande, Jörg Sartor fand sich ruckzuck auf der Ras­sisten-Strafbank, obwohl er aus schlichter Not­wen­digkeit eine prak­tisch ver­nünftige Ent­scheidung durchsetzte.
Unter der Mus­ter­tapete der hohen Moral
Inzwi­schen „ist die Oma wieder da“, freut sich der Tafel-Chef. Statt dessen droht jetzt erneutes Ungemach. Und wieder sind es die Moral­apostel in ihren Wolken-Kuckucks­heimen, die die Existenz dieser von Frei­wil­ligen getra­genen sozialen Ein­richtung gefährden. Sartor droht mit einer Schließung der kom­pletten Essener Tafel. Grund ist das Die­sel­fahr­verbot in Essen, das ab 2019 gelten soll. Laut Sartor verfügt die Essener Tafel für den Transport von gespen­deten Lebens­mitteln über sechs Kühl­fahr­zeuge der Marke Mer­cedes Sprinter und zwei weitere Trans­porter. Die Fahr­zeuge seien zwi­schen zwei und fünf Jahre alt und erfüllten lediglich die Euro-Normen 4 oder 5. Die Essener Tafel mit Sitz im Hut­troper Was­serturm an der Steeler Straße liegt mitten drin in einer „Ver­botszone“. Für neue Trans­porter fehlt das Geld, also müsste man dieses Projekt, das immerhin 22.000 Bedürftige in der Stadt mit Lebens­mitteln ver­sorgt, auf­geben. Ob es eine Aus­nah­me­ge­neh­migung geben wird, steht in den Sternen.
Und damit wären wir bei der Moral der Geschichte. Zwei­felhaft ermit­telte Grenz­werte für Stick­oxide, deren Ein­haltung mit noch zwei­fel­haf­teren Mess­stellen über­prüft wird, gipfeln in absolut zwei­fel­haften Hoch­rech­nungen „vor­zei­tiger Todes­fälle“. Diese wie­derum werden von einem zwei­felhaft finan­zierten Abmahn­verein genutzt, um seiner Kam­pagne gegen das Auto Schwung zu ver­leihen. Das führt dann ganz unzwei­felhaft zur Ent­eigung hun­dert­tau­sender Auto­fahrer, die man im übrigen jah­relang ver­leitet hat, sich ein Die­selauto zu kaufen, weil das mit seinem nied­ri­geren CO2-Ausstoß besser fürs Klima sei.
Aber es sind eben nicht nur die Auto­fahrer. Will­kürlich her­bei­ge­führte Wohl­stands­ver­luste treffen immer die Ärmsten der Armen am schlimmsten. Und das wären in diesem exem­pla­ri­schen Fall die 22.000 Men­schen in Essen, die sich noch nicht einmal mehr den Einkauf von Lebens­mitteln leisten können. Men­schen im übrigen, die bereits unter exor­bi­tanten Strom- und Hei­zungs­preisen leiden, die eben­falls im Dienste einer höheren Moral, nämlich einer dubiosen „Kli­ma­rettung“ auf­ok­troyiert wurden – von den gleichen dubiosen Welt­rettern, die jetzt mit der Luft­rein­hal­tungs­keule das Auto abser­vieren wollen. Unter der Mus­ter­tapete der hohen Moral modert die gute alte Feind­schaft gegenüber der Industriegesellschaft.

Zutiefst anti­human und misanthropisch

Das Bei­spiel der Tafel Essen zeigt noch zwei weitere Cha­rak­te­ristika dieser zutiefst anti­hu­manen und mis­an­thro­pi­schen poli­ti­schen Agenda: Private Initiative und bür­ger­schaft­liches Enga­gement werden unter­mi­niert, das Indi­viduum gilt nichts. Es soll weder selbst­be­stimmt fahren können, wohin es will, noch helfen können, wem es will. Die ent­spre­chenden Gesetze, die die Vor­aus­set­zungen dafür schaffen, werden stets unter dem Deck­mantel eines noblen Anliegens ver­ab­schiedet, so sie denn nicht ganz unter dem Radar der öffent­lichen Wahr­nehmung gehalten werden. Gerne spielt man dabei auch über die euro­päische Bande oder „unver­bind­liche“ UN-Reso­lu­tionen. Auf dem Weg von dort oben nach unten ver­kehren sich die guten Vor­sätze dann nach und nach ins Gegenteil.
Gerd Held hat dieser Tage auf Achgut.com in seinem Beitrag „Die Industrie-Ver­ab­schie­dungs­kultur“ geschrieben: „Es wird so getan, als fände auf deut­schen Straßen eine Art Welt­krieg oder eine orga­ni­sierte Mas­sen­ver­nichtung statt. Es soll ein Klima der Angst und der Empörung geschaffen werden, in dem keine ver­nünftige Abwägung von Belas­tungen und Erträgen mehr statt­finden kann. Die Argu­men­tation ent­zieht sich jeder Ver­hält­nis­mä­ßig­keits-Ver­nunft. Auf diesem Weg kann jeder indus­tri­ellen Akti­vität die Legi­ti­mität ent­zogen werden“.
Genau das stellen die Vor­gänge um die Essener Tafel nun ganz lebens­prak­tisch unter Beweis. Bei dieser Gele­genheit sollte man auch noch einmal das soge­nannte „Vor­sorge-Prinzip“ ansprechen. Wenn man es richtig handhabt, dann darf man nämlich nicht nur die Folgen der Anwendung einer Technik betrachten, sondern muss sie gegen die Folgen ihrer Nicht-Anwendung abwägen. Im Falle des Diesels sollte die Ent­scheidung gar nicht so schwer fallen. Unzählige Men­schen wurden und werden mit Fahr­zeugen oder Aggre­gaten gerettet, die von Die­sel­mo­toren sparsam und zuver­lässig ange­trieben werden. Jedes Kran­kenhaus hat ein Diesel-Not­strom­ag­gregat im Keller. Eine noch viel größere Rolle spielt die indi­rekte Funktion des Die­sel­motors als Wohl­stands­ma­schine und Über­le­bens­hilfe. Jeder, der einmal in Afrika oder Aus­tralien reiste, kennt das nächt­liche Tuckern des Die­sel­ag­gregats, das den Kühl­schrank kalt und die Glüh­birne hell werden lässt.
Dieser nach­weislich mil­lio­nen­fachen lebens­ret­tenden Funktion stehen hypo­the­tische und wis­sen­schaftlich nach wie vor umstrittene Studien gegenüber, die ent­gegen der Kol­por­tagen nicht in der Lage sind, einen kau­salen Zusam­menhang zwi­schen Stick­oxiden und Erkran­kungen nach­zu­weisen. Eine Abwägung von Nutzen und Schaden findet nicht mehr statt. Es geht nicht um Abgase und schon gar nicht um Men­schen. Es geht um eine Ideo­logie der tabula rása.


Von Dirk Max­einer für EIKE