16 Monate sind seit der letzten Bundestagswahl vergangen. Vieles hat sich seither getan. Zunächst kam es zu Verhandlungen für eine sogenannte Jamaika-Koalition, die jedoch Ende November 2017, zwei Monate nach der Wahl, platzten. Schließlich kam es doch wieder zu einer schwarz-roten Regierung, der dritten innerhalb von vier Legislaturperioden, die fast sechs Monate nach der Wahl endlich ihre Arbeit aufnahm. Doch sowohl Union als auch SPD, die beide desaströse Wahlergebnisse eingefahren hatten, verloren noch weiter an Zustimmung, während die AfD und vor allem die Grünen enorm zulegen konnten. Schließlich zog die Kanzlerin Ende Oktober 2018 die Notbremse und kündigte ihren Rücktritt als CDU-Vorsitzende an. Seither sehen wir eine klare Trendwende.
Ausgangslage
Betrachten wir zunächst nochmals das Wahlergebnis der Bundestagswahl vom 24. September 2017. Vor 16 Monaten kamen die Parteien auf folgende Zustimmungswerte (in Klammern die Gewinne bzw. Verluste gegenüber der Bundestagswahl 2013):
- CDU/CSU: 32,9 % (– 8,6 %)
- SPD: 20,5 % (– 5,2 %)
- AfD: 12,6 % (+ 7,9 %)
- FDP: 10,7 % (+ 5,9 %)
- DIE LINKE: 9,2 % (+ 0,6 %)
- GRÜNE: 8,9 % (+ 0,5 %)
- Sonstige: 5,0 % (– 1,2 %)
Sowohl die Union als auch die SPD erzielten im September 2017 nicht nur herbe Verluste, sondern geradezu historisch schlechte Ergebnisse, während vor allem die AfD und die FDP kräftig zulegen konnten.
Der Plan der CDU scheint zumindest vorerst aufgegangen zu sein
In den folgenden acht Monaten konnte die Union sich bei diesem Wert von ca. 33 Prozent stabilisieren, legte sogar minimal zu. Ab Juni ging es dann jedoch immer weiter bergab, siehe Grafik unten, bis sie Ende Oktober 2018 auf ca. 26 Prozent gefallen war (bei Emnid kamen CDU/CSU einmal sogar auf bloß noch 24 Prozent).
Nach der enttäuschenden Hessenwahl Ende Oktober verkündete Merkel sodann, dass sie auf dem Parteitag der CDU Anfang Dezember nicht mehr antreten werde, um sich erneut zur CDU-Vorsitzenden wählen zu lassen. Ab diesem Zeitpunkt kam es sofort zu einer Trendwende. Die Union fiel nicht weiter, sondern konnte nun leicht zulegen, was sich ab Dezember, nachdem Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen CDU-Vorsitzenden gewählt war, verstärkte. Der Plan der CDU scheint also zumindest vorerst aufgegangen zu sein. In den letzten drei Monaten konnte die Union von ca. 26 auf jetzt 30 bis 31 Prozent klettern und scheint damit ihren Tiefpunkt überwunden zu haben.
In einer neuen Erhebung von INSA ist Annegret Kramp-Karrenbauer bereits die Politikerin, die von den meisten Wählern als diejenige angesehen wird, die ihre Interessen am ehesten vertritt. Auf Platz zwei sehen die Befragten ihre Vorgängerin als CDU-Vorsitzende, die weiter amtierende Kanzlerin Angela Merkel und auf Platz drei den Grünen-Bundesvorsitzenden Robert Habeck.
Der kontinuierliche Niedergang der SPD und der fulminante Aufstieg der Grünen von sechs auf zwei
Den größten Aufschwung erlebten in den letzten Monaten Die Grünen. In den Monaten vor der Bundestagswahl 2017 verzeichneten sie gerade einmal Werte um die 7 bis 8 Prozent, kamen dann bei der Wahl auf 8,9 Prozent, was nur noch für Platz sechs reichte. Direkt nach der Wahl schossen sie aber in den zweistelligen Bereich nach oben und stiegen von da an immer weiter und weiter, erreichten im November 2018 ihren Höhepunkt bei um die 22 Prozent (bei Forsa am 03.11.2018 sogar einmal 24 Prozent). Derzeit pendeln sie sich bei gut 19 Prozent ein, was ihnen klar den zweiten Platz beschert.
Für die SPD ging es ab Anfang 2018 immer weiter nach unten. Nicht einmal die 20-Prozent-Marke konnte gehalten werden und Ende Oktober, Anfang November 2018 ging es erstmals unter die 15 Prozent. Der Tiefpunkt wurde am 03.11.2018 mit 13 Prozent erreicht, als Die Grünen ihren Höhepunkt hatten. Seither konnte sich die SPD minimal verbessern, aber wirklich nur minimal. Sie bleibt unter 15 Prozent.
Zwölf Monate steigt die AfD, doch in den letzten vier Monaten verliert sie fast alles wieder
Für die AfD ging es nach der Bundestagswahl ganz allmählich weiter nach oben. Sie stieg über zwölf Monate von 12,6 auf ca. 17 Prozent, erreichte am 01.10.2018 bei INSA ihren Höhepunkt von 18,5 Prozent. Doch seit vier Monaten verliert die AfD kontinuierlich wieder und liegt derzeit nur noch bei rund 13 Prozent. Laut INSA hat sie in nur vier Monaten drei von zehn Wählern (30 Prozent ihrer Klientel) wieder verloren, bei anderen etwas weniger. Fakt ist auf jeden Fall, dass sie seit vier Monaten deutlich Federn lässt und den Großteil dessen, was sie zuvor zulegen konnte, wieder verloren hat.
Die FDP konnte nach der Wahl ihr gutes Ergebnis von 10,7 Prozent in den Umfragen sogar noch etwas steigern, erreichte ihren Höhepunkt bei Civey Ende November 2017 mit knapp über 13 Prozent. Doch ab dem Moment, da sie aus den Jamaika-Verhandlungen ausstieg, fiel sie ganz schnell unter 10 Prozent und pendelte sich dann bei 8 bis 9 Prozent ein.
Bei der Linkspartei (SED) sehen wir die geringsten Veränderungen. Sie bewegt sich die ganze Zeit zwischen 8 und maximal 12 Prozent und liegt derzeit ganz knapp hinter der FDP bei etwas unter 9 Prozent.
Die Entwicklungen können bei dawum.de sehr schön verfolgt werden, siehe dazu auch die Grafik oben.
Bundestagswahltrend im Überblick
Legen wir von jedem Institut, das bezogen auf den mittleren Tag der Befragung in den letzten drei Wochen eine Umfrage durchführte, die jeweils neueste zu Grunde (Allensbach, INSA, GMS, Emnid, Infratest dimap, Forschungsgruppe Wahlen und Forsa) und ermitteln für jede Partei bzw. Fraktion das arithmetische Mittel aus allen sieben Instituten, so erhalten wir folgende Werte (in Klammern die jeweilige Bandbreite der Werte bei den verschiedenen Instituten):
- CDU/CSU: 30,5 % (28 – 32)
- GRÜNE: 19,4 % (18 – 20)
- SPD: 14,7 % (13,5 – 16,5)
- AfD: 13,1 % (11 – 15)
- FDP: 9,0 % (8 – 10)
- LINKE: 8,9 % (8 – 9,5)
- Sonstige: 4,4 % (4 – 5)
Seit der Bundestagswahl im September sehen wir damit folgende Veränderungen:
- GRÜNE: + 10,5 %
- AfD: + 0,5 %
- LINKE: – 0,3 %
- Sonstige: – 0,6 %
- FDP: – 1,7 %
- CDU/CSU: – 2,4 %
- SPD: – 5,8 %
Schwarz-Grüne Mehrheit
Der große Gewinner der letzten 16 Monate sind also ganz eindeutig Die Grünen, die ihre Ergebnisse der Bundestagswahl aktuell mehr als verdoppeln beziehungsweise wahrscheinlich sogar um über 10 Punkte zulegen könnten. Kleine Gewinne könnte im Moment noch die AfD verzeichnen, nach dem Durchschnitt aller Institute ca. 0,5 Punkte. Wenn wir davon ausgehen, dass fast alle Institute die AfD tendenziell 0,5 bis 2,5 Punkte zu niedrig ausweisen, dann wäre es eher ein Plus von 1 bis 2 Punkten, mithin eher 14 oder 14,5 als 13 Prozent für die AfD.
Alle anderen Parteien sind tendenziell oder sogar deutlich schwächer geworden, vor allen Dingen die SPD, die bei Neuwahlen wohl am meisten verlieren würde. Da Die Grünen die Verluste von CDU/CSU aber weit überkompensieren würden, hätten wir derzeit wohl eine Mehrheit von Schwarz-Grün von ca. 49,9 zu 45,7 Prozent gegenüber SPD, AfD, FDP und Linkspartei, was für ca. 52,2 Prozent der Sitze im Bundestag reichen würde für CDU/CSU und Grüne (Überhangmandate außen vorgelassen), da die 4,4 Prozent der Stimmen für sonstige Parteien dort nicht abgebildet wären.
Erstveröffentlichung auf Jürgen Fritz — www.juergenfritz.com