148 Peit­schen­hiebe und 38 Jahre Kerker für Anti-Kopftuch-Anwältin

Wer sich für die Rechte von Frauen im Iran ein­setzt; ver­spürt die ganze Härte des Mullah-Regimes. Für ihr Enga­gement gegen den Zwangs­schleier und für mehr Freiheit muss die Men­schen­rechts­ak­ti­vistin Nasrin Sotudeh einen hohen Preis zahlen. Zu über 30 Jahre Kerker und 148 Peit­schen­hieben hat sie ein Gericht nun verurteilt.
Rosa Luxemburg hatte einst geschrieben: „Freiheit ist immer Freiheit der Anders­den­kenden“. Doch diese Maxime gilt im Iran nichts. Dort herr­schen seit Jahren Angst und Repression. Gleichwohl sich das Land eine Republik nennt, regieren die Mullahs mit bra­chialer Gewalt, Eng­stir­nigkeit und reli­giösem Fun­da­men­ta­lismus. Über­wachen und Strafen gehören zum rigiden System der isla­mi­schen Republik, die nicht nur bei Lichte betrachtet alles andere als eine lupen­reine Demo­kratie ist, sondern ein religiös-eng­stir­niger Wäch­ter­staat bleibt. Legis­lative und Exe­kutive obliegen den Glau­bens­fa­na­tikern. Die Wächter agieren als luzide Mächte, die über Leben und Tod ent­scheiden – und sie sind es, die letzt­endlich die Gesetze nach ihrem Gusto prüfen und abwägen. Allein und radikal geschieht dies vor dem Hin­ter­grund der religiös zemen­tierten Prin­zipien des Islams und die Scharia regiert repressiv, gna­denlos und mit harter Hand. Wer sich gegen diese auf­lehnt, bekommt die ganze Strenge und Macht der Sit­ten­wärter zu spüren. So bleibt die Scharia – lange nach Aja­tollah Ruhollah Cho­meini – die absolut nicht hin­ter­fragbare Instanz der Exe­kutive, will­kürlich und bar jed­weder Mensch­lichkeit das reli­giöse Gesetz poli­ti­scher Instrumentalisierung.

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Cho­meinis Erben setzen die Blutspur fort
Cho­meinis Erben setzen bis heute die Blutspur ihres poli­ti­schen und reli­giösen Führers von einst unge­brochen fort. Und so bleiben Terror, Trauer und Tod die trau­rigen All­tags­phä­nomene in einem Land, in dem die Eska­lation von Gewalt und Bru­ta­lität gefeiert, Kri­tiker hin­ge­richtet, Frauen ver­ge­waltigt oder mit Säure über­schüttet werden. Das System lebt von Unruhe, Hass und Zer­störung und einem Anti­se­mi­tismus, der sich die Ver­nichtung Israels auf die blu­tigen Fahnen des Glaubens geschrieben hat.
Methoden wie bei der Stasi
Wer es wagt zu rebel­lieren, dem droht die Sit­ten­po­lizei, die in alt­be­währter Sta­si­manier, den Staats­lenkern als perfide Über­wa­chungs­ma­schi­nerie dient und die geringsten Ver­stöße ahndet. Die Dis­kri­mi­nierung der Frau gehört im Iran zum Glau­bens­kanon. Dank Scharia sind Zwangsehen, Berufs­verbote, sexuelle Über­griffe und Gewalt in der Ehe rechtlich legitim und fun­diert. Die Frau hat im System einfach keinen Stel­lenwert, ihre Stimme zählt weder vor Gericht noch in der Ehe. Inner­fa­mi­liere Ehren­morde gelten als straffrei oder sind durch eine „Blut­geld­zahlung“ gesühnt. Selbst vor insze­nierten Ver­ge­wal­ti­gungen vor Hin­rich­tungen schreckt der Glau­bens­staat nicht zurück, lega­li­siert diese geradezu, weil Jung­frauen nach isla­mi­schem Gesetz eben nicht hin­ge­richtet werden dürfen. Das streng patri­ar­chische System ver­stößt so in fast allen Rechts­be­reichen gegen gül­tiges Völker- und Men­schen­recht. Aber das stört die Mullahs nicht, die sonst Frieden und Freiheit im Glauben pre­digen – und die auch noch vom Deut­schen Bun­des­prä­si­denten Frank-Walter Stein­meier dafür ein Glück­wunsch­schreiben zu 40 Jahre isla­mi­scher Revo­lution ent­gegen nehmen durften.
33 Jahre Kerker und 148 Peitschenhiebe
Nun sorgt ein Urteil im Iran für Auf­sehen. Die Men­schen­recht­lerin und Frei­heits­ak­ti­vistin Nasrin Sotudeh wurde in Teheran zu 33 Jahren Kerker und 148 Peit­schen­hieben ver­ur­teilt. Ver­ur­teilt wurde sie schon oft, auch im Gefängnis saß die stu­dierte Juristin und Sacharow-Preis­trä­gerin bereits in den ver­gan­genen Jahren immer wieder. Doch der neue Rich­ter­spruch setzt neue Maß­stäbe im Umgang mit Systemkritikern.
Wider die Menschenrechte
Sotudeh ist das wohl pro­mi­nen­teste Gesicht des Pro­tests und lässt sich schon seit Jahren nicht vom theo­kra­ti­schen System ein­schüchtern; schon 2009 nicht, als sie min­der­jährige Straf­täter in Todes­zellen und fest­ge­nommene Oppo­si­tio­nelle ver­tei­digte, die gegen die Wie­derwahl des dama­ligen Prä­si­denten Mahmud Ahma­di­ned­schad pro­tes­tierten. Bereits damals hatte die heute 55-jährige Anwältin Haft und Hun­ger­streik hinter sich. „Akti­vi­täten gegen die nationale Sicherheit“ und „Pro­pa­ganda gegen das Regime“ wurden ihr damals zur Anklage gereicht.
Doch Repres­salien seitens der Mullahs, Berufs- sowie Aus­rei­se­verbot, kennt die mutige und cou­ra­gierte Sotudeh seit ihrer Jugend, weil sie sich unentwegt für die Rechte der Frauen stark machte und für die Gleich­be­rech­tigung uner­schrocken kämpfte. Diesen Kampf setzt sie unbeirrt fort.
Nun ist die seit 2018 im berüch­tigten Evin-Gefängnis in Teheran, das für Fol­te­rungen bekannt ist, ein­sit­zende Akti­vistin nicht nur wegen staats­feind­licher Pro­pa­ganda und Belei­digung des Führers Aya­tollah Ali Kha­menei ange­klagt, sondern wie in Dik­ta­turen ohne Vor­warnung und in ihrer Abwe­senheit üblich, auch wegen Spionage, was die Härte des Urteils nochmals dra­ma­tisch in die Höhe aus­schlagen ließ. Im Fokus der Anlage stand außerdem, dass die renom­mier­teste Men­schen­rechts­ak­ti­vistin des Irans zwei junge Frauen ver­tei­digte, die gegen den vom Mul­lah­regime ver­hängten Kopf­tuch­zwang protestierten.
Nasrin Sotudeh wird Stein­meier nicht verstehen
Außen­mi­nister Heiko Maas hat sich unter­dessen zum Urteil geäußert und betont, dass sich „die Bun­des­re­gierung seit ihrer Ver­haftung für Nasrin Sotoudeh ein­ge­setzt“ habe. „Sie hat lediglich ihr Recht auf Mei­nungs­freiheit aus­geübt. Diese dra­ko­ni­schen Strafen sind nicht nach­voll­ziehbar. Wir werden uns auch in Zukunft für ihre Frei­lassung einsetzen.“
Doch Unbe­hagen bleibt. Ange­sichts der­ar­tiger Unmensch­lichkeit des Mullah-Regimes irri­tieren die Glück­wünsche zum 40. Jah­restag der „Isla­mi­schen Revo­lution“, die Bun­des­prä­sident Frank-Walter Stein­meier der ira­ni­schen Führung „im Namen meiner Lands­leute“ über­mit­telte. Für Frauen wie Nasrin Sotudeh kann das nur wie Spott und Hohn klingen – und das aus­ge­rechnet aus einem demo­kra­ti­schen Land, das für Freiheit und Mensch­lichkeit steht, für Ideen und Ideale also, für die sie unter Einsatz ihres Lebens vehement eintritt.