Gen­der­ge­rechte Recht­schreibung im Anmarsch: Die Invasion der Sonderzeichen

Deutschland hat ein großes Problem. Ein richtig großes sogar. Nein, nicht was Sie denken, ver­ehrter Leser. Ein RICHTIG großes ist hier gemeint.
Es geht um die gen­der­sen­sible Rechtschreibung.
Stu­di­en­an­fänger – also Abitu­ri­enten! — weisen große Lücken in der deut­schen Recht­schreibung, Gram­matik und Lese­kom­petenz (und auf vielen anderen Gebieten) auf. Die Industrie- und Han­dels­kammer beklagt, dass man viele Schüler, auch solche mit recht guten Abschlüssen, auf Kosten der Firmen nach­schulen muss, bevor sie über­haupt in der Lage sind, einen Job anzu­treten, weil ihnen grund­le­gende Fähig­keiten fehlen, die die Schule eigentlich hätte ver­mitteln müssen.
Die IHK über­prüfte bei 2000 Schul­ab­gängern nach bestan­dener Prüfung zum Bei­spiel die Recht­schrei­be­fä­hig­keiten und stellte fest, nur 35% beherr­schen die deutsche Recht­schreibung gut bis sehr gut, sehr wenige nur tat­sächlich feh­lerfrei. So jemanden kann man aber eigentlich nicht ins Arbeits­leben entlassen.
Die Dar­stellung ihrer Ergeb­nisse ver­bindet die IHK Kassel mit der (An)Klage, dass “die Betriebe zur Repa­ra­tur­werk­statt nicht erbrachter schu­li­scher Leis­tungen” würden, weil die Schule bei ihrer urei­gensten Leistung versage.“
Aber auch die Schulen selber und das Lehr­per­sonal sind auf‘s höchste irritiert:
So beschweren sich nicht selten Deutschlehrer/innen in wei­ter­füh­renden Schul­formen, dass ihre Schüler/innen während der Grund­schule zuwenig Sicherheit im Recht­schreiben erworben hätten, und sie selbst sehen sich mit ent­spre­chend kri­ti­schen Fragen ihrer anderen Fachkolleg/innen konfrontiert.“
Wie niedlich. Dabei ist dieser Bericht über Recht­schreib­ver­sagen selbst nicht korrekt, oder? Das mit dem Schräg­strich, neu­deutsch auch gern „Slash“ genannt ist doch gar nicht regel­konform. Oder etwa doch? Oder müsste da nicht ein Sternchen hin? Unter Gebil­deten auch Asterisk genannt? Und der Unter­strich alias „Underscore“? Ist der gen­der­sen­sibel genug? Und müsste es nicht zumindest Fachkolleg(en)/innen heißen?
Was ist mit den Son­der­mei­nungen selbst­er­klärter Experten?
Da gibt es zum Bei­spiel eine/n Professor/(…)X*in namens Lann Horn­scheidt für Gender Studies und skan­di­na­vis­tische Lin­gu­istik am Zentrum für Trans­dis­zi­plinäre Geschlech­ter­studien der HU Berlin. Es gibt da mehrere Schreib­weisen, die den Berufs­stand dieser Person beschreiben: Pro­fes­sorin, Profe_ssorin oder Pro­fessx, Professor*in, Pro_fess_or_in… was denn nun?
Lann Horn­scheidt votiert ein­deutig für das Pro­fessx. Aber nein, Pro­fessx Horn­scheidt ist keine Kunst­figur aus Asterx und Obelx. Pro­fessx Horn­scheidt möchte sich in einer Anrede nicht als Frau oder Mann iden­ti­fi­ziert finden. Das kann man ver­stehen, denn schon vom Foto her wäre das schwierig.
Also, Pro­fessx Horn­scheidt hat zusammen mit seiner/ihrer/dessen AG eine/n Leitfadx erstellt, in dem es um gen­der­ge­rechte Sprache geht. Den sollte man wirklich unbe­dingt lesen, ins­be­sondere das Glossar. Sehr beeindruckend.
Liebe, geneigte Leserx‑e, sollte mich einmal der Hafer stechen, werde ich eine Arbeit ver­fassen, in der ich die Vor­schläge der neuen deut­schen Medi­en­macher in ihrem Glossar zur Ver­meidung dis­kri­mi­nie­render Wörter und Sprache gegenüber Zuwan­derern mit den Anfor­de­rungen der gen­der­sen­siblen Sprache gemäß Pro­fessx Horn­scheidt in eine ein­heit­liche Sys­te­matik und Anwen­dungs­an­leitung bringe. Viel­leicht wäre das auch eine Idee für ein neues Fern­seh­format, wo man einen Preis gewinnen kann, wenn man einen Satz in bisher üblichem Deutsch umfor­mu­lieren muss in „Nicht-Zuwan­de­rungs­dis­kri­mi­nie­rendes-gen­der­ge­rechtes-Neu­sprech-und-Neu­schreib-Deutsch“.
Mal einen Mus­tersatz als Kno­bel­aufgabe für unsere Leser:
„Besonders die Frank­furter Poli­zisten, von denen 35 Prozent Frauen sind, fühlen sich oft von kri­mi­nellen Migranten und ille­galen Flücht­lingen bedroht.“
Viel Spaß. Wir freuen uns auf Ihre Einsendungen.
(Auf­ge­passt! Auch der Begriff „Frauen“ ist nicht zulässig und täuscht unsen­sibel darüber hinweg, dass es min­destens 26 Gender gibt!)
Aber mal im Ernst. Dieses epo­chalen Pro­blems müssen sich jetzt die Fach­leute annehmen. Der Rat für deutsche Recht­schreibung hat diese Her­ku­les­aufgabe zu bewäl­tigen. Bisher herrscht Ratlosigkeit:
Möglich sind Vari­anten wie die mit dem Sternchen – Asterisk – im Wort wie bei „Lehrer*in“ oder mit dem Tief­strich — Gen­dergap — wie bei „Lehrer_in“ oder „Lehr_er_in“. Bei seiner Sitzung im Juni in Wien, war der Rat über­ein­ge­kommen, dass geschlech­ter­ge­rechte Sprache ver­ständlich, lesbar, vor­lesbar, gram­ma­tisch korrekt sowie ein­deutig und rechts­sicher sein soll. Eine klare Tendenz, wie durch Ortho­grafie die Schreibung geschlech­ter­ge­recht gestaltet werden könne, hatten die Experten noch nicht aus­machen können.“ 
Aber siehe: Wo die Not am größten ist, ist die Rettung am nächsten. Der Sprach­wis­sen­schaftler Peter Eisenberg mischt sich mit der Stimme der Ver­nunft in die Debatte:
Seiner Ansicht nach ist der Asterisk ein sprach­fremdes Element. Er fürchtet, dessen Ein­führung in der Behör­den­sprache sei nur ein erster Schritt. ‘Jetzt wird er tole­riert, in zwei bis drei Jahren akzep­tiert, und dann heißt es: Warum kommt er nicht auch in Schul­bücher?’ Er spricht von einer bedroh­lichen Ent­wicklung, die von geschlos­senen Zirkeln gewaltig vor­an­ge­trieben werde. ‘Die Schreib­weise Lehrer*in sei genau genommen auch nicht gerecht’, fügt Eisenberg an. Nicht nur, weil die männ­liche vor der weib­lichen Form stehe, sondern weil sich sämt­liche andere Geschlechts­iden­ti­täten ‘hinter dem Sternchen ver­stecken’ müssten.“
Der Mann hat recht. Genauso wird es kommen und die deutsche Sprache restlos ver­hunzt werden. Das wird so grauslich, dass die Deut­schen frei­willig auf Ara­bisch oder Tür­kisch umschalten, um diesem Wort­fet­zen­salat zu ent­kommen. Herr Eisenberg hat auch einen wirklich guten Vor­schlag, zu dem ich mich schon vor einiger Zeit ent­schlossen habe. Ich bin einfach Jour­nalist, Autor, Fil­me­macher. Punkt. Mehr geht keinen was an. Die all­gemein mas­kuline Bezeichnung schützt die Pri­vat­sphäre. Und so sagt auch Herr Eisenberg:
„‘Ich habe immer für die Gleich­be­rech­tigung der Frau gear­beitet’“, sagt Eisenberg. Ein­griffe in die deutsche Sprache seien dafür jedoch nicht not­wendig. ‘Das Deutsche kann alles, was man von ihm ver­langt.’ Er ver­weist darauf, dass der Begriff ‘Richter’ im Sinne des gene­ri­schen Mas­ku­linums für die Berufs­gattung stehe und nicht für die männ­liche Form. Als Bei­spielsatz sagt er: ‘In Berlin sind 60 Prozent der Richter Frauen — und eben nicht ’60 Prozent der Richterinnen.’ ”
Für Eisenberg ist jeden­falls klar: Niemand dürfe zu Gen­der­sprache gezwungen werden. „Das wäre das Ende des freien Sprachgebrauchs.“
Endlich! Endlich jemand mit Hirn, Herz und Ver­stand. Aber — leider! — wird das unsere Genderwissenschaft_ler_in_nen nicht interessieren.