Ein Hal­tungs­jour­nalist stellt sich ein Bein

Nach einer Serie von erschüt­ternden und vor­wiegend durch Migranten ver­übten Morden ist in Öster­reich die poli­tische Debatte darüber los­ge­brochen, wie man mit straf­fäl­ligen Aus­ländern umgehen soll. Der all­ge­meine Tenor in der Bevöl­kerung lässt keinen Zweifel zu: Die Öster­reicher erwarten sich von den ver­ant­wort­lichen Behörden und der Justiz, dass kri­mi­nelle Asyl­werber und straf­fällig gewordene Asyl­be­rech­tigte außer Landes gebracht bzw. in ihre Her­kunfts­länder über­stellt werden.
Kaum jemand hat Ver­ständnis dafür, dass öster­rei­chische Staats­bürger auf­grund kom­plexer und untauglich gewor­dener Asyl­ge­setze und wegen der für den juris­ti­schen Laien nicht nach­voll­zieh­baren EU-Rege­lungen dem Risiko aus­ge­setzt sind, von übel­wol­lenden, aber nicht sofort abge­scho­benen Migranten an Leib und Leben gefährdet zu werden.
Das Maß ist voll
Nach dem mut­maß­lichen Rachemord an einem Vor­arl­berger Asyl-Beamten ist der Volkszorn nun end­gültig am Kochen: Im Sozi­alamt in Dornbirn hat — nach dem bis­he­rigen Stand der Ermitt­lungen — ein abge­lehnter tür­ki­scher Asyl­werber den zustän­digen Abtei­lungs­leiter getötet, weil ihm dieser offenbar (und zu Recht) die Aus­zahlung der Grund­si­cherung ver­weigert hat. Die all­ge­meine Bestürzung und die Betrof­fenheit sind groß, niemand kann die Tat fassen. Man will nun seitens der zustän­digen Poli­tiker eine rasche Lösung der Pro­ble­matik und die offen­sichtlich unzu­läng­liche Geset­zeslage novellieren.
Jah­relang im Land
Eine zen­trale Frage lautet, warum abge­lehnte Asyl­werber trotz Auf­ent­halts­verbots oft Jahre im Land bleiben können, ohne abge­schoben zu werden. Als juris­tische Begründung wird oft ange­führt, dass eine Abschiebung dann nicht möglich sei, wenn dem Abzu­schie­benden in der Heimat die Todes­strafe oder menschlich unzu­mutbare Bedin­gungen oder Folter drohen. Dazu kommt, dass momentan eine Rück­führung von kri­mi­nellen Asyl­werbern und ‑berech­tigten nur nach besonders schweren Straf­taten gesetzlich zulässig ist. Innen­mi­nister Herbert Kickl drängt schon seit län­gerem darauf, die Gesetze so zu gestalten, dass auch nach kleinen Delikten eine Abschiebung möglich ist.
Ein Jour­nalist lehrt Mores
In dieser Debatte ist nun Christian Rainer, der Chef­re­dakteur des Nach­rich­ten­ma­gazins “Profil”, das gerne als der öster­rei­chische “Spiegel” wahr­ge­nommen werden will, auf den Plan getreten, um den ver­ant­wort­lichen Poli­tikern die Kon­se­quenzen zu erklären, welche ein ver­schärftes Abschie­be­gesetz nach sich zögen. Seinen aktu­ellen Leit­ar­tikel hat er mit dem pro­vo­kanten Titel “Todes­strafe für Asyl­werber” ver­sehen. Er ver­tritt darin den Stand­punkt, dass eine strikte Rück­führung von asyl­su­chenden Straf­tätern für die­selben den Tod bedeuten könnte — wenn sie nämlich aus einem Her­kunftsland stammen, in dem es die Todes­strafe gibt.
Doch Herr Rainer irrt sich hier gewaltig und stellt sich in seinem hyper­mo­ra­lisch-bes­ser­wis­se­ri­schen Eifer selber ein Bein. Zunächst dürfte er nicht ordentlich recher­chiert haben, denn nach bereits jetzt herr­schender euro­päi­scher Geset­zeslage ist es möglich, Straf­täter auch an Länder aus­zu­liefern, in denen die Todes­strafe gilt. Das Her­kunftsland muss jedoch eine Garantie abgeben, im betref­fenden Ein­zelfall diese nicht zu judi­zieren. Es gibt dazu einen weg­wei­senden EuGH-Prä­ze­denzfall (Soering, 1989).
Dif­fe­ren­zierung tut not
Was Christian Rainer auch nicht klar anspricht und wo er nicht exakt dif­fe­ren­ziert: Es geht ja doch in der Frage der Todes­strafe nicht darum, dass Asyl­werber hier bei uns Straf­taten begehen und dann aus­ge­wiesen werden, um in ihrer Heimat in die Todes­zelle zu kommen. Niemand wird irgendwo in der Welt zum Tod ver­ur­teilt, weil er in Öster­reich kri­minell geworden ist. Es geht doch vor allem darum, dass manche der Asyl­werber in ihren Her­kunfts­ländern Kapi­tal­ver­brechen verübt haben und als Mörder und Schwer­kri­mi­nelle zu uns kommen. Warum sollte Öster­reich ange­sichts des Soering-Urteils von 1989 nicht alles daran setzen, diese Leute wieder außer Landes zu bringen?
Wir brauchen Signale
Darüber hinaus geht es auch um ein eminent wich­tiges Signal: Es muss allen poten­ziell straf­fäl­ligen Asyl­werbern klar­ge­macht werden, dass Öster­reich kein Paradies für aus­län­dische Kri­mi­nelle ist, in dem man nur “Asyl!” rufen muss, um vor Aus­weisung und Straf­ver­folgung im Her­kunftsland sicher zu sein. Unser Staat muss sich hier ganz prin­zi­piell zur Wehr setzen, denn andern­falls würde er sich und seine Haupt­aufgabe, nämlich den Schutz seiner Bürger, fun­da­mental in Frage stellen. Das blendet der Profil-Chef­re­dakteur eben­falls aus.
Man muss Herrn Rainer klar vor­werfen, dass er in seinem Leit­ar­tikel ver­sucht, auf eine sublime Art und Weise eine Apo­logie für aus­län­dische Straf­täter zu kon­stru­ieren und diese Apo­logie auf fal­schen Prä­missen aufbaut. In einem Punkt muss man ihm aber recht geben: Die Debatte, wie man die Gesetze nun ver­ändern soll, darf nicht pole­misch geführt werden. Die Dis­kussion sollte auch nicht das all­ge­meine Res­sen­timent bedienen, dafür steht zu viel auf dem Spiel. Sie muss vielmehr wirklich besonnen ablaufen und das Interesse Öster­reichs im Fokus haben. Anders gesagt: Die füh­renden Ver­fas­sungs­ju­risten und Völ­ker­rechtler des Landes und dann natürlich das Par­lament sollten sich umgehend mit diesen Fragen aus­ein­an­der­setzen und nicht den Hal­tungs­jour­na­listen das ohnehin schon recht auf­ge­wühlte Feld überlassen.


Dr. Marcus Franz — www.thedailyfranz.at