Jo mei, war was? Es war CSU-Par­teitag — See­hofer ging – halb zog es ihn, halb sank er hin

19. Januar 2019: Es war Par­teitag. CSU-Messe, Krö­nungs­messe, Hochamt. Warum wollen mir heute diese sonst gän­gigen Begriffe zu dieser Ver­an­staltung nicht einfallen?
(Von Peter Helmes)
Dazu gibt es nur eine Erklärung: Haupt­ta­ges­ord­nungs­punkt war der Rück­tritt See­hofers und die Wahl des neuen Par­tei­vor­sit­zenden Markus Söder. Welch eine Über­ra­schung! Obwohl – an den wund­ge­scheu­erten Ell­bogen des lieben Par­tei­freundes Markus wäre zu erkennen gewesen, wie ver­krampft, aber auch wie zäh sich der neue Herr­scher an den Vorsitz her­an­ge­robbt hatte.
Der Schluß­spurt fiel ihm leicht. Ver­sehen mit den inzwi­schen ebenso ver­bissen erkämpften und schließlich ergat­terten Insi­gnien eines Minis­ter­prä­si­denten des Frei­staates Bayern war seine Wahl zum Par­teichef letztlich nur noch eine Form­sache, die ihn mit 87 Prozent der abge­ge­benen Stimmen ins Amt hievte. Markus I., von Gottes Gnaden Herr­scher aller Baju­waren – und Franken, muß man hin­zu­fügen; denn dieser Stamm pflegt seine eigene Kultur.Der Par­teitag ging mehr oder weniger geräuschlos über die Bühne. Für alte Par­tei­hasen deutlich ersichtlich: Lust­lo­sigkeit überwog. Sie war mit den Händen zu greifen. Auch daran fest­zu­machen, daß kurz nach der Wahl­handlung der Saal sich so leerte, daß ein Dele­gierter den Antrag auf Über­prüfung der Beschluß­fä­higkeit stellte. Und siehe da, sie war dahin. Klappe zu, Par­teitag zu Ende. Eine unrühm­liche Geschichte, aber irgendwie sym­bo­lisch für den abge­drehten Horst Seehofer.
Als er seine kaum begeis­ternde Abschiedsrede gehalten hatte, hielt der Applaus sich in bemühten Grenzen. Pflicht­ap­plaus eben. Und das für einen Mann, der zehn Jahre Par­teichef war – länger als Edmund Stoiber. Ein letzter Gruß ohne Würde. Was etwas über See­hofer verrät. „Geliebt“ – war er nie.
Trotzdem hätte er einen bes­seren Abschied ver­dient gehabt. Aber dem war wohl Söder vor. See­hofers Abschied wirkte von Anfang an lieblos insze­niert, halb­herzig durch­ge­führt, und selbst die Momente, die womöglich ehrlich warm gemeint waren, ließen den Beob­achter eher kalt.
Auch ein glanz­loser Höhe­punkt (welch eine Regie denkt sich so was aus?): Die Dan­kesrede für See­hofer hielt Angelika Niebler. ??? Wer? Sie ist Euro­pa­ab­ge­ordnete, 15 Jahre jünger als See­hofer, weder als enge Weg­ge­fährtin noch als echte Ver­traute bekannt. Sie dankte vor allem dafür, daß See­hofer sich auch für Frauen ein­ge­setzt habe. Einfach irre!
Dann durfte Gene­ral­se­kretär Markus Blume auch etwas sagen: „So leicht kommst du nicht davon.“ Und See­hofer bekam etwas für seine Eisen­bahn­spie­le­reien geschenkt. Da wird er wohl seinen Lebens­abend im Keller ver­bringen und seine Modell­ei­senbahn ans Laufen bringen dürfen. Auch ein Geschenk mit starker Symbolkraft.
Der nicht gerade als Scherzbold bekannte Ex-Vor­sit­zende ver­suchte es mit Humor. Er könne ja doch noch zurück­kommen – und war so ziemlich der einzige, der darüber lachen konnte. Es klang nach einem Mann, der nicht wirklich los­lassen will. Das aber dürfte ihm Söder noch einmal deutlich klar­ge­macht haben, nämlich, daß er gehen mußte.
Der Ehren­vor­sit­zende
Was macht man in einem solchen Falle, der sich mit einigem Anstand nur still und geräuschlos lösen läßt? Man ernennt den Abge­hakten zum Ehren­vor­sit­zenden – und aus ist. Söder selbst hatte ihn zum Ehren­vor­sit­zenden vor­ge­schlagen – eine Ehre, die bisher nur Theo Waigel und Edmund Stoiber erfuhren. Es ist eine große Aus­zeichnung – ver­liehen für die Ahnen­ga­lerie, aus der es kein Zurück gibt.
Der oft bissig scher­zende Söder hatte einen drauf: Ob nicht in der Satzung stehe, daß See­hofer jetzt nicht mehr Par­tei­vor­sit­zender werden könne. Die Antwort, wenn es eine gab, war nicht vernehmbar.
Ein Hauch von Schein­hei­ligkeit waberte durch den Saal – ein Gefühl, das man in der CSU immer wieder erleben durfte. Hart, aber wahr: Söder und See­hofer gehen ohne Ver­söhnung aus­ein­ander. Die Partei beklatscht den neuen starken Mann, läßt aber den alten starken Mann fallen.
Nach Vorbild der CDU: Par­teitag soll Erneuerung einläuten 
Für die CSU ging es übrigens auf dem Par­teitag um weit mehr als nur um die Neuwahl des Par­tei­chefs, was aber lustlos abge­ar­beitet wurde: Er mar­kiert mit der Ver­ab­schiedung ent­spre­chender Leit­an­träge den Start­punkt in das Euro­pa­wahljahr und läutet offi­ziell auch die struk­tu­relle Erneuerung ein: Bis zum Herbst will die CSU die Par­tei­reform abge­schlossen haben – sie will „moderner, jünger, weib­licher und dyna­mi­scher“ werden. Eine Kom­mission unter Leitung von Gene­ral­se­kretär Markus Blume soll dazu bis Oktober kon­krete Vor­schläge machen.
Genau wie die CDU hatte die CSU sowohl im Bund als auch in Bayern zuletzt kräftige Wahl­schlappen hin­nehmen müssen und letztlich sogar die absolute Mehrheit im baye­ri­schen Landtag ver­loren. Ohne Zweifel, die Ver­ant­wortung dafür trägt Horst See­hofer, der dadurch viel Rückhalt in seiner Partei verlor.
Ein Déjà-vue
Nun also soll alles anders werden. Wie denn das? Neuer Mann, neues Glück, oder was?
Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor. War es nicht der unglück­liche Ex-Gene­ral­se­kretär der CDU, der taube Peter, der eben­falls ver­kündet hatte, die CDU solle „moderner, jünger, weib­licher“ werden? Das Ergebnis dieser Art Ver­ren­kungen kann man an den jewei­ligen Wahl­er­geb­nissen im Bund und in den Ländern betrachten: Aderlaß in allen Bereichen: Die CDU schrumpft, die CSU folgt. Amen.
 


Peter Helmes — www.conservo.wordpress.com