Kün­digung des INF-Ver­trages durch die USA — Putins Reaktion im O‑Ton

Das rus­sische Fern­sehen hat in der Sendung „Nach­richten der Woche“ über Putins Reaktion auf die Kün­digung des INF-Ver­trages durch die USA berichtet. Diese offi­zielle Reaktion Russ­lands habe ich übersetzt.
(Von Thomas Röper)
Beginn der Übersetzung
Am 2. Februar lud Prä­sident Putin Außen­mi­nister Lawrow und Ver­tei­di­gungs­mi­nister Schoigu in den Kreml ein. Bei dem Treffen wurden prin­zi­pielle Ent­schei­dungen getroffen, erstens die Ame­ri­kaner nicht mehr mit rus­si­schen Initia­tiven zur Rüs­tungs­be­grenzung zu behel­ligen und zweitens sich auf eine rasche Sta­tio­nierung von Raketen des Typs „Kaliber“ sowie von Hyper­schall-Waffen mit kurzer und mitt­lerer Reich­weite im euro­päi­schen Teil Russ­lands vor­zu­be­reiten. Alles als Reaktion auf den ange­kün­digten Rückzug der USA aus dem INF-Vertrag über das Verbot ato­marer Kurz- und Mittelstreckenraketen.
Dieses wichtige Treffen begann mit den aus­führ­lichen Berichten der beiden Minister an den rus­si­schen Präsidenten.
„Ich möchte den Außen­mi­nister bitten, die Situation um den INF-Vertrag dar­zu­stellen und einen gene­rellen Über­blick über das soge­nannte ‘Abrüs­tungs­dossier’ zu skiz­zieren. Was pas­siert im Bereich der Begrenzung von Offen­siv­waffen?“, fragte Putin Sergej Lawrow.
„Sehr geehrter Herr Prä­sident, den INF-Vertrag, der, wie Sie wissen, seit 1988 in Kraft ist und unbe­fristet gilt, wurde von den Ver­ei­nigten Staaten bereits seit 1999 ver­letzt, als sie begannen, bewaffnete Drohnen zu testen, die von ihren Cha­rak­te­ristika per Defi­nition des INF-Ver­trages mit land­ge­stützten Marsch­flug­körpern gleich­ge­stellt sind, die in dem Vertrag aus­drücklich ver­boten sind. Später begannen sie mit der Ent­wicklung bal­lis­ti­scher Raketen, die eben­falls gegen den Vertrag ver­stießen, um sie als Test­ziele für die Ent­wicklung ihres Rake­ten­ab­wehr­systems zu benutzen. Und ab 2014 begannen sie, Abschuss­rampen vom Typ Mk41 für die Rake­ten­abwehr in Europa zu sta­tio­nieren, die auch für den Start von Mit­tel­stre­cken­ra­keten vom Typ ‘Tomahawk’ geeignet sind“, sagte der Chef des rus­si­schen Außen­mi­nis­te­riums. „Das ist ein direkter Ver­trags­bruch. Jetzt sind solche Anlagen bereits in Rumänien im Einsatz und werden für den Einsatz in Polen sowie in Japan vorbereitet.“
Sergej Lawrow erin­nerte außerdem an den Beginn der Pro­duktion von Atom­bomben mit geringer Spreng­kraft („Mini­nukes“) für Mit­tel­stre­cken­ra­keten in den USA. Neben dem Aus­stieg der USA aus dem INF-Vertrag nannte er noch vier weitere Ver­träge, gegen die Amerika ver­stieß bzw. aus denen Amerika aus­ge­stiegen ist.
Da ist der Rückzug der USA aus dem ABM-Vertrag über das Verbot von Rake­ten­ab­wehr­sys­temen im Jahre 2002. Als wir den USA vor­schlugen, eine gemeinsame Rake­ten­abwehr zu schaffen, wei­gerten sie sich, darüber zu reden. Und 2013 ver­kün­deten sie die Ein­stellung aller Gespräche über das Thema Raketenabwehr.
Die USA igno­rieren auch den Vertrag über die Nicht­ver­breitung von Kern­waffen. Das Pen­tagon arbeitet in Europa mit fünf Nato-Staaten an der Ver­wendung von Atom­waffen. (Anmerkung des Über­setzers: Eines dieser Länder ist Deutschland und man hört manchmal von der „Ato­maren Teilhabe“ der Bun­deswehr, was bedeutet, dass Bun­deswehr-Kampf­flug­zeuge im Kriegsfall ame­ri­ka­nische Atom­bomben abwerfen sollen. Das ist nach den Regeln des Ver­trages zur Nicht­ver­breitung von Atom­waffen ein Ver­trags­bruch, da die USA damit Atom­waffen an Deutschland wei­ter­geben würde und die Bun­deswehr übt den Abwurf von Atom­bomben regel­mäßig.)
Den umfas­senden Atomtest-Vertrag haben die Ver­ei­nigten Staaten bis heute nicht rati­fi­ziert, obwohl Barack Obama dies bereits vor seinem Sieg bei den Prä­si­dent­schafts­wahlen ver­sprochen hatte. Es wurde nicht umge­setzt. Und jetzt ist Trump schon eine Weile Präsident.
Schließlich ist auch der Vertrag über stra­te­gische Offen­siv­waffen bedroht, da die Ver­ei­nigten Staaten 56 U‑Boot-Rake­ten­start­systeme umbauen, um Inter­kon­ti­nen­tal­ra­keten vom Typ „Trident“ starten zu können und darüber hinaus auch 41 schwere Bomber, weil die angeblich alle für nicht nukleare Munition umge­rüstet werden. Das kann man nicht über­prüfen. Die USA fordern, ihnen auf´s Wort zu glauben, ohne dass es irgend­welche Kon­trollen gibt.
Nachdem er Lawrow zugehört und sich für den Vortrag bedankt hatte, wandte sich Putin an Schoigu: „Herr Ver­tei­di­gungsmni­nister, wie bewertet das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terium die Situation? Und was sind Ihre Vor­schläge in diesem Zusammenhang?“
„Neben den öffent­lichen Zahlen aus dem US-Ver­tei­di­gungs­haushalt für die Ent­wicklung und Her­stellung von Kurz- und Mit­tel­stre­cken­ra­keten sehen wir seit Jahren Ver­stöße gegen die ver­trag­lichen Ver­pflich­tungen. Einfach aus­ge­drückt: Die Ver­ei­nigten Staaten haben mit der Her­stellung dieser Raketen begonnen. Daher haben wir Vor­schläge für Reak­tionen vor­be­reitet, die wie folgt lauten: Erstens beginnen wir mit der Ent­wicklung und Pro­duktion von boden­ge­stützten Start­rampen für unsere see­ge­stützten Marsch­flug­körper vom Typ ‘Kalibr’. Zweitens wollen wir mit der Ent­wicklung und Tests von boden­ge­stützten bal­lis­ti­schen Hyper­schall-Raketen kurzer und mitt­lerer Reich­weite beginnen. Wir bitten darum, diesen Vor­schlag zu unter­stützen“, sagte Schoigu.
So klangen die zwei kon­kreten Vor­schläge von Schoigu. Es geht um „Kalibr“ und Hyper­schall, bei dem Russland weltweit führend ist. Putin stimmte zu und for­mu­lierte Russ­lands end­gültige Position.
„Wir werden wie folgt vor­gehen: Unsere Antwort wird eine gespie­gelte Antwort sein. Die ame­ri­ka­ni­schen Partner haben ange­kündigt, ihre Teil­nahme am Vertrag aus­zu­setzen, und wir werden das Gleiche tun. Sie kün­digten an, dass sie mit Ent­wicklung und Pro­duktion beginnen, wir werden das auch tun. Ich stimme mit den Vor­schlägen des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­riums über die boden­ba­sierten ‘Kalibr’ und über den Beginn der Neu­ent­wicklung einer boden­ge­stützten Hyper­schall-Rakete mitt­lerer Reich­weite überein“, sagte der Präsident.
Aber hier hat Putin eine sehr wichtige Bedingung gestellt: „Gleich­zeitig möchte ich darauf auf­merksam machen, dass wir nicht in ein kost­spie­liges Wett­rüsten hin­ein­ge­zogen werden sollten“. Das ist für den Prä­si­denten ein prin­zi­piell wich­tiges Thema. Putin will den sowje­ti­schen Fehler sicher nicht wie­der­holen. Daher die Auf­for­derung an Schoigu, im Rahmen des beschlos­senen Ver­tei­di­gungs­etats zu bleiben und lediglich die Aus­gaben umzustrukturieren.
„In dieser Hin­sicht habe ich noch eine Bitte an Sie. Wir treffen uns regel­mäßig zu Gesprächen über die staat­lichen Bestel­lungen des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­riums in Sotschi, alle sechs Monate, unter Betei­ligung unserer Mili­tär­kom­man­danten, Befehls­haber der Streit­kräfte und unter Betei­ligung von Ver­tretern der Rüs­tungs­in­dustrie. Ich schlage vor, ab diesem Jahr das Format unserer Arbeit zu ändern. Ich möchte sehen, wie die Arbeit an der Sta­tio­nierung unserer neuen Waf­fen­systeme vor­angeht, konkret bei der luft­ge­stützten ‘Kinzhal’-Hyperschall-Rakete, bei den ‘Peresvet’-Laserwaffen, die bereits an die Armee aus­ge­liefert werden und bei der ‘Avantgard’, deren letzte Tests gerade abge­schlossen wurden. Derzeit läuft die Pro­duktion an. Ich möchte sehen, wie die Arbeit an der ‘Sarmata’-Produktion vor­angeht und wie die Vor­be­rei­tungen für die Indienst­stellung laufen. Sie haben mir von der Been­digung der wich­tigsten Test­phase der unbe­mannten stra­te­gi­schen Mehr­zweck-See­kampf­waffe ‘Poseidon’ berichtet. Ich möchte sehen, wie die Arbeit hier läuft“, sagte der Staatschef.
Das heißt, wenn Putin bisher Militärs und Indus­trielle am Kon­fe­renz­tisch in Sotschi ver­sammelt hat, wird der Prä­sident ab diesem Jahr das Militär in den Stütz­punkten besuchen und die Rüs­tungs­fa­briken inspi­zieren. Dar­über­hinaus bat Putin darum, über unsere Gegen­maß­nahmen im Falle der Sta­tio­nierung von Waffen im Weltraum infor­miert zu werden.
Da der Rückzug der USA aus dem INF-Vertrag und die gene­relle Wei­gerung der USA, Ver­hand­lungen über Abrüstung zu führen, Fakten sind, gab Putin den ein­ge­la­denen Ministern noch fol­gende Anweisung: „Alle unsere Vor­schläge zu dem Thema waren, sind und bleiben auf dem Tisch, die Türen für Ver­hand­lungen sind offen. Daher fordere ich beide Minis­terien auf, keine wei­teren Ver­hand­lungen zu diesem Thema zu initi­ieren. Wir warten ab, bis unsere Partner bereit sind, einen gleich­be­rech­tigten Dialog über dieses Thema zu führen, das für uns und für unsere Partner und für die ganze Welt so wichtig ist.“
Das Wich­tigste zuletzt: Wir haben nicht ange­fangen und werden es auch nicht tun. „Unser Stand­punkt ist, dass Russland nichts sta­tio­nieren wird, auch wenn wir solche Waffen ent­wi­ckelt und pro­du­ziert haben. Nicht in Europa und auch nicht in anderen Teilen der Welt. Wir werden das nur tun, wenn dort Kurz- und Mit­tel­stre­cken­ra­keten ame­ri­ka­ni­scher Pro­duktion sta­tio­niert werden“, erklärte der Präsident.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich für die tat­säch­lichen Stand­punkte Russ­lands und für Putins Aus­sagen zu den aktu­ellen Themen der Welt­po­litik inter­es­sieren, sollten Sie sich mein Buch einmal ansehen, in dem Putin mit aus­führ­lichen Zitaten zu Wort kommt. Dort können Sie nach­lesen, was Putin zu den aktu­ellen Themen von A wie Abrüstung bis U wie Ukraine sagt.
 


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru