De Mai­zière gibt endlich alles zu: So war es wirklich im Sep­tember 2015

Letzte Woche war der ehe­malige Bun­des­in­nen­mi­nister Thomas de Mai­zière zu Gast in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Mit dem Mode­rator sprach er über sein letzte Woche erschie­nenes Buch „Regieren – Innen­an­sichten der Politik“. Endlich gab der enge Merkel-Ver­traute und damals zuständige Fach­mi­nister zu, was sich im Sep­tember 2015, dem Schick­sals­monat Deutsch­lands, hinter ver­schlos­senen Türen tat­sächlich zuge­tragen hat. Lesen Sie hier, wie diese kata­stro­phalen Fehl­ent­schei­dungen zustande kamen.

So kann es nicht weitergehen

Wir schreiben den 12. Sep­tember 2015, genau eine Woche nachdem Angela Merkel ange­ordnet hat, die Grenzen für den Migran­ten­strom zu öffnen, genauer: nicht zu schließen. Sämt­liche Ein­heiten der Bun­des­po­lizei werden in Alarm­be­reit­schaft ver­setzt. 21 Hun­dert­schaften machen sich gleich auf den Weg an die deutsch-öster­rei­chische Grenze. Die deut­schen Außen­grenzen sollen wieder gesi­chert, die Ordnung wie­der­her­ge­stellt, Deutschland wieder ein rich­tiger Staat werden (Staat = Staats­gebiet + Staatsvolk + Staatsgewalt).
Denn ein Staats­gebiet ist nur vor­handen, wenn es abge­grenzt ist zum Nicht-Staats­gebiet. Und jenes ist Eigentum des Staats­volkes, nicht das Eigentum von jedem, der beschließt, es für sich zu ver­ein­nahmen oder ohne Erlaubnis ein­zu­dringen. Und zur Staats­gewalt gehört als ori­ginäre Aufgabe die Grenzen zu sichern sowie die Her­stellung von Recht und Ordnung, ins­be­sondere die Sicherheit seiner eigenen Staatsbürger.
Die Staat­lichkeit soll also schon am nächsten Tag wieder in vollem Umfang her­ge­stellt werden. Denn so kann es nicht wei­ter­gehen wie in den letzten sieben Tagen – das ist allen klar. Innerhalb von nur einer Woche sind etliche Zig­tau­sende völlig unkon­trol­liert in unser Hoheits­gebiet ein­ge­drungen. Bereits jetzt zeichnet sich ab, welche Pro­bleme das bereitet. Doch dies ist nur ein kleiner Vor­ge­schmack auf das, was in den fol­genden Monaten und Jahren für Pro­bleme ver­ur­sacht worden sind durch die Anordnung der Kanz­lerin, die Grenzen nicht mehr zu kon­trol­lieren und jeden her­ein­zu­lassen, der irgendwie das Wort „Asyl“ aus­sprechen kann. Und das können viele. Sehr viele!

Das Chaos bricht über Deutschland herein

Das soll ab morgen wieder anders sein. Wer keinen Pass oder kein Visum hat, soll wieder abge­wiesen werden. Später wird man zu Recht fragen, ob der Befehl der Kanz­lerin vom 5. Sep­tember über­haupt recht­mäßig war. Wenn das uner­laubte Grenz­über­tritte waren, die seither statt­fanden, haben sich die Beamten der Bun­des­po­lizei dann nicht strafbar gemacht, wenn sie diese direkt vor ihren Augen geschehen ließen? Dann aber hätte die Regie­rungs­chefin zu mas­sen­weisen Straf­taten ange­stiftet. Damit soll jetzt also Schluss sein. Der Rechts­staat soll wieder voll und ganz ein solcher werden und bleiben.
Das Chaos, das durch die Ent­scheidung vom Samstag, dem 5. Sep­tember, ange­richtet wurde, ist bereits sechs Tage später enorm. 14 von 16 Bun­des­ländern melden am Freitag, den 11. Sep­tember, dass sie vorerst keine neuen „Flücht­linge“ (Immi­granten) auf­nehmen können. Merkels alles andere als weit­bli­ckende Ent­scheidung hat ganz Deutschland innerhalb von nicht mal einer Woche an den Rand des Leist­baren geführt. Ganz Deutschland meldet nur noch 850 freie Plätze. Dem stehen 40.000 Immi­granten gegenüber, die nach Schätzung des Außen­mi­nis­te­riums alleine an diesem Wochenende erwartet werden. 40.000 (!).
Zum Ver­gleich: Die Obama-USA wird sich später dazu bereit erklären, 10.000 syrische „Flücht­linge“ auf­zu­nehmen und wertet dies selbst als groß­zügige Tat. 10.000 nicht an einem Wochenende, sondern im ganzen dar­auf­fol­genden Jahr. Und die USA sind ca. 27,5 mal so groß wie Deutschland und haben viermal so viele Einwohner.
Und der Ansturm würde wei­ter­gehen, auch weit über das nächste Wochenende hinaus. Auch das ist klar. Die deutsche Bot­schaft in Afgha­nistan berichtet, die Regierung in Kabul habe eine Million Rei­se­pässe gedruckt. Eine Million! Und die meisten, die sich einen solchen aus­stellen lassen, wollen nach Deutschland. Die Innen­staats­se­kre­tärin Emily Haber warnt intern, Öster­reich habe die Kon­trolle völlig ver­loren und winke nur noch durch in Richtung Deutschland.

Die ersten schweren Fehler Merkels

Unfassbar kurz­sichtig war Merkels Ent­scheidung der Grenz­öff­nung/-nicht­schließung – wie so viele ihrer Ent­schei­dungen – deshalb, weil jedem halbwegs ver­stän­digen Men­schen klar sein musste, dass diese Infor­mation binnen Stunden um die ganze Welt gehen und eine Sog­wirkung son­der­gleichen aus­lösen würde. Die Bilder der Bahn­hofs­klat­scher und Ted­dy­bär­werfer taten ihr übriges. So muss überall auf der Welt der Ein­druck ent­stehen, die Deut­schen würden sich über jeden, der zu ihnen kommt und ihr schrump­fendes Staatsvolk auf­füllt, abgöt­tisch freuen und ihm zutiefst dankbar sein.
Dass Merkel selbst sich in den Tagen zuvor auch noch mit Immi­granten zusammen foto­gra­fieren lässt, die teil­weise sogar den Arm um sie zu legen suchen, ver­schafft ihr weltweit den Ruf von „Mutti Merkel“, was ihrem Ego schmei­cheln mag, zumal sie noch kurz zuvor als die Eis­kö­nigin galt, die die armen Griechen am aus­ge­streckten Arm ver­hungern ließ. Aber genau dieser Mutti-Merkel-Ruf ver­stärkt den ohnehin schon kräf­tigen Sog nochmals zusätzlich. Die Folge: es werden nicht weniger, die kommen wollen, sondern immer noch mehr. Dass das nicht lange gut­gehen kann, erkennen die letzten Tage nun sogar die etwas Ein­fäl­ti­geren in der poli­ti­schen Chef­etage. Damit ist klar, es muss etwas geschehen.

Die Kritik an der Bun­des­re­gierung nimmt von Tag zu Tag zu

Hinter ver­schlos­senen Türen wird der Ton all­mählich schärfer. Zwi­schen Don­ners­tag­abend und Frei­tag­mittag (10./11. Sep­tember) gibt es fünf Tele­fon­kon­fe­renzen. Die Lan­des­in­nen­mi­nister machen ihrem Ärger über das dilet­tan­tische Agieren der Bun­des­re­gierung Luft. „Wir befinden uns im Flugzeug, dessen Sprit ausgeht und wissen nicht, was wir tun sollen“, bringt es ein Sit­zungs­teil­nehmer auf den Punkt. Frei­tag­mittag fordern die Lan­des­in­nen­mi­nister der Union von ihrem Par­tei­freund und Bun­des­in­nen­mi­nister Thomas de Mai­zière explizit die Ein­führung von Grenz­kon­trollen und die Zurück­weisung an der öster­rei­chi­schen Grenze. Doch der Bun­des­in­nen­mi­nister, der für die innere Sicherheit zuständig ist, traut sich nicht eigen­mächtig eine Ent­scheidung zu treffen, obschon es in seinem Ressort liegt. Seine Antwort: Merkel muss ent­scheiden.
Am nächsten Tag, Samstag, werden die sechs wich­tigsten Poli­tiker Deutsch­lands eine Tele­fon­kon­ferenz abhalten und Grenz­kon­trollen und Zurück­wei­sungen beschließen. Doch der Beschluss wird niemals umge­setzt werden und kurze Zeit später wird man behaupten, dies sei prak­tisch nicht möglich. Inzwi­schen behauptet die neue CDU-Vor­sit­zende, Annegret Kramp-Kar­ren­bauer nun wieder, das sei doch möglich, will aber ihrer Vor­gän­gerin natürlich nicht wider­sprechen. Ein unfass­barer Vorgang, im Grunde eine – ich bitte den Aus­druck zu ent­schul­digen, aber er trifft es irgendwie am besten – Ver­ar­schung des gesamten deut­schen Volkes! Dazu gleich mehr.
Die Unions-Innen­po­li­tiker gehen mit ihrer Kritik wohl­weislich noch nicht an die Öffent­lichkeit. Der Bevöl­kerung sagen sie nicht, dass Deutschland nach nur fünf Tagen Grenz­öffnung mit dem Rücken an der Wand steht. Die Kritik findet nur hinter ver­schlos­senen Türen statt. Warum? Weil sie wissen, dass öffent­licher Druck bei Merkel meist genau das Gegenteil bewirkt. Werden ihre Ent­schei­dungen öffentlich kri­ti­siert, schaltet sie nicht selten auf stur und macht auf bockig. Das Ganze hat stark pubertäre Züge. Das können Sie sehr oft beob­achten bei unserer Bun­des­kanz­lerin. Mit Kritik kann sie nicht umgehen. So wollen ihr die Uni­ons­po­li­tiker also den Weg nicht ver­bauen, so zu tun, als habe sie ganz von sich aus, ihre Fehl­ent­scheidung kor­ri­giert. Doch eine hält sich nicht daran: die CSU.

Die CSU stellt sich offen gegen Merkels Kurs

Zunächst kommt heftige Kritik von Hans-Peter Friedrich (CSU), den Merkel im Jahr zuvor als Bun­des­in­nen­mi­nister ent­lassen hat, weil er den Koali­ti­ons­partner SPD, namentlich den SPD-Vor­sit­zenden Sigmar Gabriel, höchst ver­traulich gewarnt hatte, dass der Name des SPD-Abge­ord­neten Sebastian Edathy im Zusam­menhang mit Kin­der­porn­oer­mitt­lungen auf­ge­taucht sei. Dies hätte der damalige Bun­des­in­nen­mi­nister streng­ge­nommen nicht tun dürfen. Es war ein besonders kol­le­giales Ver­halten, weil er der SPD ersparen wollte, dass sie Edathy, ein Hoff­nungs­träger in der SPD, eine gehobene Position zukommen lässt, um ihn kurze Zeit später zurück­nehmen zu müssen und sich selbst bla­miert. Friedrich ging davon aus, dass dies unter ihm und Gabriel oder maximal dem engsten Füh­rungs­kreis der SPD bleiben würde. Doch was machten die Sozis? Sie warnten Edathy, der dar­aufhin Beweis­ma­terial ver­schwinden ließ. Und was machte die Kanz­lerin? Sie rügte nicht die SPD, sondern entließ dar­aufhin Friedrich als Bun­des­in­nen­mi­nister. Dieser hatte nunmehr aus nach­voll­zieh­baren Gründen wenig Ver­an­lassung, Merkel besonders zu schonen.
In einem Zei­tungs­in­terview sagt Friedrich bereits wenige Tage nach der Grenz­öffnung am 5. Sep­tember fast schon pro­phe­tisch: „Eine bei­spiellose poli­tische Fehl­leistung – Völlig unver­ant­wortlich“ sei es, Zig­tau­sende auf­zu­nehmen, dar­unter womöglich „IS-Kämpfer oder isla­mis­tische Schläfer. Kein anderes Land der Welt“ würde sich „so naiv und blau­äugig in Gefahr begeben. Aus Sicher­heits­gründen werde man „schon bald Grenz­kon­trollen wieder ein­führen müssen“.
An die Kritik von Friedrich hängt sich ein anderer dran: See­hofer. Am Freitag, den 11. Sep­tember, lässt er bekannt werden, dass die CSU Viktor Orbán zu ihrer nächsten Klau­sur­tagung der Land­tags­fraktion ein­ge­laden hat. Orbán ist der große Gegen­spieler Merkels in der Mas­sen­mi­gra­ti­ons­po­litik. Die Grenz­öffnung nennt See­hofer – eben­falls pro­phe­tisch – jetzt öffentlich einen „Fehler, der uns noch lange beschäf­tigen wird“. Damit erschwert er aber Merkel die Kor­rektur ihrer Fehl­ent­scheidung, die nun ihre bekannte Bockigkeit an den Tag legt und unter keinen Umständen zugeben will, dass sie einen Rie­sen­fehler gemacht hat.

Selbst die SPD hat jetzt von der „Will­kom­mens­kultur“ genug

Aber nicht nur die CSU-Poli­tiker üben massive Kritik. Jetzt schlagen sogar Anhänger der „Will­kom­mens­kultur“ Alarm. Selbst der SPD-Ober­bür­ger­meister von München Dieter Reiter, bisher Ver­fechter der offenen Grenzen, hat jetzt genug: Es sei die Aufgabe der Kanz­lerin, „mehr zu tun“, tönt es aus München. Der baye­ri­schen Lan­des­haupt­stadt droht bereits am Freitag der Kollaps. Auch der Vor­sit­zende der Innen­mi­nis­ter­kon­ferenz, Roger Lewentz (SPD) aus Rheinland-Pfalz kri­ti­siert Merkel nun erstmals öffentlich und das im Namen seiner Kol­legen, der Lan­des­in­nen­mi­nister: „Die Länder sind völlig über­rascht worden von der Ein­rei­se­er­laubnis der Kanz­lerin … wir hätten vorher davon wissen müssen.“ Nun sei man „in großer Not“.
Am Samstag, dem 12. Sep­tember, werden mehr Immi­granten nach Deutschland kommen als jemals zuvor und danach an einem ein­zigen Tag: 13.000. Nochmals zur Erin­nerung, die 27,5 mal so große USA hatte ange­kündigt, im kom­menden Jahr 10.000 syrische „Flücht­linge“ auf­nehmen zu wollen. 10.000, so viele nimmt Deutschland an diesem Tag innerhalb von Stunden auf.

Die am meisten über­schätzte Person auf diesem Planeten

Am Samstag geht dann kurz nach 13 Uhr eine SMS von Horst See­hofer bei Merkel ein: „Ich kann dich nur dringend bitten, dem Ernst der Lage Rechnung zu tragen.“ In diesen Tagen, Wochen und Monaten zeigt sich, dass Merkel – die am meisten über­schätzte Person auf diesem Pla­neten – in diesem Amt immer schon über­fordert war. Zu einer vor­aus­schau­enden Politik, wie man sie von der Regie­rungs­chefin des wich­tigsten Landes Europas erwarten würde, war diese Frau niemals fähig. Sie fährt immer nur auf Sicht. Und diese ist nie sehr weit, maximal bis zum nächsten Wahl­termin. Hinzu kommt ihre immense Ent­schei­dungs­schwäche. Stets wartet sie sehr lange mit Ent­schei­dungen, bis sich abzeichnet, was die Mehrheit will. Das macht sie dann. Über die geis­tigen und rhe­to­ri­schen Fähig­keiten dem argu­men­tativ etwas ent­ge­gen­zu­setzen, Führung zu über­nehmen und andere zu über­zeugen und sie dann mit­zu­ziehen, verfügt sie bes­ten­falls rudi­mentär, wenn überhaupt.
Nun, am Samstag, den 12. Sep­tember merkt sie also, dass die Stimmung zu kippen beginnt, dass sie handeln muss. Es geht nicht mehr anders. Aber wie soll sie aus der Nummer raus­kommen, in die sie sich selbst, vor allem aber in die sie Deutschland durch ihre kopflose Ent­scheidung vom 5. Sep­tember hin­ein­ma­nö­vriert hat?
Um 15 Uhr bittet sie fünf der nach ihr wich­tigsten sechs Poli­tiker Deutsch­lands, in den nächsten Stunden tele­fo­nisch erreichbar zu sein: Horst See­hofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD), die beiden Par­tei­vor­sit­zenden der Koali­ti­ons­partner, Außen­mi­nister Stein­meier (SPD), Innen­mi­nister de Mai­zière und Kanz­ler­amtschef Alt­maier (beide CDU). Wer fehlt, ist Wolfgang Schäuble (CDU), der als Finanz­mi­nister keine direkte Zustän­digkeit hat.

Die Spitzen von CDU, CSU und SPD beschließen, was sie später als unmöglich dar­stellen werden

Zunächst werden Ein­zel­ge­spräche geführt, um 17:30 Uhr lässt sie alle zusam­men­schalten. Der zuständige Minister de Mai­zière schlägt vor, an der deutsch-öster­rei­chi­schen Grenze befristet wieder Grenz­kon­trollen ein­zu­führen. Niemand wider­spricht. Dann geht es um die Schlüs­sel­frage, ob Per­sonen ohne erfor­der­liche Papiere zurück­ge­wiesen werden sollen. Denn welchen Sinn sollten sonst Kon­trollen machen, wenn man doch jeden durchlässt?
De Mai­zière und See­hofer sind für Zurück­wei­sungen. Die zwei SPD-ler, Merkel und Alt­maier legen sich nicht fest. Dann wird die Rechtslage erörtert. Man malt sich aus, was pas­siert, wenn die Migranten an der Grenze auf­ge­halten werden. Nach einer Weile wird de Mai­zières Vor­schlag ange­nommen. Es soll wieder Grenz­kon­trollen mit Zurück­wei­sungen geben. Außerdem soll der Zug­verkehr von Öster­reich nach Deutschland für 20 Stunden gestoppt werden.
Die sechs wich­tigsten Poli­tiker Deutsch­lands, die Vor­sit­zenden der CDU, CSU und SPD, der Bun­des­in­nen­mi­nister, der Außen­mi­nister und der Kanz­ler­amtschef, beschließen das, was sie wenige Tage später als unmöglich aus­geben werden!
Nach der Tele­fon­kon­ferenz ruft de Mai­zière sofort den Chef der Bun­des­po­lizei an. Dieser lässt die von ihm längst vor­be­reitete Aktion, die er seit Wochen ange­mahnt hat, sofort anrollen. Am Sonntag, den 13. Sep­tember, um 18 Uhr sollen die deut­schen Grenzen geschlossen werden. Poli­zisten werden mit Hub­schraubern aus ganz Deutschland an die deutsche Süd­grenze geflogen.

Die Angst vor der eigenen Courage

Am Sonntag findet dann ab 14 Uhr eine Bespre­chung im Lage­zentrum des Innen­mi­nis­te­riums statt. Hier sollen alle Details dis­ku­tiert und fest­gelegt werden. Der Kon­fe­renzraum ist voll­ge­packt mit großen Bild­schirmen und neu­ester Kom­mu­ni­ka­ti­ons­technik. Anwesend: der Bun­des­in­nen­mi­nister de Mai­zière (CDU), sämt­liche Staats­se­kretäre, die Führung der Bun­des­po­lizei, ins­be­sondere deren Chef Dieter Romann sowie vier Abtei­lungs­leiter und einige Unter­ab­tei­lungs­leiter und Refe­rats­leiter des Innen­mi­nis­te­riums. Aus Bonn tele­fo­nisch zuge­schaltet der Prä­sident des Bun­des­amtes für Migration und Flücht­linge, Manfred Schmidt.
De Mai­zière infor­miert zunächst alle, dass ab 18 Uhr wieder Grenz­kon­trollen durch­ge­führt werden sollen und fragt dann: Können wir zurück­weisen oder nicht? Die Ein­schät­zungen gehen aus­ein­ander. Die für die Sicherheit zustän­digen Beamten sagen: Ja, können wir. Die für Migration Zustän­digen äußern Zweifel. De Mai­zière ist offen­sichtlich ängstlich und traut sich nicht, die Ent­scheidung zu treffen, obschon am Tag zuvor die sechs ent­schei­denden Poli­tiker genau dies schon beschlossen haben und er der zuständige Minister ist. Er will sich noch einmal Rücken­de­ckung von der Kanz­lerin holen.
Er nimmt sein Handy, zieht sich in eine Ecke des Raumes zurück und tele­fo­niert. Merkel soll ent­scheiden – dann bleibt es an ihr hängen, wenn es unschöne Bilder gibt. Die scheint die Ent­scheidung aber auch nicht treffen zu wollen, stellt ihm offen­sichtlich Rück­fragen. Jetzt geht de Mai­zière zurück in die Runde und fragt: Was machen wir, wenn die Migranten sich nicht zurück­weisen lassen? Was, wenn 500 Flücht­linge mit Kindern auf dem Arm auf die Bun­des­po­li­zisten zulaufen? Das würden die Poli­zei­führer vor Ort ent­scheiden, ant­wortet Dieter Romann.

SPD: Wir holen nicht wieder für euch die Kohlen aus dem Feuer

Jetzt will de Mai­zière wissen, wie lange es dauern würde bis der Domi­no­effekt ein­trete. Wenn Deutschland dicht mache, würde sich der Migran­ten­strom ja in Öster­reich stauen, sodass auch Öster­reich seine Süd­grenze schließen würde, dann Slo­wenien, Ungarn, Kroation, Serbien, Maze­donien und schließlich Grie­chenland. Wenn die Immi­granten dort fest­sitzen, werden sich mit geringer Zeit­ver­zö­gerung auch keine neuen mehr auf den Weg machen, so die Domi­no­theorie. Ob das auch wirklich sicher sei, will de Mai­zière jetzt wissen. Und wie lange das dauern würde. „Viel­leicht drei Tage“ ant­wortet man ihm. Aber auch das reicht de Mai­zière nicht. Jetzt nimmt er wieder sein Telefon, ver­lässt den Raum. Wen er anruft, kann nur ver­mutet werden, dürfte aber klar sein. Offen­sichtlich hat er Angst, die Ent­scheidung selbst zu treffen und hätte gerne, dass Merkel ent­scheidet oder ihm zumindest klare Rücken­de­ckung gibt. Aber auch von ihr scheint noch immer keine Ent­scheidung zu kommen.
Nun wollen Merkel und de Mai­zière offen­sichtlich, dass die SPD die Ent­scheidung explizit mit­tragen solle. Gabriel, der SPD-Vor­sit­zende, und Stein­meier, der Außen­mi­nister hatten am Tag zuvor ja bereits zuge­stimmt. Aber jetzt sollen sie nochmals zustimmen, ange­sichts der Tat­sache, dass ein­zelne Beamte recht­liche Bedenken geäußert haben. Gabriel hat gegenüber Ver­trauten mehrfach beklagt, dass Merkel immer wieder ver­suche, Ver­ant­wortung abzu­wälzen. Rasch kur­siert in der SPD die Parole: „Wir haben schon die Agenda 2010 gemacht, wir können für die CDU nicht auch noch die Grenze schließen.“ Auch vom Vize­kanzler und SPD-Vor­sit­zenden kommt also keine Rückendeckung.

Es bleibt alles beim Alten: Wer Asyl aus­sprechen kann, wird reingelassen

De Mai­zière traut sich dar­aufhin nicht, die Grenz­schließung anzu­ordnen, wenn die SPD keine explizite Zustimmung gibt. Er ver­lässt den Raum erneut und ruft ein drittes Mal an. Dann kommt er zurück und ordnet an, dass der Ein­satz­befehl umge­schrieben wird. Der ent­schei­dende Satz lautete:
„Wer nicht ein­rei­se­be­rechtigt ist, soll auch im Falle eines Asyl­ge­suches zurück­ge­wiesen werden.“
Die fünf von mir her­vor­ge­ho­benen Worte werden jetzt gestrichen. Statt­dessen werden die Bun­des­po­li­zisten ange­wiesen, dass „Dritt­staats­an­ge­hö­rigen ohne auf­ent­halts­le­gi­ti­mie­rende Doku­mente und mit Vor­bringen eines Asyl­be­gehrens die Ein­reise zu gestatten ist.“ Kurz: Jeder, der Asyl sagt, darf wei­terhin rein. Aber wozu dann über­haupt Kon­trollen? Die Poli­zisten an der Grenze – manche wurden von Hamburg an die öster­rei­chische Grenze geflogen! – können es kaum glauben. Dafür der ganze Aufwand?!

Der Tag, der über die Zukunft Deutsch­lands entschied

Dieser Tag, der 13. Sep­tember 2015 war der ent­schei­dende. Natürlich war der erste große Fehler die Grenz­öffnung respektive ‑nicht­schließung am 5. Sep­tember. Anschließend die Fotos der Kanz­lerin mit den „Flücht­lingen“, die um die Welt gingen. Der Schaden hätte jetzt aber noch begrenzt werden können. Man hätte dies als Lehre auf­fassen können, so etwas nie wieder zu machen. Die zig­tau­sende Immi­granten, die in diesen acht, neun Tagen völlig unkon­trol­liert nach Deutschland ein­strömten, hätte unser Land ver­kraften können. Es waren wahr­scheinlich noch unter 100.000. Jetzt erst wurde der aller­größte Fehler begangen: die Grenzen wurden nicht wieder geschlossen. Aber warum nicht?
Weil de Mai­zière als zustän­diger Minister und vor allem Merkel als Regie­rungs­chefin, die ja die Grenz­öffnung selbst ange­ordnet hatte, nicht den Mut auf­brachten, die Ent­scheidung der Grenz­schließung zu treffen. Weil einige Beamte recht­liche Bedenken geäußert hatten. Recht­liche Bedenken, die sich übrigens im Nach­hinein als unbe­gründet erwiesen. Wenige Wochen später werden sowohl das Innen- wie auch das Jus­tiz­mi­nis­terium zu der „gemein­samen Rechts­auf­fassung“ kommen: Zurück­wei­sungen an der Grenze seien nicht zwingend, aber möglich gewesen. Der wis­sen­schaft­liche Dienst des Bun­des­tages wird diese Ein­schätzung später in einem Gut­achten eben­falls bestätigen.

Aus neun Tagen werden 190

In der Folge bleibt die deutsche Grenze offen und das nicht für acht, neun Tage, sondern für 190 – bis zum 9. März 2016, als die Bal­kan­route dank Sebastian Kurz, dem öster­rei­chi­schen Außen­mi­nister, geschlossen wird. Gegen den erklärten Willen der deut­schen Bundeskanzlerin!
In den nächsten Wochen und Monaten werden nicht viele Zig­tau­sende oder Hun­dert­tausend nach Deutschland hin­ein­strömen, nicht 200.000, nicht 300.000, nicht 400.000, nicht 500.000, nein fast eine Million! (Die genaue Zahl kennt wahr­scheinlich kein Mensch.) Die Han­delnden bzw. die Nicht-Han­delnden, die Ver­ant­wortung über­nehmen hätten müssen, sich aber nicht trauten, dies zu tun, werden ab jetzt, um sich selbst zu exkul­pieren, behaupten, es sei rein prak­tisch gar nicht möglich, die deut­schen Außen­grenzen zu sichern, obschon der Chef der Bun­des­po­lizei wochenlang just darauf drängte und die sechs ent­schei­denden Poli­tiker unseres Landes dies am 12. Sep­tember selbst beschlossen haben. Und Kramp-Kar­ren­bauer behauptet nun auch plötzlich wieder, dass dies möglich sei.
Hinter diese Schutz­be­hauptung der Unmög­lichkeit werden die Akteure von 2015 fortan aber nicht mehr zurück­fallen können, ohne sich selbst der Inkom­petenz und der Lüge zu über­führen, an der sie nun fest­halten müssen. Man wird nun viel davon reden, dass man „die Flucht­ur­sachen bekämpfen“ müsse, als ob Deutschland die Pro­bleme Afrikas und der gesamten mus­li­mi­schen Welt lösen könnte, inklusive dem Syrien- und anderen Bür­ger­kriegen. Man wird sich immer tiefer in Lügen und Täu­schungen des Volkes ver­stricken und Deutschland immensen Schaden zufügen. Unzählige Frauen werden sexuell belästigt, nicht wenige ver­ge­waltigt, Tau­sende werden bestohlen und aus­ge­raubt werden und einige deutsche Staats­bürger werden sterben.
Das Problem mit dem nicht enden wol­lenden Immi­gran­ten­strom werden aber zwei andere lösen: Erdogan, dem man dafür viele Mil­li­arden Euro und vieles mehr ver­spricht (den Plan treibt vor allem Merkel voran, die ihn von Schäuble über­nommen hat, der ihr das schon Wochen und Monate vorher immer wieder nahe­legte, was sie aber lange nicht wahr­haben wollte), und ein gerade mal 29-jäh­riger junger Mann in Öster­reich namens Sebastian Kurz, der sich dann im Jahre 2017 anschickte, öster­rei­chi­scher Bun­des­kanzler zu werden und der bereits 2015 das einzig Richtige macht: die Bal­kan­route zu schließen.

Kein böser Wille, kein hin­ter­häl­tiger Plan, sondern schlichte Inkom­petenz und ein Mangel an Mut

Im Internet und auch sonst schwirren viele Ver­schwö­rungs­ideo­logien umher. Ver­schwö­rungs­ideo­logien leiden fast immer unter dem gleichen Mangel: einer extrem starken Unter­kom­ple­xität, weshalb sie gerade bei schlichter gestrickten Men­schen, die mit vielen Fakten und dem Denken in mul­tiplen Zusam­men­hängen schnell über­fordert sind, oft gut ankommen.
Natürlich gibt es seit langem Pläne, zig Mil­lionen von Afrika und aus der mus­li­mi­schen Welt nach Europa umzu­siedeln (Repla­cement Migration). Natürlich gibt es seit langem Pläne als Gegen­ge­wicht zur USA und zu China ein großes neues Reich zu schaffen, zunächst die Ver­ei­nigten Staaten von Europa, dann Eurabia bzw. Eura­biafrika. Aber es hatte niemand in der Führung Deutsch­lands vor, das Chaos über Deutschland her­ein­brechen zu lassen, um einen Bür­ger­krieg zu evo­zieren oder ähn­liches. Nein, die Wahrheit ist manchmal sehr viel tri­vialer als manche glauben.
Es war keine Bös­ar­tigkeit und keine Hin­ter­häl­tigkeit, was von Sep­tember 2015 bis März 2016 ablief, es war etwas ganz anderes: extreme Mut­lo­sigkeit, um nicht zu sagen Feigheit, und: Inkom­petenz. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und noch etwas, was zugleich den tie­feren Grund des Ganzen dar­stellt. Ein völlig ver­weich­lichtes Volk, das solche Bilder, wie Frauen mit kleinen Kindern auf dem Arm mit Gewalt zurück­ge­drängt werden, wohl in der Tat keine drei Tage aus­ge­halten hätte. Ein Volk, das nicht einmal mehr fähig ist, sich selbst und sein eigenes Ter­ri­torium gegen unbe­fugte Grenz­über­tritte zu ver­tei­digen. Ein Volk, das sich mehr­heitlich sehnt nach seinem eigenen Untergang, genauer: nach seinem Auf­gehen in einer Welt­ge­mein­schaft, das mithin seine eigene Iden­tität los­werden möchte, weil es sie nicht liebt und sich mit sich selbst nicht mehr iden­ti­fi­zieren kann. Dagegen kommt kein Poli­tiker an, was auch die AfD schmerzlich spüren muss.

Thomas de Mai­zière bei „Markus Lanz“

https://youtu.be/bGvXPS8iFxk


Jürgen Fritz — www.juergenfritz.com