Steht das Ende des Petro-Dollars bevor? Das NOPEC-Gesetz und seine mög­lichen Folgen

Eine sehr wichtige Meldung ist gestern weit­gehend unter­ge­gangen. Saudi-Arabien hat ange­kündigt, sich unter Umständen vom Petro-Dollar los­zu­sagen. Nur nicht zu früh freuen, ganz so einfach ist es nicht, und sicher ist es auch nicht. Aber allein die Tat­sache, dass es einen so großen poten­zi­ellen Kon­flikt zwi­schen Saudi-Arabien und den USA geben könnte, ist einen näheren Blick auf die Hin­ter­gründe wert.
Um die heutige Situation und die Spreng­kraft dieser Meldung zu ver­stehen, die immerhin von Reuters gekommen ist, müssen wir zunächst in der Geschichte ein wenig zurückgehen.
1944, der Zweite Welt­krieg war noch im vollen Gange, ver­sam­melten sich die Staaten der Welt im ame­ri­ka­ni­schen Bretton Woods. Dort gelang den USA etwas, was noch keinem Staat zuvor gelungen ist: Sie setzten ihren Dollar als Welt­währung durch. Sie kop­pelten den Dollar zu einem festen Preis an Gold und die meisten anderen Staaten kop­pelten ihre Wäh­rungen zu festen Wech­sel­kursen an den Dollar. So gelang es den USA, dass auf der ganzen Welt eine große Nach­frage nach Dollar ent­stand und dass der welt­weite Handel in Dollar abge­wi­ckelt wurde. Finan­zielle Pro­bleme haben die USA danach nicht mehr gekannt, sie konnten in den 1960er-Jahren par­allel zwei ruinös teure Pro­jekte stemmen, den Viet­nam­krieg und das Mondprogramm.

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Jedoch kam dabei der Ver­dacht auf, dass die USA zur Finan­zierung dieser Pro­jekte mehr Dollar gedruckt hatten, als sie Gold in ihren Beständen hielten. Man ver­mutete also, dass es die Gold­de­ckung des Dollars nicht mehr gäbe. Der fran­zö­sische Prä­sident De Gaulle zog daraus Kon­se­quenzen und begann 1965 das fran­zö­sische Gold aus den USA abzu­ziehen und seine Dollar in den USA gegen Gold zu tau­schen, während die meisten anderen Staaten dies nicht taten. Als dann später der Gold­standard nicht mehr zu halten war, waren im Grunde alle anderen Staaten von den USA betrogen und beraubt worden, denn sie hielten Dollar in dem Glauben, dafür jederzeit Gold bekommen zu können und plötzlich waren die Dollar nur bedrucktes Papier. Dazu gleich mehr.
Dieses kurze Video geht auf die Vor­ge­schichte etwas genauer ein.
Über die Aktion von De Gaulle schrieb zum Bei­spiel die „Zeit“ im Sep­tember 1965:
„Gegen­wärtig befinden sich rund 27 Mil­li­arden Dollar in aus­län­di­schem Besitz – und jede Dol­larnote ist, wie das Nach­rich­ten­ma­gazin Time schrieb, ‘ein jederzeit ein­lös­barer Scheck auf den Goldhort in Fort Knox’. Wenn die USA alle diese ‘Schecks’ tat­sächlich ein­lösen müssten (was prak­tisch nahezu aus­ge­schlossen ist), wären sie nicht zah­lungs­fähig: Die Gold­re­serven der USA sind nur noch halb so groß wie ihre Dol­lar­au­ßen­stände. Da aber niemand einen plötz­lichen Zusam­men­bruch der inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­ordnung wün­schen kann, nehmen alle Länder Rück­sicht auf die USA – alle bis auf Frankreich.“
Die Rache der USA folgte 1968, als Wäh­rungs­spe­ku­la­tionen Frank­reich in eine Wäh­rungs­krise stürzten. Man sieht, die Instru­mente der USA waren auch vor über 50 Jahren schon die gleichen, wie heute.
Aber trotzdem war klar, dass das System von Bretton Woods zusam­men­brechen musste und die USA sorgten vor. Ziel war es, die Dominanz des Dollars zu erhalten und so wurde der Petro-Dollar geschaffen. Dazu machte Kis­singer den Saudis ein Angebot, dass sie nicht ablehnen konnten. Er ver­sprach ihnen den bedin­gungs­losen Schutz der USA und das Recht, alle modernen US-Waffen unbe­grenzt kaufen zu dürfen. Im Gegenzug sollte Saudi-Arabien dafür sorgen, dass Öl und Gas nur noch in US-Dollar gehandelt werden konnten. Für Saudi-Arabien war das die Chance, von einem unwich­tigen Wüs­ten­staat zur Regio­nal­macht auf­zu­steigen. Und nebenbei garan­tierte es der US-Rüs­tungs­in­dustrie Aufträge.
Als das System von Bretton Woods 1973 dann abge­schafft wurde, war zwar das Ver­sprechen, jeden Dollar in den USA in einem festen Ver­hältnis gegen Gold tau­schen zu können, gebrochen, aber die USA hatten die Dominanz des Dollars durch die Schaffung des Petro-Dollars gerettet. Vor diesem Hin­ter­grund ist die Ölkrise der 1970er-Jahre ein inter­es­santes Thema, aber das führt hier zu weit.
So bekam die OPEC, in der Saudi-Arabien eine wichtige Rolle spielte, plötzlich eine Menge Macht. Auf­grund der nun so engen Ver­bin­dungen zu den Saudis konnten die USA den Ölpreis über die OPEC beein­flussen, was sie seitdem immer wieder getan haben. In den 1980ern haben sie die Sowjet­union besiegt, indem sie sie mit einer Kom­bi­nation aus Wett­rüsten einer­seits und nied­rigem Ölpreis ande­rer­seits in den Ruin getrieben haben. Stei­genden Aus­gaben standen dort nun sin­kende Ein­nahmen gegenüber. Auch 2014 haben die USA den Ölpreis so von fast 100 Dollar auf unter 30 Dollar gedrückt, um Russland in die Knie zu zwingen, aber Russland hatte aus der Geschichte gelernt und mit einem Spar­pro­gramm die Sache aus­ge­sessen, denn der niedrige Preis konnte nicht lange gehalten werden, weil das zum Bankrott der US-Frack­ing­in­dustrie geführt hätte. Fracking ist teuer und nur ren­tabel, wenn Öl min­destens 50 Dollar kostet. So mussten die Russen nur einige Monate warten und der Ölpreis stieg erwar­tungs­gemäß wieder an.
Aber der Dollar blieb die Welt­währung, weil alle Länder Öl brauchen. So waren und sind alle Länder gezwungen, die Nach­frage nach Dollar auf­recht zu erhalten, denn sie brauchen Dollars, wenn sie Öl haben wollten.
Die USA sind hoch ver­schuldet, und sie sind nur aus einem Grund nicht pleite: Die Welt braucht Dollar, um Roh­stoffe wie Öl zu kaufen. Daher haben die USA alle Länder zu Feinden erklärt, die ihr Öl auch für andere Wäh­rungen ver­kaufen, als für Dollar. Das waren bzw. sind Iran, Irak, Libyen, Syrien, Russland und Venezuela.
Wie es der Zufall will, ist das genau die Liste der Länder, die die USA als Feinde bezeichnen. Und der Grund ist nicht etwa in Men­schen­rechten oder Demo­kratie-Defi­ziten zu suchen, sondern in der Frage des Dollars. Wer die Vor­herr­schaft des Dollars in Frage stellt, lebt gefährlich, während man auch ohne Demo­kratie und Men­schen­rechte ein guter Freund der USA sein kann, siehe Saudi-Arabien.
Und genau diese Freund­schaft bekommt gerade Risse. Die USA haben sich in den 1960ern so mächtig gefühlt, dass sie gegen Bretton Woods ver­stoßen konnten, ohne Kon­se­quenzen zu fürchten und fanden mit dem Petro-Dollar eine Lösung. Jetzt wie­derholt sich die Geschichte.
Die USA sind, genau wie schon vor 50 Jahren, pleite. Aber sie fühlen sich noch all­mächtig, obwohl Experten längst sehen, dass das Wäh­rungs­system in einer gefähr­lichen Schieflage ist. Die Par­al­lelen zu den 1960ern und dem fol­genden Ende von Bretton Woods springen geradezu ins Auge. Die Frage ist genau wie damals nicht, ob es pas­siert, sondern nur wann es pas­siert.
Da die USA durch Fracking wieder in die Liga der größten Pro­du­zenten von Öl und Gas auf­ge­stiegen sind, ist einigen dort nun die OPEC ein Dorn im Auge, denn sie wollen ohne die kom­pli­zierten Ver­hand­lungen innerhalb der OPEC den welt­weiten Ölpreis selbst kon­trol­lieren. Und so wurde von einigen Abge­ord­neten in Washington ein NOPEC-Gesetz (No Oil Pro­ducing and Exporting Cartels Act) vor­gelegt. Nach dem Gesetz sollen Staaten, die sich zu Kar­tellen zusam­men­schließen und so die Preise für Waren bestimmen, mit Sank­tionen belegt werden können. Konkret geht es unter anderem darum, diese Länder für ihre Preis­ab­sprachen in den USA auf Scha­den­ersatz ver­klagen zu können. Es geht also um einen Angriff auf die OPEC.
Darüber hat Reuters am 5. April berichtet. Auch wenn das Gesetz derzeit wohl wenig Chancen hat, hat es bereits hohe Wellen geschlagen, wenn diese auch in den west­lichen Medien nur am Rande vorkamen.
Im Spiegel konnte man zur Reaktion der Saudis lesen:
„Es ist nicht die erste Warnung, die Saudi-Arabien in der Ange­le­genheit an die USA adres­siert. Mitte März hatten sau­dische Ver­treter öffentlich erklärt, unter den Folgen eines Kon­flikts könnte auch die Wall Street leiden sowie viele kleine und mittlere Ölpro­du­zenten in den USA, die den Roh­stoff mit der umstrit­tenen Frack­ing­tech­no­logie gewinnen. Die Opec-Länder würden dann mit einer mas­siven Aus­weitung ihrer Pro­duktion beginnen und die Preise auf dem Welt­markt so weit drücken, dass die För­derung mit der relativ teuren Fracking-Tech­no­logie unren­tabel werde, so Opec-Gene­ral­se­kretär Mohammad Bar­kindo. ‘Nopec dient nicht den US-Inter­essen’, zitiert ihn die Nach­rich­ten­agentur Bloomberg.“
Dass das Gesetz ange­nommen wird, ist nicht sehr wahr­scheinlich, aber wenn es kommen sollte, würde es die Welt auf den Kopf stellen. Die OPEC würde sich dagegen wehren, indem sie die Märkte mit Öl flutet und so den Preis auf Tal­fahrt schickt und damit die US-Frack­ing­in­dustrie unren­tabel machen würde.
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Aber die Saudis sollten sich an Saddam und Gaddafi erinnern. In Saudi-Arabien stehen großen US-Mili­tär­basen und die USA haben in der Ver­gan­genheit gezeigt, dass sie nicht zim­perlich sind, wenn es um ihre Inter­essen geht.
So enthält diese auf den ersten Blick wenig inter­es­sante Meldung eine ganze Menge Spreng­stoff und man darf gespannt sein, wie sich Trump verhält. Er hat immer wieder gegen inter­na­tionale Kar­telle gewettert. Wenn er dieses Gesetz unter­stützt, könnte es Rea­lität werden und die Folgen wären kaum absehbar.
Die Sau­dische Armee ist eine der modernsten und mäch­tigsten der Welt, es ist nicht Libyen oder der Irak. Die USA können aber nicht zulassen, dass die Saudis anfangen, ihr Öl für andere Wäh­rungen als Dollar zu ver­kaufen, das könnte auf Sicht zum Staats­bankrott der USA führen.
Der Preis, um den es geht, ist also sehr hoch. Und niemand weiß, ob die han­delnden Kräfte in den USA, ähnlich wie 1973 beim Ende von Bretton Woods, bereits einen Plan B in der Schublade haben. Aber es deutet einiges darauf hin. Dazu habe ich einen geson­derten Artikel geschrieben.
Aber immer mehr Länder wenden sich offen oder unauf­fällig vom Dollar ab und setzen wieder auf Gold oder andere Werte.
Den USA scheint einfach ihre Macht zu Kopf gestiegen zu sein, denn sie gehen inzwi­schen ja nicht nur gegen ihre Gegner offen vor, sondern auch gegen ihre Ver­bün­deten. Sank­ti­ons­dro­hungen der USA gegen Nato-Partner in Europa sind heute bereits Nor­ma­lität und nun ver­ärgern sie auch noch die Saudis. Man muss sich also fragen, wann diese „Ver­bün­deten“ der USA merken, dass ihr großer Bruder in Wirk­lichkeit ihr größter Feind ist, der sie nicht etwa beschützt, sondern nur ausnutzt.
Die US-Politik der „Global Domi­nance“, also der Welt­herr­schaft, bekommt Risse. Sie funk­tio­niert nur, wenn mög­lichst viele mächtige Länder den USA als Vasallen folgen. Aber wenn die USA diese Vasallen zu sehr ver­ärgern, könnten die auf die Idee kommen, sich von den USA abzu­wenden. Die Frage ist also, ob und wann und mit welcher Maß­nahme die USA den Bogen über­spannen und dies eintritt.
 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“