In der Ukraine wird es wie erwartet nach seiner Abwahl eng für Poroschenko. Nun haben Richter des Landes Anzeige gegen ihn wegen Beeinflussung der Justiz gestellt.
In der Ukraine gibt es schon lange Gerüchte und Hinweise darauf, dass Poroschenko in viele illegale Aktivitäten verstrickt ist. Er hat seine Macht als Präsident ausgenutzt, um unliebsame Konkurrenten, wie den Oligarchen Kolomoisky, zu bekämpfen. Poroschenko hat 2016 die Verstaatlichung der größten ukrainischen Bank angeordnet, die „Privatbank“ gehörte Kolomoisky, der inzwischen in Israel lebt. Und der Wahlsieger Selensky hat ausgerechnet in den Medien, die Kolomoisky gehören, seinen Wahlkampf gemacht. Daher entbehren Gerüchte, es ginge um einen Rachefeldzug gegen Poroschenko, nicht einer gewissen Logik.
Aber das ändert nichts daran, dass es Poroschenko war, der seine Macht ausgenutzt hat, um seinen Rivalen gesetzwidrig zu enteignen. Am 18. April, als bereits klar war, dass Poroschenko die Wahl verlieren würde, hat ein Gericht in Kiew ein Urteil gesprochen, dass diese Verstaatlichung für illegal erklärt hat. Die gleichen Richter haben dabei Poroschenko, den Justizminister und den Chef der Zentralbank, dem die Privatbank nun gehört, beschuldigt, Druck auf sie ausgeübt zu haben.
Der Vorsitzende Richter Pavel Vovk teilte mit, Poroschenko habe Druck ausgeübt, um die Richter zu versetzen und den Generalstaatsanwalt und den Geheimdienst beauftragt, Strafverfahren gegen die am Urteil beteiligten Richter zu eröffnen. Anscheinend gibt es dazu schriftliche Anweisungen von Poroschenko an den Nationalen Sicherheitsrat, den Geheimdienst und den Generalstaatsanwalt, denn in den Medien wird er mit den Worten zitiert:
„Zunächst möchte ich Herrn Poroschenko für die gute Belegbarkeit der eigenen illegalen Aktivitäten danken.“
Und er fügte hinzu, dass solche Anweisungen an diese Staatsorgane, es der Justiz leicht machen werden, den „Autoren“ solcher Erklärungen einer gerechten Strafe zuzuführen.
Aber das ist nicht die einzige Front, an der es eng wird für Poroschenko. Seit Wochen beherrscht ein Korruptionsskandal die ukrainischen Medien. Es geht darum, dass Poroschenko über seine russischen Tochtergesellschaften in Russland ausrangierte Ersatzteile für Militärfahrzeuge gekauft, diese dann am Zoll vorbei in die Ukraine geschmuggelt und über seine ukrainischen Firmen als Neuteile zu überhöhten Preisen ans Verteidigungsministerium verkauft hat. In einem Land, in dem bei einem Bürgerkrieg das Leben von Soldaten davon abhängt, dass die Militärtechnik funktioniert, ist dieser Skandal doppelt schlimm.
Während Poroschenko sich dafür feiern lässt, der Verteidigungsetat erhöht und die Armee modernisiert zu haben, hat er in Wirklichkeit große Teile dieses Verteidigungsetats in seine eigene Tasche gelenkt und der Armee in Russland ausgemusterten Schrott als Neuteile verkauft.
Auch bei anderen Gelegenheiten hat er in die eigene Tasche gewirtschaftet, vor allem bei der Energieversorgung. Die Ukraine hat den Kauf russischen Gases eingestellt und bezieht ihr Gas nun in Europa. Diese „Unabhängigkeit“ von russischem Gas feiert Poroschenko als Erfolg. Das Problem ist, dass es sich auch um russisches Gas handelt, dass nun aber nicht direkt aus Russland, sondern über einige undurchsichtige Zwischenhändler in die Ukraine kommt, was dazu führt, dass das gleiche Gas nun wesentlich teurer ist. In einem Land, in dem die Wohnnebenkosten um ca. 1.000 Prozent gestiegen sind, ist das Thema ohnehin ein Politikum. Dass das Gas aber dabei unnötig teurer gemacht wurde und Poroschenko anscheinend Mittelsmänner als Zwischenhändler eingesetzt hat, um die Differenz in die eigene Tasche zu stecken, kommt noch hinzu.
Auch bei der Kohle hat Poroschenko sich medienwirksam von Russland getrennt und teurere Kohle aus den USA gekauft. Jedoch sprechen die Exportzahlen aus Russland eine andere Sprache, denn die Ausfuhren an Energieträgern aus Russland in die Ukraine sind 2018 sogar gestiegen. Poroschenko persönlich hat zwar ein Schiff mit amerikanischer Kohle medienwirksam in Odessa empfangen, aber der russische Export von Kohle in die Ukraine ist weiter gestiegen. In der Ukraine aber wird Kohle nun zum höheren amerikanischen Preis abgerechnet. Man darf sich fragen, wer sich diese Differenz in die Tasche steckt.
Auch Kriegsverbrechen der ukrainischen Einheiten im Bürgerkrieg mit Foltergefängnissen und Massenvergewaltigungen wurden von Poroschenko und seinem Machtapparat in den Sicherheitsdiensten nicht nur gedeckt, sondern gefördert. Das hat ein kürzlich nach Russland übergelaufener Mitarbeiter des ukrainischen Geheimdienstes öffentlich ausgesagt.
Und auch die Todesschüsse vom Maidan 2014, die Poroschenko erst den Weg an die Macht geebnet haben, machen in der Ukraine wieder Schlagzeilen. Poroschenko und andere führende Köpfe des Landes wurden letzte Woche von Ermittlungsbehörden nicht nur beschuldigt, die Ermittlungen zu behindern, es wurden Verfahren gegen sie eröffnet, in denen sie selbst deswegen beschuldigt werden. Internationale Organisationen wie das UNHCR haben seit Jahren diese Beschuldigungen in ihren Berichten zur Lage in der Ukraine immer wieder wiederholt. Aber die westlichen Medien haben darüber geflissentlich hinweg gesehen.
Es dürfte für Poroschenko sehr eng werden in der Ukraine, und viele politische Analysten sind inzwischen damit beschäftigt, darüber zu spekulieren, in welchem Land Poroschenko sich vor der ukrainischen Justiz verstecken wird.
Nachtrag: Es folgen immer mehr Nachrichten in diese Richtung. Nun werden im Parlament in Kiew, der Rada, Unterschriften gesammelt, um den Parlamentspräsidenten Andrej Parubij abzusetzen. Parubij ist eine sehr streitbare Figur. Politisch kommt er aus dem Neonazi-Milieu der Ukraine, hat auf dem Maidan dessen bewaffnete Kräfte befehligt und steht im Verdacht, sowohl mit den Todesschüssen auf dem Maidan, also auch mit der Tragödie in Odessa, bei der im Mai 2014 über 40 Menschen gewaltsam starben, in Verbindung zu stehen. Als Parlamentspräsident ließ er manchmal an einem Tag zu einer Frage so lange die Abstimmungen wiederholen, bis das von ihm gewünschte Ergebnis herauskam.
Gleichzeitig mehren sich in der Ukraine Stimmen, die Selensky zu einem Dialog mit Putin aufrufen, um die Krise zu lösen. Sogar der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine hat sich nicht dagegen ausgesprochen, aber Selensky daran erinnert, dass er sich für die territoriale Integrität der Ukraine einsetzen solle.
Wenn Sie sich für die Ukraine nach dem Maidan und für die Ereignisse des Jahre 2014 interessieren, als der Maidan stattfand, als die Krim zu Russland wechselte und als der Bürgerkrieg losgetreten wurde, sollten Sie sich die Beschreibung zu meinem Buch einmal ansehen, in dem ich diese Ereignisse detailliert auf ca. 800 Seiten genau beschreibe. In diesen Ereignissen liegt der Grund, warum wir heute wieder von einem neuen Kalten Krieg sprechen. Obwohl es um das Jahr 2014 geht, sind diese Ereignisse als Grund für die heutige politische Situation also hochaktuell, denn wer die heutige Situation verstehen will, muss ihre Ursachen kennen.
Thomas Röper – www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“