Man arbeitet emsig daran, die europäischen Staaten in einer EU nach dem Muster der USA aufzulösen. Die einzelnen Völker, Länder, Staaten sollen zu einer Art Bundesstaaten in einem übergeordneten Superstaat aufgehen, wie der französische Präsident Emmanuel Macron es in seiner programmatischen Antrittsrede schon formuliert hatte.
Frau Bundeskanzlerin Merkel stößt in dasselbe Horn mit ihrem Statement einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Thema „Parlamentarismus zwischen Globalisierung und nationaler Souveränität“ in Berlin:
„Nationalstaaten müssen heute – sollten heute, sage ich – bereit sein, Souveränität abzugeben. Aber das natürlich in einem geordneten Verfahren“, und sie fügte hinzu, dass die nationalen Parlamente selbstverständlich die Entscheidungen treffen müssen. Und im selben Atemzug warnte sie vor Nationalismus: „Entweder man gehört zu denen, die glauben, sie können alles alleine lösen und müssen nur an sich denken. Das ist Nationalismus in reinster Form. Das ist kein Patriotismus. Denn Patriotismus ist, wenn man im deutschen Interesse auch andere mit einbezieht und Win-Win-Situationen akzeptiert.“
Eine wirklich krude Definition, die rein willkürlich und propagandistisch konstruiert ist.
Nationalismus ist in erster Linie die Überzeugung und eine Staatsphilosophie, in der die ideale Staatsform als diejenige postuliert wird, in der die Siedlungsgrenzen von Ethnien, also Völkern mit einer gemeinsamen Geschichte, Sprache, Abstammung, Kultur und Tradition auch die Grenzen eines Staates sind. Das sagt auch die Herkunft des Wortes Nation aus dem Lateinischen „natus“ – geboren, was sich im Deutschen „Eingeborene“ ebenfalls ausdrückt.
Die Nation ist die im Menschen veranlagte, erweiterte „Großsippe“. Zu einer Nation gehört man via Geburt und Abstammung.
Patriotismus ist die „Vaterlandsliebe“ und keine Staatsform oder Staatsphilosophie. Sie ist eine emotionale Verbundenheit mit dem Land, in dem man lebt. Man kann einer Nation angehören, sie aber nicht lieben und ist dann auch kein Patriot. Es gibt mehr als genug Deutsche, die abstammungsmäßig zur deutschen Nation gehören, sie aber dennoch hassen und ihrem Volk und ihrer Nation schaden, wo es nur geht.
Man kann Bürger eines Nationalstaates sein, dessen Staatsangehörigkeit man erworben hat, ohne abstammungsmäßig zu dieser Ethnie zu gehören, und dieses Land und seine Kultur lieben und schützen. So jemand ist zum Beispiel der bekannte YouTuber Serge Menga, den man ohne weiteres als einen deutschen Patrioten bezeichnen kann.
Was wir hier beobachten, ist die gezielte und raffinierte Neubesetzung von Begriffen. Denn wer die Deutungshoheit über die Begriffe errungen hat, gewinnt die Macht über das Denken. „Nationalismus“ wird nun zunehmend gleichgesetzt mit einer Ideologie eines (rassistisch motivierten) Überlegenheitswahns und rücksichtslosem Eigennutz. Ein „Wir setzen uns aufgrund unserer Überlegenheit gegen alle anderen durch“. Eine verurteilende und abwertende Definition, die neu und nicht zulässig ist.
Aber nichtsdestotrotz wohl überlegt. Präsident Emmanuel Macron benutzte diese beiden Begriffe so, und siehe, Frau Bundeskanzlerin Merkel übernimmt diese neue Definition, als sei sie vollkommen selbstverständlich. Man bietet jetzt dem Volk eine Art Ersatzbefriedigung an, einen EU-Patriotismus, der ohne jede Basis zu leisem Dahinsiechen verdammt ist, sofern man ihn nicht künstlich befeuert. Denn der Patriotismus benötigt eine „Patria“, das Vaterland.
So etwas sehn wir am Beispiel der Vereinigten Staaten.
Ich kann dazu etwas sagen, da ich 14 Jahre mit einem US-Amerikaner als Lebenspartner gelebt habe, der leider – wie so viele seiner Kameraden — den Spätwirkungen seines Einsatzes in Vietnam erlegen ist: Ein multipler Krebs, der durch das Agent Orange entstanden ist. Er hatte eine sehr kritische Sicht auf die Politik und den Militarismus seines Landes entwickelt. Wir waren oft in den USA, und es gab dort einiges an Diskussionen zu dem Thema Patriotismus, Nation, Weltmacht und Armee. Was man dort beobachten kann ist, dass die einzige Klammer, die all die Sprachen, Ethnien und Strukturen zusammenhält, ein sehr demonstrativer US-Patriotismus ist, der die eigene Überlegenheit, die Freiheit, die Gottgewolltheit (God’s own country) und die immense Stärke und Größe bei jeder Gelegenheit betont. Schulkinder singen bei allen Gelegenheiten die Nationalhymne, kein Footballspiel, ohne dass alle aufstehen und die Hand auf’s Herz legen und inbrünstig die Hymne schmettern. Armeeangehörige sind Helden und sakrosankt. In der Tat ist die glorreiche, unbesiegbare US-Army eine der wenigen, ganz starken und großen Klammern, die für die USA identitätsstiftend sind und das Gefühl der Einigkeit und kollektiven Sicherheit bietet. Die Verunsicherung der US-Amerikaner, die Schwächung der Army, der wirtschaftliche Niedergang der USA führten daher auch folgerichtig zu einer Erosion dieses kollektiven Einigkeits- und Sicherheitsgefühls der Unverwundbarkeit – und in der Folge zu Spaltungen, Unruhen und Konflikten und der Wahl Donald Trumps als Retter der starken Nation.
Durch freiwilliges Zusammenwachsen, Zeit und Entwicklung kann im Laufe der Zeit eine neue Nation entstehen, wie das zum Teil auch mit Deutschland der Fall war. Es gab die verwandten deutschen Stämme, die sich lang genug immer wieder in den Haaren lagen und sich später immer weiter annäherten. Nach den Kriegen und Zänkereien des Rheinbundes, die Napoleon Bonaparte geschickt für sich nutzte, kam der Norddeutsche Schutz- und Trutzbund, gefolgt vom Deutschen Reich, das in erster Linie von Bismarck zusammenschmiedete.
Nun soll also die schöne Idee Mitterands von einem Staatenbund eines „Europas der Vaterländer“ in einen Bundesstaat des „Vaterlandes Europa“ umgemodelt werden. An sich wäre das auch keine falsche Sache, wenn es denn der Wille der europäischen Völker wäre und es sich mit der Zeit natürlich entwickelte. Aber man lässt den Völkern nicht die Zeit, sich darin einzurichten, sondern tritt sie mit einem brutalen Stoß in eine chaotische Situation, in der Verteilungskämpfe und wieder aufflammende Missstände unausweichlich sein werden, die Bruchlinien klaffen bereits unübersehbar.
Bei der Sendung „Europatalk mit Maybrit Illner zeichnen sich verschiedene Probleme ab, die einen Superstaat EU schon absehbar in große Probleme bringt, wenn es nicht schon die Keime des Todes sind. Frau Illner spricht es unverblümt an: „Die Briten gehen, die Polen, die Ungarn und die Italiener bleiben. Sind das die besseren Europäer?“
Nun, die Antwort ist einfach: Sie werden bleiben, solange ihre eigene Nation von der EU profitiert. Überwiegt der Schaden den Nutzen, werden sie gehen, genau, wie die Briten. Weil sie eben in erster Linie Polen, Ungarn, Italiener, Briten sind. So simpel ist das. So denken auch die Franzosen. Nur Präsident Macron und Bundeskanzlerin Merkel träumen vom Verschwinden der Nationen und der Verschmelzung in einen Superstaat.
Ein Gast in der Runde, Geschichtsprofessor Andreas Rödder sieht es aus einer historischen Perspektive und damit recht objektiv: „Andere ticken anders. Es gibt eine kulturelle Trennung zwischen West- und Osteuropa. Es gibt eine Trennung zwischen Nord und Süd bei den ökonomischen Vorstellungen. Schluss mit dem „immer mehr und immer noch mehr Europa. Vorwärts immer, rückwärts nimmer hat schon bei Honecker nicht funktioniert. Warum sind wir nicht so fantasievoll zu akzeptieren, dass es unterschiedliche Ebenen der Kooperation gibt. (…) Mit der nationalen Vielfalt in der EU klappt es nicht, weil die Deutschen am liebsten Europäer und keine Deutschen mehr sind“.“
So ist es. In der Aufbruchzeit des Deutschen Idealismus strebten die Deutschen auch danach, die edelsten, besten, nobelsten und humanistischsten Menschen zu sein. Wir scheinen irgendwie ein pathologisches Gutmenschgen zu haben, das sich heute in übersteigerter Selbstverleugnung manifestiert.
Die BILD setzt als Zitat des Abends unter den Beitrag:
„Die Situation ist vollkommen offen.
Im Februar 1918 hat auch keiner geglaubt,
dass die Habsburger Monarchie zusammenbricht.“
Prof. Dr. Andreas Rödder
Historiker
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„Wer everybody‘s Darling sein will,
ist bald everybody‘s Depp“
Franz Josef Strauß
ehemaliger CSU Vositzender und Kanzlerkandidat