TARGET2: Es ist und bleibt eine Vermögensverschiebung

Diese Woche zeigte ich, wie man die Wir­kungen von QE in der Eurozone beschreiben kann, ohne die offen­sicht­lichen Neben­wir­kungen mit Blick auf die Ver­schiebung von Ver­mögen zwi­schen den Ländern – TARGET2 – über­haupt zu erwähnen. Auch fol­gender bto-Beitrag vom August 2018 beschäftigt sich mit diesem Thema.

TARGET2 und kein Ende.
Zunächst Hans-Werner Sinn mit seiner aus­führ­lichen Begründung, weshalb TARGET2 ein erheb­liches wirt­schaft­liches Risiko darstellt:
→ Niemand wird TARGET2 stoppen
Sodann Norbert Häring im Han­dels­blatt, der erklärt, wie wir die Target2-For­de­rungen nutzen könnten und so nicht ver­lören (in dem wir im Süden auf Ein­kaufstour gehen):
→ Öko­nomen tappen in die Target-Falle
Dann Martin Hellwig, mit einer Kritik an Sinn:
→ Zur „Target-Hys­terie“
Wo es nur eine Frage der Zeit war, bis Hans-Werner Sinn eine Erwi­derung schreibt. Bevor wir dazu kommen, hier nochmals mein Fazit zu den Aus­füh­rungen von Hellwig: „Hellwig betont zu Recht, dass es eine Zah­lungs­ver­kehrs­größe ist, die, wenn die EZB eine echte Notenbank wäre, gar nicht auf­fallen würde. Er betont auch zu Recht, dass es eben zu einer Wäh­rungs­union gehört, dass die Bürger ihr Geld anlegen können, wo sie wollen. Auch stimmt es, dass deutsche Wirt­schafts­sub­jekte von den Target2-For­de­rungen pro­fi­tieren. Es mag auch sein, dass ein Aus­tritt Ita­liens (bei dem es aller­dings nicht bliebe) zu keinen Ver­lusten führt, weil die EZB das Geld einfach schafft bzw. eine Abschreibung einfach nicht vor­ge­nommen wird. Damit sind wir aber immer weiter auf dem Weg des Zau­ber­lehr­lings und unsere Geld­ordnung wird immer frag­wür­diger. Wenn wir aller­dings echte Ver­mö­gens­werte dafür hin­geben und im Gegenzug die Target2-Position auf­bauen, tau­schen wir unsere Ver­mögen in eine geringer ver­zins­liche und nicht ein­for­derbare Geld­po­sition, was in Summe die Ertrags­kraft unseres Aus­lands­ver­mögens schmälert. Min­destens hier haben wir einen erheb­lichen finan­zi­ellen Nachteil aus der Entwicklung.“
Nun also die Kritik des Experten:

  • Der Prä­sident der EZB „ (…) weicht Fragen zur Tilgung, Limi­tierung oder Besi­cherung der Target-Salden aus und unter­stellt den Kri­tikern, sie wollten den Euro abschaffen. Der DIW-Prä­sident und Ex-EZB-Mit­ar­beiter Marcel Fratz­scher rückt die Kri­tiker der EZB gar in die Nähe der AfD und wirft ihnen Panik­mache vor. Andere ver­muten zumindest eine euro­pa­feind­liche Gesinnung. Viele Jour­na­listen betei­ligten sich im Vorfeld der erwar­teten Über­schreitung der Bil­lionen-Grenze an einer kon­zer­tierten Beschwich­ti­gungs­aktion.“  stelter: Man kann sich gut vor­stellen, wie sehr sich Sinn hier geärgert hat. Gerade einen Cla­queur wie Fratz­scher dürfte er als Leicht­ge­wicht emp­finden, welches sich mit Gefall­sucht in Medien und Politik im Gespräch hält.
  • „Die Target-For­de­rungen der Bun­desbank sind ein Aktivum, ein grund­sätzlich ver­zins­licher, unbe­si­cherter Anspruch gegen das Euro­system auf der linken (Soll-) Seite der Bilanz, dem ver­zins­liche Ver­bind­lich­keiten anderer Noten­banken auf deren rechter (Haben-) Seite gegen­über­stehen.“ – stelter: Und damit sind wir beim Knack­punkt. Bereits hier gehen die Mei­nungen aus­ein­ander. Ich denke, sobald wir echte Ver­mögen im Gegenzug an das Ausland geben, siehe meine Ein­schätzung oben, ist es ein Problem. Denn dann mindern wir das Volks­ver­mögen wirklich.
  • „Es ist eine irre­füh­rende Ver­harm­losung, hier von bloßen Gegen­bu­chungen im Rahmen des Zah­lungs­ver­kehrs zu reden, denn die Target-Salden messen Net­to­über­wei­sungen anderer Länder nach Deutschland, die die Bun­desbank zwangen, im Auftrag anderer Noten­banken Zah­lungs­auf­träge aus­zu­führen. Man tilgte seine Schulden in Deutschland und ging dort ein­kaufen. Dadurch gelangte ein Net­to­be­stand an Gütern und Ver­mö­gens­ob­jekten wie Aktien, Schuld­titeln, Firmen, Häusern und Bank­konten im Wert von 1000 Mil­li­arden Euro in aus­län­dische Hand, ohne dass wirk­liche Sub­stanz zurückkam.“ – stelter: Hier macht Sinn genau den gleichen Punkt. Es ist halt die Frage, ob es ein Aktiv­tausch von Volks­ver­mögen ist (These: ja) und dann, ob dieser Tausch ein guter ist (These: nein!).
  • „Fallen die Target-Ansprüche gegen die anderen Noten­banken aus, würde Deutschland tat­sächlich nicht für die Güter und Ver­mö­gens­ob­jekte inklusive der getilgten Schuld­titel, , die Aus­ländern über­geben wurden, kom­pen­siert. In diesem Fall haben die deut­schen Steu­er­zahler die Schulden der Aus­länder getilgt und die gelie­ferten Güter und Ver­mö­gens­ob­jekten selbst bezahlt. Für Ver­luste der Deut­schen Bun­desbank muss der deutsche Steu­er­zahler nämlich haften, ent­weder durch Ver­zicht auf Aus­schüt­tungen oder durch eine Reka­pi­ta­li­sierung der Bun­desbank, was auf das­selbe hin­aus­läuft.“ – stelter: Der Euro ist ja eben­falls ein Sub­ven­ti­ons­pro­gramm für unsere Export­wirt­schaft, das wir selber bezahlen.
  • Hellwig zieht die Kre­di­t­ei­gen­schaft der Target-Salden indes in Zweifel, weil er die Bun­desbank eher als Filiale der EZB sieht, und er findet eine auf die deutsche Volks­wirt­schaft bezogene Betrachtung der inter­na­tio­nalen Leis­tungs­ströme innerhalb des euro­päi­schen Bin­nen­marktes ohnehin seman­tisch unsinnig, weil dahinter immer ein­zelne Per­sonen und Insti­tu­tionen stehen, deren staat­liche Zuordnung seiner Meinung nach unwichtig ist.“ – stelter: Dazu habe ich in meiner Kom­men­tierung zu Hellwig schon ange­merkt, dass es zwi­schen Köln und München so sein mag, aber innerhalb der Eurozone geht es um ver­schiedene Länder, was einer anderen Dimension gleich­kommt, haben wir doch keine Ver­ei­nigten Staaten von Europa.
  • „Hun­derte von Mil­li­arden Euro wurden über Ela- und Anfa-Kredite nach eigenem Ent­scheid an die lokalen Geschäfts­banken ver­liehen, und zugleich konnten die Kri­sen­länder über ihre Stimmen im EZB-Rat erreichen, dass die natio­nalen Noten­banken sich mit immer schlech­teren Pfändern für die aus­ge­ge­benen Refi­nan­zie­rungs­kredite begnügen durften. Sie durften sogar Schrott­pa­piere mit einem Rating unter BBB akzep­tieren. (…) Die Geschäfts­banken der über­schul­deten Länder haben dann das mit der natio­nalen Dru­cker­presse erzeugte Kre­ditgeld zu Kon­di­tionen an die private Wirt­schaft und den Staat wei­ter­ge­reicht, die im Ver­gleich zum Markt extrem günstig waren. Dadurch wurde es möglich, immer mehr Net­to­über­wei­sungen in andere Länder zu rea­li­sieren, ohne dass die nationale Liqui­dität weg­trocknete. Das ist ein ent­schei­dender Aspekt, der bei Hellwig über­haupt nicht vor­kommt.“ – stelter: Sinn erklärt hier, dass wir letztlich neu geschaf­fenes Geld mit schlechter Hin­ter­legung bekommen. Es ist also mehr ein Problem schlechten Geldes, das sich gute Assets kauft als nur ein Zahlungssystemproblem.
  • „Seit 2015 traten die Käufe im Zuge des mitt­ler­weile 2,4 Bil­lionen Euro schweren QE-Pro­gramms hinzu, die etwa zur Hälfte Inves­toren aus Nicht-Euro-Ländern betrafen. Da die Inves­toren ihre Ver­kaufs­erlöse vor allem in einige nörd­liche Länder der Eurozone über­wiesen, um sie dort anzu­legen, allen voran Deutschland, wurden deren Noten­banken zur Bereit­stellung der dafür nötigen Liqui­dität gezwungen, was einen wei­teren Zuwachs der Target-Salden indu­zierte. Der tech­nische Vorgang, von dem die EZB in diesem Zusam­menhang gerne spricht, bedeutete, dass in den Port­folios der Anleger dieser Welt in rie­sigem Umfang Staats­pa­piere Süd­eu­ropas durch Ver­mö­gen­werte jed­weder Art aus Deutschland ersetzt wurden, während die in Deutschland ansäs­sigen Ver­käufer inklusive der Banken, die ihren Kunden Konten ein­räumten, und von der Bun­desbank Euros bekamen und die Bun­desbank mit Target-For­de­rungen gegen das Euro­system kom­pen­siert wurde. Das war und ist eine gewaltige Umschul­dungs­aktion unter erzwun­gener Betei­ligung der Bun­desbank.“ – stelter: Und mit dem Effekt: gutes Asset gegen schlechtes Asset.
  • „Sollte das Euro­system ins­gesamt kol­la­bieren, sitzt der deutsche Teil des Wäh­rungs­ge­bietes auf einem Rie­sen­haufen Zen­tral­bankgeld, der für ihn allein viel zu groß ist und gewaltige Infla­ti­ons­ge­fahren birgt. Die Bun­desbank müsste dann einen Wäh­rungs­schnitt machen und/oder das Geld wieder ein­sammeln und ver­brennen, zum Bei­spiel indem sie Staats­pa­piere ver­kauft, die sie vorher vom deut­schen Fiskus geschenkt bekommt. Dieses Sze­narium ist der Droh­punkt, mit Hilfe dessen Deutschland in den nächsten Jahren in eine Trans­fer­union gedrängt werden könnte. Die Ver­luste werden sich dann unmit­telbar im Staats­budget zeigen.“ – stelter: Und wieder irgendwie ver­steckt werden, wie es schon seit Jahren gängige Praxis der Politik ist.

Sicherlich wird es wieder eine ver­bit­terte Dis­kussion zu diesem erneuten Beitrag von Sinn geben. Er bringt seine ganze Repu­tation in dieses Thema ein, was bedenklich stimmt. Unstrittig dürfte sein, dass wir einen Umbau unseres Volks­ver­mögens erleben. Wenn wir weniger inlän­dische Ver­mö­gens­werte besitzen (Unter­nehmen, Immo­bilien etc.) und dafür mehr For­de­rungen im TARGET2-System, ist das eine wesent­liche Ver­schiebung. So müssen wir das auch betrachten.
→ faz.net, 5. August 2018, „Irre­füh­rende Verharmlosung“


Quelle: bto