Als hätte es eine Bestätigung unseres Berichtes von gestern bedurft, hat am gestrigen Donnerstag die IVW (Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.) die Auflagenzahlen der Printmedien des vierten Quartals 2018 veröffentlicht und analysiert.
Insgesamt wertete die Auflagenkontrolle 329 Tages- und 21 Wochenzeitungen, 730 Publikumszeitschriften und 1.068 Fachtitel, 21 Supplements, 62 Kundenzeitschriften, 20 Handbücher und 75 Telekommunikationsverzeichnisse aus. Wer die einzelnen Daten lesen möchte, kann das hier in einer PDF des IVW.
Zusammengefasst ist der Trend zum Niedergang der Printmedien ungebrochen. Es gibt nur sehr wenige Blätter, die Leser und Käufer hinzugewonnen haben. Darunter „TVplus“, „“TV für mich und „Land Idee“. Diese Titel zeigen schon an, dass die wenigen Gewinner sich im Bereich der Programm- und Spartenzeitschriften finden. Interessant: Nur hier finden sich noch zwei Kiosk-Titel, die in Millionenauflage gekauft werden, aber auch die beiden Großen verloren im Vergleich zum Vorjahr kräftig: TV14 mit 1,987 Mio. Exemplaren (- 6,8%) und TV Digital mit 1,2 Mio (- 9,6%).
Die größten Gewinner in der Top 100 der am Kiosk erhältlichen Titel heißen Land Idee (+11,8%), Freizeit Express (+71,3%), Lust auf Genuss (+25,0%), freundin (17,7%), Adel aktuell (+36,3%), Land Idee Wohnen & Dekorieren (+13,6%) und Für Sie (+10,7%).
Das signalisiert ganz eindeutig, dass die Deutschen ganz offensichtlich lieber zu Medien greifen, die sie nicht politisch erziehen und belehren wollen. Der Rückzug ins Private erinnert an das Biedermeier, wo die Menschen auch von den politischen Entwicklungen hoch frustriert, sich von der „bösen Welt draußen“ abschotteten und in die Beschaulichkeit ihrer heilen Welt der eigenen vier Wände zurückzog – bis zur bürgerlichen Revolution 1848. Heute nennt man das Phänomen der Abwendung der Bürger von der Politik „cocooning“ (sich in einen Kokon einspinnen).
Gerade unter den Magazinen und Tageszeitungen grassiert aber flächendeckend die Schwindsucht. Besonders betroffen sind in der vollen Breite die Printmedien, insbesondere die überregionalen Tageszeitungen – nennen wir sie ruhig: Die verschiedenen Ausgaben von „Der tägliche Volkserzieher“.
Der Stern wurde mit einem Rückgang der verkauften Auflage um 11,5 Prozent schwer getroffen. Die verkaufte Auflage fällt mit 480.739 Exemplaren im Durchschnitt pro Ausgabe unter die wichtige Marke von einer halben Million Exemplaren. Vor allem der Einzelverkauf am Kiosk ist stark rückläufig (-16,8 Prozent).
Der Spiegel – noch nicht vom Morbus Relotius befallen – sank im vierten Quartal 2018 nur mäßig: mit einem Minus von 2,6 Prozent verkaufte er im Schnitt 712.268 Exemplare, der Focus büßt 3 Prozent ein und liegt bei 416.276 verkauften Exemplaren.
Eine Ausnahme bildet das Handelsblatt. Die Wirtschaftszeitung aus dem rheinischen Düsseldorf steigerte ihre Auflage um 2,7 Prozent auf 128.841. Zwar berichtet dieses Medium auch viel Politisches, hat sich aber da eine offene Gesinnung und auch einen durchaus kritischen Blick bewahrt. Das zahlt sich offenbar aus.
„Die Welt“ stürzte beispielsweise um 11,7% ab. Inklusive „Welt kompakt“ findet sie nur noch 76.455 Abnehmer pro Tag in den beiden Kategorien Abos und Einzelverkauf. Ebenfalls weiter massiv nach unten geht es für die Bild, die nur knapp an einem 10%-Minus vorbeischrammte. Zulegen konnte lediglich das Handelsblatt, wie gewohnt durch die steigende Zahl an Digital-Kunden, die auch das ePaper-Abo beziehen. Mit relativ kleinem Minus vertreten: die FAZ und die taz.
Bei den Wochen- und Sonntagszeitungen verzeichnet die Bild am Sonntag den größten Verlust: satte 11,3%. Zeit, WamS und FAS sind hingegen recht glimpflich davon gekommen.
Etwas weniger systemtreu-volkspädagogische Blätter, wie „Der Freitag“ und „Das Parlament“ gewannen sogar ein paar Käufer hinzu.
Aber auch die Zahlen vom IVW zeichnen kein realistisches Bild. Die Auflagenzahlen werden nämlich massiv geschönt. Man druckt einfach mehr und verteilt diese Exemplare – auch zu Werbezwecken — in Lesezirkeln und Bordexemplaren (Flugzeug, Bahn, Hotels). Damit betreiben die Verlage „Auflagenkosmetik“. Vor allem aber steht man vor seinen Werbekunden besser da. Denn je höher die Auflage, umso interessierter ist der Werbekunde und umso teurer der Werbeplatz in der Zeitung. Daher gibt es im Fachjargon die sogenannte „harte Auflage“, die nur die Einzelverkäufe zum regulären Preis und die Abonnements zählt.
Der Unterschied ist beachtlich. Bei Arztvorzimmerblättern, wie beispielsweise „Gala“ beträgt die harte Auflage weniger als die Hälfte. Am ehrlichsten ist „Tichys Einblick”. (Tabelle hier)