By Rafael Matsunaga - Flickr, CC BY 2.0, Link

Märkte: Keine Entwarnung!

Der Oktober ist vorbei und eine Zwi­schen­er­holung könnte ein­setzen. Das ändert nichts daran, dass die Märkte ihren Zenit über­schritten haben.
Während sich bei uns alles um den Teil­rückzug von Frau Merkel dreht und erste ernst­hafte Dis­kus­sionen zur schlechten wirt­schafts­po­li­ti­schen Bilanz ihrer Amtszeit beginnen (siehe auch “Ein ernüch­ternder Blick auf Deutschland”), braut sich an den Welt­fi­nanz­märkten die nächste Krise zusammen. Zwar hat es der S&P 500 mit einer kleinen Rallye, die auch den DAX mit­ge­zogen hat, doch noch geschafft, bis Ende Oktober den geringen Jah­res­gewinn von 1,8 Prozent zu sichern. Die anderen Märkte bleiben jedoch ernsthaft ange­schlagen.
Russland, Bra­silien und USA noch im Plus
Wie groß die Pro­bleme an den Welt­börsen mitt­ler­weile sind, zeigt ein Blick auf die Ent­wicklung ein­zelner Han­dels­plätze und Markt­seg­mente. Dabei ist es nicht nur schwer, Märkte zu iden­ti­fi­zieren, die noch im Plus liegen. Zunehmend schwer ist es, Märkte zu finden, die sich noch nicht in einem Bären­markt befinden. Von einem solchen spricht man, sobald eine Aktie oder ein Index mehr als 20 Prozent vom Höchst­stand der letzten zwölf Monate ver­loren haben. 
Gewinner seit Jah­res­beginn sind so betrachtet einzig der S&P und die NASDAQ (an dieser Stelle aus­führlich dis­ku­tiert), die beide mitt­ler­weile eben­falls den Rück­wärtsgang ein­gelegt haben sowie die Börsen in Russland und Bra­silien. Doch auch diese Märkte notieren unter dem in den letzten zwölf Monaten erreichten Hoch. 
Am anderen Ende des Spek­trums befinden sich der Hang Seng (Hong Kong), der CSI (China) und der MSCI Emerging Markets Index. Diese drei sind mit Kurs­ver­lusten von über 20 Prozent gegenüber dem jüngsten Hoch ein­deutig in einem Bären­markt. An der Börse von Korea, tra­di­tionell ein Land mit großer Signal­wirkung für den Zustand der Welt­wirt­schaft, fehlt nicht mehr viel, um auch von einem Bären­markt zu sprechen. Gleiches gilt für den DAX. 
Besonders gebeutelt hat es Banken und Auto­mo­bil­werte. Sowohl der STOXX 600 Banken wie auch Auto­mobile, haben rund 30 Prozent gegenüber dem Höchst­stand ver­loren. Dabei gibt es keinen ein­zigen Wert im Auto­mo­bil­index, der nicht min­destens 20 Prozent gegenüber dem Höchst­stand ein­gebüßt hat. Bei den Banken notiert immerhin noch jede fünfte weniger als 20 Prozent unter dem Höchstkurs der letzten 12 Monate. Lange dürfte dies ange­sichts der sich immer deut­licher abzeich­nenden Tur­bu­lenzen an den Finanz­märkten nicht mehr der Fall sein. 
Indizes wiegen in fal­scher Sicherheit
Ohnehin ist es gefährlich, auf die Indizes zu schauen, wenn man einen Markt beur­teilen will. So haben wir an dieser Stelle immer wieder dis­ku­tiert, wie dünn die Auf­wärts­be­wegung an der Wall Street geworden ist. So standen hinter dem Rekord im S&P 500 vor allem sechs Aktien: Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Microsoft und Google (Alphabet). Immerhin ein Drittel der Kurs­ge­winne ging seit dem Tief vom Februar auf diese Werte zurück. Beim NASDAQ war die Ent­wicklung extremer. Nach Daten von Bloomberg hatten alleine Amazon, Apple, Netflix und Google einen Anteil von 48 Prozent am Durch­bruch über 8000 Punkte. 
Seither haben Amazon, Google (Alphabet) und Netflix in der Spitze über 20 Prozent ver­loren, Apple über zehn Prozent. Ende Oktober waren immerhin fast 40 Prozent der Index­be­stand­teile von S&P 500 und NASDAQ bereits im Bären­markt. Nicht besser sieht es im Rest der Welt aus (Anteil der Index­be­stand­teile im Bären­markt):
  • MOEX (Russland): fast 40 Prozent
  • Bovespa (Bra­silien): 40 Prozent
  • Nikkei (Japan): über 40 Prozent
  • STOXX 600 (Europe): über 40 Prozent
  • FTSE (UK): über 40 Prozent
  • DAX: 60 Prozent
  • S&P BSE (Indien): über 60 Prozent
  • Hang Seng: 65 Prozent
  • KOPSI (Korea): über 80 Prozent
  • CSI (China): über 80 Prozent
Man muss kein Chart­tech­niker sein, um diese Zahlen als ein­deu­tiges Warn­signal zu sehen. 
Der „Alles-Blase“ geht die Puste aus
Deut­licher kann man nicht unter­streichen, dass es lang­fristig keinen Wohl­stand schafft, wenn Noten­banken unge­bremst und billig Liqui­dität in die Märkte pumpen. Es sind immer nur tem­poräre Stroh­feuer, die ange­facht werden, wobei ich zuge­stehen muss, dass das aktuelle Stroh­feuer an den Börsen lange nach­ge­wirkt hat, was auch daran liegen dürfte, dass die Dimen­sionen his­to­risch ein­malig sind. Doch auch dieser „Alles-Blase“, die zeit­weise alle Ver­mö­gens­werte von Anleihen über Aktien und Immo­bilien bis hin zu Kunst und anderen Samm­ler­ob­jekten getrieben hat, geht immer offen­sicht­licher die Puste aus. Damit erleidet sie das Schicksal frü­herer Blasen auch. 
Macht­beben von Dirk Mueller

Erinnert sei an dieser Stelle daran, dass der Dow Jones in Gold gerechnet 1999 seinen his­to­ri­schen Höchst­stand erreicht hat. Der Euro-STOXX 50 hatte sein All-Time-High (in Euro!) im März 2000 und liegt 18 Jahre später immer noch über 40 Prozent unter dem Stand von damals! Der Shanghai Com­posite Index erreichte sein Höchst im Oktober 2007 und liegt trotz der beein­dru­ckenden schul­den­fi­nan­zierten Expansion in China immerhin 60 Prozent unter dem dama­ligen Niveau. Bitcoin- und Mari­huana-Aktien dürften die vorerst letzten Blasen sein, die geplatzt sind. 
Bleibt die Frage: Wie geht es an den Märkten weiter? Trotz der jüngsten Kor­rek­turen an der Wall Street scheint es immer noch ein gehö­riges Maß an Opti­mismus zu geben. Große Spe­ku­lanten, vor allem Hedge-Fonds, haben in den letzten Tagen deutlich inves­tiert. Sie haben sich also güns­tiger ein­ge­deckt. Ande­rer­seits zeigt ein Blick auf die Geschichte, dass gerade an Wen­de­punkten die großen Spe­ku­lanten falsch liegen, weil sie dazu neigen, dem Trend zu folgen und erst ver­spätet rea­li­sieren, dass der Trend wendet. 
Packen wir dazu die gesamt­wirt­schaft­liche Lage (erste Anzeichen für eine Abschwä­chung der Welt­wirt­schaft, namentlich auch in den USA, stei­genden Zinsen) und die geo­po­li­ti­schen Unsi­cher­heiten (Ver­schärfung des Han­dels­kon­fliktes, höhere Ölpreise im Zuge der Iran-Sank­tionen, Brexit), spricht viel dafür – und hier wie­derhole ich meine Emp­feh­lungen der letzten Monate – Posi­tionen abzu­bauen und die Liqui­di­täts­quote zu erhöhen. 

Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com
→ wiwo.de: „Die nächste Krise kommt – das sollten Anleger tun“, 8.November 2018